Mit frischem Geld schneller wachsen

Mittelständische Beteiligungsgesellschaften unterstützen mit Eigenkapitalfinanzierungen

Erlebnis-Store von Vaund in Osnabrück; Foto: © Realtale

Wachstum ist kapitalintensiv. Mit Eigenkapitalfinanzierungen von Mittelständischen
Beteiligungsgesellschaften kann das firmeneigene Ranking verbessert werden. Zwei aktuelle Erfolgsbeispiele sind die Realtale GmbH und die Böhnke & Luckau GmbH.

Mit eigenen Showrooms sowie Shop-in-Shop-Lösungen sollen unter dem Label Vaund neue Zielgruppen erschlossen werden; Foto: © Realtale

Der Einzelhandel in Deutschland hat es gerade nicht leicht. Die Coronapandemie mit ihren großflächigen Lockdowns in den vergangenen beiden Jahren hat der Branche stark zugesetzt, und nachdem die Geschäfte zaghaft wieder geöffnet haben, wird sie nun von einer Inflationswelle erfasst. Zudem setzen sich gerade in Innenstädten immer mehr Franchises und Ketten durch. Einen vollkommen anderen Ansatz verfolgt das junge Unternehmen Realtale GmbH: Mit eigenen Showrooms sowie Shop-in-Shop-Lösungen sollen unter dem Label Vaund neue Zielgruppen erschlossen werden. „Das Geschäftsmodell basiert auf dem Retail-as-a-Service-Konzept: Hersteller mieten sich in unseren Locations ein und wir kümmern uns um sämtliche Operations. Wir gewährleisten eine kompetente Beratung, ermöglichen es den Konsumenten, neue innovative und regelmäßig wechselnde Produkte zu testen und kennenzulernen“, erklärt dazu Michael Volland, Gründer und Geschäftsführer von Realtale. Das Konzept positioniert sich dabei im Premiumsegment und spricht eine kaufkräftige Zielgruppe an. Dementsprechend würden dann auch die Hersteller und Produkte ausgesucht. Kaufdruck wird in den Stores nicht erzeugt: Der Kunde entscheidet selbst, ob er das Produkt vor Ort kauft, auf der Website des Herstellers oder über einen anderen Kanal.

Erster Flagship-Store 2019 eröffnet

Michael Volland, Realtale; Foto: Realtale

Der erste und wichtigste Schritt war die Eröffnung des ersten Flagship-Stores in Hannover im November 2019. Hier wurden beim Möbel- und Ladendesign wie auch beim Geschäftsmodell völlig neue Wege gegangen, die Konsumenten, Hersteller, Handelspartner und Investoren vom Konzept überzeugten. Inzwischen wurden bereits fast 200 Unternehmen als Partner gewonnen. Hierzu gehören unter anderem Stihl, BSH, Kärcher, Melitta, Jura oder Teufel, Peloton und Otto Wilde. Mit der Gründung im Jahr 2019 war Vaund bereits im ersten Jahr des Bestehens stark von der Coronapandemie und den Lockdownmaßnahmen betroffen. „Insgesamt hat die Pandemie dazu geführt, dass sich der stationäre Einzelhandel noch schneller neu erfinden muss – dafür stehen wir mit unserem Geschäftskonzept, was durch das große Interesse von etablierten Handelsunternehmen bestätigt wird“, fährt Volland fort. In jedem Fall soll der Expansionskurs weiter fortgesetzt werden.

100 weitere Standorte geplant

Ansicht des modernen Vaund-Store mit einer innovativen Warenpräsentation in Stuttgart; Foto: © Realtale

Bei dem weiteren Wachstum setzt Realtale nun auch auf eine Zusammenarbeit mit der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Niedersachsen (MBG) mbH. „Neben Vaund wollen wir in den kommenden Jahren weitere Marken für unterschiedliche Zielgruppen entwickeln und in Kooperationen mit stationären Handelspartnern betreiben. Bis Ende 2026 planen wir, über 100 Shop-in-Shops zu eröffnen und unser Geschäftsmodell im deutschsprachigen Raum zu etablieren“, kündigt Volland an. Realtale hatte bei der Ansprache der MGB Niedersachsen den ersten Schritt gemacht. Die ersten Gespräche seien sehr kooperativ verlaufen; wichtig sei dabei auch ein guter und direkter Kontakt zum Ansprechpartner, der dann langfristig zuständig bleibt. „Der Retail-as-a-Service-Ansatz ist ein sehr gutes Gegenmodell zu aktuellen Problemlagen und Herausforderungen, die im stationären Handel bestehen“, erklärt dazu Andreas Schramm, Beteiligungsmanager von der MBG Niedersachsen.

