Mit schnittigen Dachboxen weiterhin am Markt

Verkauf an Forchheimer Uebler rettet insolventen Automobilzulieferer Kamei

Kamei gehörte jahrzentelang durchgehend zu den Top-Drei-Anbietern für Dachboxen in Deutschland. | Foto: © Kamei GmbH & Co. KG

Die Zeiten sind gerade nicht leicht für die Automotive-Branche: Multiple Krisen, Lieferkettenprobleme und die Energiepreise machen den Unternehmen in Deutschland zu schaffen. Auch die Kamei GmbH und Co. KG hatte mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen und musste daher im Sommer des vergangenen Jahres Insolvenz anmelden.

Justus von Buchwaldt, Partner der Restrukturierungskanzlei BBL Brockdorff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, übernahm als Insolvenzverwalter die Sanierung des Unternehmens. Der Wolfsburger Familienbetrieb Kamei arbeitet inzwischen in der dritten Generation. Das Unternehmen wurde 1952 gegründet von Karl Meier, früher Konstrukteur für Innenausstattung bei der VW AG. Die ersten großen Erfolge erzielte die Firma mit Spoilern und anderen Tuningteilen für VW-Fahrzeuge. „Wir haben 1972 den ersten Spoiler für einen VW-Käfer auf den Markt gebracht“, erinnert sich Thomas Meier, ehemaliger Geschäftsführer von Kamei. Das Sortiment wurde in den folgenden Jahren immer weiter ausgebaut – sogar komplette Sets wurden dann angeboten. In den späten 1980er-Jahren gab es mit Kamei und Zender zwei große und etablierte Anbieter von Tuningteilen für vielerlei Fahrzeugmarken. In der Folge begann der Konzern aber selbst damit, Tuning und Spoiler anzubieten.

Große Erfahrung mit Aerodynamik

Kamei reagierte früh und nutzte sein Know-how im Bereich der Fahrzeugaerodynamik für die Weiterentwicklung einer anderen Produktlinie. Bereits im Jahr 1955 hatte der Firmengründer die erste „flatterfreie Schutzhülle mit Gepäckträger“ auf den Markt gebracht – also eine Art Dachbox für Autos als Erweiterung für die Ladekapazität. „Wir waren schon seit 20 Jahren auf dem Markt mit Aerodynamikprodukten. Dieses Wissen haben wir dann übertragen auf die Dachboxen und entsprechende Lösungen gefunden“, erklärt Meier. Damit waren die schnittigen Behälter geboren und es wurde ein neues Marktsegment erschlossen. In den folgenden Jahrzehnten gehörte Kamei durchgehend zu den Top-Three-Anbietern in Deutschland. Die wichtigsten Produkte gab es für Fahrzeuge von VW und Mercedes. Im Jahr 2022 erzielte das Unternehmen mit 42 Mitarbeitern rund 6 Mio. EUR Umsatz.

Doppelt Pech nach der Coronapandemie

Ein entscheidendes Merkmal der Dachboxen ist der geringe Windwiderstand. | Foto: © Kamei GmbH & Co. KG

Die Zusammenarbeit mit den Herstellern wurde dann intensiviert und es erfolgte neben dem Direktverkauf an Kunden auch eine OEM-Produktion. In der Spitze lag der OEM-Anteil am Umsatz bei mehr als 50%. Die Coronapandemie mit ihren erheblichen Auswirkungen auf die weltweiten Lieferketten führte dann zu den ersten ernsthaften Problemen bei Kamei. Die Lieferprobleme und die später folgenden Preissteigerungen – zusätzlich verursacht durch den Krieg in der Ukraine – konnten nicht kompensiert werden. Dabei hatte Kamei gleich doppelt Pech: Zuerst mussten die Lieferverpflichtungen aus den OEM-Vereinbarungen trotz erhöhten Materialaufwands erfüllt werden und später wurden eigentlich geplante Abnahmen von Produkten durch die Hersteller nicht vorgenommen. Die Firma saß also auf geplanten Abrufen, für die sie keine Abnehmer hatte.

Liefervereinbarung trotz Insolvenz abgeschlossen

Schließlich gab es für das Management keinen anderen Ausweg als den Insolvenzantrag. Die vorherigen Sanierungsbemühungen konnten nicht rechtzeitig abgeschlossen werden. Unmittelbar nach dem Insolvenzantrag führte Insolvenzverwalter von Buchwaldt gemeinsam mit seinem Teamkollegen Nikolas Otto intensive Verhandlungen mit den wichtigsten Kunden. Ende des vergangenen Jahres gelang es ihm schließlich, mit der Volkswagen Zubehör GmbH einen Großauftrag für eine gesamte Jahresproduktion zu vereinbaren. Damit bestand eine sehr solide Grundlage für eine Fortführungslösung – mit einer gesicherten Auslastung. Weiterhin erfolgten in der Phase der Insolvenz zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen im Unternehmen und erfolgte eine Optimierung interner Abläufe. Auch beim Energiemanagement wurden Anpassungen vorgenommen, um Kosten zu senken und die Effizienz zu erhöhen.