Mit Weihnachtsmännern international erfolgreich

Henry Luckau, Böhnke & Luckau; Foto: Böhnke & Luckau

Spätestens nach den Sommerferien sind sie wieder überall zu finden: Schokoladenweihnachtsmänner in allen Größen und Formen. Gut möglich, dass auch Exemplare mit dabei sind, die mit Maschinen der Böhnke & Luckau GmbH (B&L) produziert wurden. 1997 gegründet von Henry Luckau und Norbert Böhnke, baut das Unternehmen inzwischen weltweit Süßwarenmaschinen und andere Sondermaschinen. Dabei wird die traditionsreiche und erfolgreiche Maschinenpalette der Vorgängerfirma „Hoppe Maschinenbau“ weitergeführt. Auch dieses Unternehmen war bereits im Sektor der Lebensmittelindustrie aktiv. „Unser Hauptaugenmerk liegt auf Langlebigkeit, Bedienerfreundlichkeit, hygienische Konstruktion, Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz. Qualität bedeutet für uns, wenn der Kunde wiederkommt und nicht die Maschine“, erklärt Henry Luckau, einer der beiden Geschäftsführer. Einige Kunden von B&L hätten zwölf Anlagen im Einsatz.

Kunden aus der ganzen Welt

Neue Generation von Schokoladenabfüllmaschinen
der Firma Böhnke
& Luckau GmbH, die grafisch gesteuert
werden. Diese Neuheit soll
bis zur interpack im Mai 2023 fertig
sein; Foto: Böhnke & Luckau

Am Sitz des Unternehmens in Wernigerode werden Maschinen gebaut für Kunden aus Nordafrika, Indonesien, den USA und natürlich auch Europa. Die Kompetenz von B&L besteht darin, dass unterschiedlichste Lebensmittel in eine besondere Form gebracht werden. Das kann ein Weihnachtsmann aus Schokolade sein, Streusel für einen Kuchen, aber auch ein kleines Butterstück in Form einer Blume oder Fleischersatz. „Unsere Technologie erlaubt viele Einsatzmöglichkeiten und wir sind gerade dabei, neue Märkte zu erschließen“, fährt Luckau fort. Aktuell wird durch B&L eine neue Generation von Schokoladenabfüllmaschinen entwickelt, die grafisch gesteuert werden. Diese Neuheit soll bis zur interpack im Mai 2023 fertig sein. Mit dieser Weiterentwicklung sollen weitere Kunden gewonnen werden.

Großauftrag an Land gezogen

B&L blickt in diesem Jahr auf eine 25-jährige Geschichte zurück. 2006 erfolgte der Umzug an den neuen Standort in Wernigerode; hier wurden die Kapazitäten kontinuierlich erweitert. Erst im vergangenen Jahr wurden weitere Produktionsstätten erworben. Parallel baut B&L seine Servicesparte aus, um auch hier weitere Einnahmen erzielen zu können. In den vergangenen Jahren wurde zudem an neuartigen Anlagen zum Schleudern von Hohlkörpern gearbeitet, welche voll digitalisiert funktionieren. Noch für dieses Jahr rechnet Luckau zudem mit einem internationalen Großprojekt im Volumen von rund 8 Mio. EUR. Insgesamt sind weltweit 40 Kooperationspartner für B&L aktiv.

Internationale Geschäfte ermöglichen

Gerade im internationalen Geschäft mit großen Anlagen sind eine hohe Bonität und eine gute Kapitalausstattung wichtig. Lieferung und auch Bezahlung werden durch sogenannte Letter of Credits (Akkreditive) abgesichert – im Prinzip also durch eine Bankbürgschaft. Somit ist eine bestimmte Eigenkapitalausstattung erforderlich, um im internationalen Umfeld erfolgreich agieren zu können. Und hier kommt die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH ins Spiel: „Die nun angestrebten Aktionen auf den internationalen Märkten möchten wir wieder mit der MBG als Partner umsetzen und die Finanzierung für die Firma gestalten“, erklärt Luckau dazu. Bereits vor knapp zehn Jahren gab es eine Kooperation mit der MBG Sachsen-Anhalt. „B&L und die MBG pflegen schon seit Jahren eine erfolgreiche Zusammenarbeit und Partnerschaft, welche sich im bisherigen Wachstum der Firma widerspiegelt“, erklärt dazu Harriet Krzyzowski, Investmentmanagerin von der MBG Sachsen-Anhalt.


„Geld ist nicht mehr umsonst“

Thomas Hoffmeister, Geschäftsführer der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Niedersachsen mbH, und Gunnar Giese, Geschäftsführer der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH, sprechen über das aktuelle Klima für Unternehmensbeteiligungen. 

Unternehmeredition: Spüren Sie nach der Coronapandemie eine verstärkte Nachfrage von Unternehmen nach Kapitalbeteiligungen? Wie sehen Sie aktuell das geschäftliche Klima für Private-Equity-Investments?

Thomas Hoffmeister; Foto: MBG Niedersachsen mbH

Thomas Hoffmeister: Aktuell ist eine starke Verunsicherung der Marktteilnehmer zu spüren, beginnend bei gestörten Lieferketten und Beschaffungsproblemen über verteuerte Rohstoffe und höhere Materialkosten bis hin zu der schwer greifbaren Entwicklung bei den Energiekosten. Die Unternehmen können die Entwicklungen nur sehr schwer einschätzen. Investitionsvorhaben oder Unternehmensverkäufe beziehungsweise -übernahmen werden deshalb deutlich weniger umgesetzt oder auf Eis gelegt. Wir haben den AgilitätsFonds aufgelegt, damit Unternehmer auch in wirtschaftlich bewegten Zeiten das Heft in der Hand behalten. Unsere Mitarbeiter freuen sich, mit diesen Mitteln einen entscheidenden Beitrag zur Wirtschaftsförderung und Standortsicherung in Niedersachsen zu leisten.

Was sind die klassischen Fälle, in denen die Zusammenarbeit mit einer MBG für ein Unternehmen sinnvoll ist?

Gunnar Giese; Foto: MBG Sachsen-Anhalt mbH

Gunnar Giese: Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) wenden sich an uns in ihrer Wachstumsphase oder wenn sie Eigenkapital für weitere Investitionen benötigen. Auch für Unternehmen in der Gründungsphase oder bei Übernahme (M&A) sowie Nachfolgethemen kann die Einschaltung der MBG sinnvoll sein.

Stellen Sie auch eine Änderung bei den Unternehmertypen fest, mit denen Sie zusammenarbeiten?

Thomas Hoffmeister: Eigentlich nicht. Als MBG, die überwiegend in mittelständische Unternehmen mit stillen und/oder offenen Beteiligungen investiert, setzen wir schon immer auf starke Unternehmerpersönlichkeiten. In den aktuellen und zurückliegenden Krisensituationen sehen wir die Stärke des Mittelstands und der mittelständischen Unternehmer, in besondere Weise auf diese Situationen regieren zu können.

Sehen Sie durch das steigende Zinsniveau aktuelle und zukünftige M&A-Investments als schwieriger an?

Gunnar Giese: Geld ist nicht mehr umsonst; dadurch wird sich der Markt etwas bereinigen. Neben dem Zinsniveau hängt die Entwicklung des M&A-Markts auch an der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung. Und natürlich kann es auch in einer abflauenden Konjunktur und mit steigenden Finanzierungskosten zu Opportunitäten kommen, die weiterhin für M&A-Investments sprechen.

Wie schätzen Sie kurz vor Jahresende die Geschäftsentwicklung bei Ihrer MBG ein?

Thomas Hoffmeister: Wir gehen davon aus, dass die aktuell etwas verhaltene Nachfrage nach Beteiligungskapital im ersten und zweiten Quartal des kommenden Jahres steigen wird. Voraussetzung hierfür ist jedoch der Abbau der Unsicherheiten durch Konkretisierung der Rahmenbedingungen bei den Energiekosten. Wir gehen davon aus, dass mit eintretender Beruhigung und sich wieder oder neu findender Lieferketten Investitionen und Nachfolgevorhaben wieder verstärkt in Angriff genommen werden.

Gunnar Giese: Im Geschäftsjahr 2022 konnten wir an die guten Ergebnisse von Vor-Corona-Zeiten anknüpfen. Trotzdem hat sich in der zweiten Jahreshälfte nach unserer Beobachtung Unsicherheit bei den Unternehmen zum weiteren Geschäftsverlauf gezeigt, Investitionsentscheidungen wurden verschoben und geplante Investitionen ausgesetzt. Großvolumige Anfragen nach stillem Beteiligungskapital blieben vorerst aus.

Lieber Herr Hoffmeister, lieber Herr Giese, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!


Kurzprofil Böhnke & Luckau GmbH

Branche: Lebensmitteltechnologie

Gründung: 1997

Mitarbeiter: 50

Umsatz: circa 8 Mio. EUR

https://www.boehnke-luckau.de/


Kurzprofil Realtale GmbH

Branche: Einzelhandel

Gründung: 2019

Umsatz: 1,5 Mio. EUR

Mitarbeiter: 30

https://www.vaund.de

Autorenprofil
Alexander Görbing

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

Vorheriger Artikel„Angst vor beschleunigter Inflation zentrales Motiv“
Nächster ArtikelWirtschaftsprognosen: Institute senden gemischte Signale