Zahlreiche Kaufinteressenten

Parallel zu den internen Maßnahmen war Insolvenzverwalter von Buchwaldt auf der Suche nach einem Übernehmer für das Unternehmen. Insgesamt hatte die vom Insolvenzverwalter beauftragte Centuros über 40 strategische sowie mehr als 50 Finanzinvestoren kontaktiert. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Suche nach strategischen Investoren, um durch einen Zusammenschluss mit einem anderen Unternehmen Skaleneffekte generieren zu können. „Die wirtschaftliche Lage im Automotive-Sektor ist gerade nicht leicht. Wir haben sicher davon profitiert, dass Kamei in der Branche ein gutes Standing hat. Die gesicherte Auslastung war auch ein wesentlicher Faktor bei den Verhandlungen“, erklärt der Insolvenzverwalter.

Uebler GmbH als neuer Partner

Thomas Meier – ehemaliger CEO von Kamei | Foto: © Kamei GmbH & Co. KG

Insgesamt zeigten mögliche Käufer ein vergleichsweise großes Interesse. Nach abschließenden Verhandlungen mit zwei Interessenten erfolgte sodann der Zuschlag an die Forchheimer Uebler GmbH. Die Firma produziert mit rund 80 Mitarbeitern seit über 50 Jahren hochwertiges Autozubehör − vor allem moderne Fahrradträgersysteme. Christoph Bülow und Klaus Uebler sind Alleingesellschafter und Geschäftsführer. „Wir freuen uns, den Traditionsbetrieb erhalten und den Markennamen weiterführen zu können. Die Kunden können sich auch weiterhin auf die gewöhnte Qualität der Dachboxen von Kamei verlassen“, kommentiert Bülow. Das typische Saisongeschäft ist inzwischen wieder angelaufen und die bisherigen Bestandskunden bleiben an Bord. Auf diese Weise steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kamei die Krise übersteht.

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„Der Verkauf an Uebler ist ein Segen für die Marke“

Interview mit Justus von Buchwaldt, Partner, BBL Brockdorff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Justus von Buchwaldt | Foto: © BBL Brockdorff

Unternehmeredition: Warum haben Sie sich für ein klassisches Insolvenzverfahren entschieden?

Justus von Buchwaldt: Das klassische Verfahren hat für uns den Vorteil geboten, dass wir schnell handeln können. Es hätte auch den Weg der Eigenverwaltung gegeben, denn Kamei war noch nicht zahlungsunfähig – aber im klassischen Verfahren konnten die gewünschten Maßnahmen schneller umgesetzt werden.

Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Meilensteine beim Insolvenzverfahren von Kamei?

Das Insolvenzverfahren war gut vorbereitet. Die Anzahl der sonst üblichen Überraschungen war damit also überschaubar. Und ein ganz wichtiger Schritt war sicher die Einigung mit VW über einen langfristigen Liefervertrag. Der Verkauf an die Uebler GmbH ist ein Segen für die Marke Kamei. Strategisch passen die beiden Unternehmen hervorragend zusammen. Kamei wird vor allem von dem etablierten Vertriebssystem bei Uebler profitieren und so neue Kunden gewinnen.

Was raten Sie Unternehmern in der Krise?

Wenn sich ein Inhaber in seiner Firma unwohl fühlt, weil das Geld auszugehen scheint, dann ist es nach meiner Erfahrung bereits „drei vor zwölf“. Es ist also immer wichtig, dass das Management möglichst frühzeitig reagiert und sich im Zweifel Unterstützung holt. Sanierungsberater finden aufgrund ihrer Erfahrung neue Möglichkeiten, auf die der Unternehmer selbst nicht gekommen wäre – und dann lässt sich vielleicht auch eine Insolvenz mit all ihren Nachteilen noch vermeiden.

Diese Fallstudie ist am 28.06.2024 in der Unternehmeredition-Magazinausgabe 2/2024 auf S. 80-81 erschienen.

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KURZPROFIL

Kamei GmbH

Branche: Dachboxen für Fahrzeuge

Unternehmenssitz: Forchheim

Mitarbeiter (2022): 42

Umsatz (2022): 6 Mio. EUR

www.kamei.de

Autorenprofil
Alexander Görbing

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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