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Mit der Speedfactory zurück nach Deutschland

Der Sportartikelhersteller Adidas hat in Ansbach eine Speedfactory aufgebaut, um besonders schnell auf Kunden zugeschnittene Schuhe zu produzieren. Weitere Fabriken sollen folgen. Kann die Speedfactory ein Vorbild für andere deutsche Produzenten und eine Chance für den Produktionsstandort Deutschland sein?

Im Mai 2016 präsentierte Adidas erstmals die neue Speedfactory. Im Rahmen eines Pilotprojekts wollen die Franken in diesem Jahr 500 Paar Schuhe fertigen. Ziel ist es, die Grundlagen für den Einsatz moderner Fertigungsprozesse für eine kommerzielle Serienproduktion zu legen. Adidas will eines der Ziele der Industrie 4.0 verwirklichen: Schuhe in der kleinsten Losgröße mit höchster Personalisierung wirtschaftlich herzustellen.

Ausweitung auf die USA, Volumen in Asien

Tatsächlich ist mehr geplant: Adidas und die Tochter Reebok wollen beide auch in den USA weitere automatisierte Fabriken errichten. Konkurrenten wie Under Armour, Nike und New Balance sind noch nicht so weit, haben aber ähnliche Überlegungen. Die Adidas-Fabriken in Deutschland und den USA sollen jeweils etwa 500.000 Schuhe pro Jahr fertigen können. Eine halbe Million klingt viel, ist es aber bei Lichte betrachte nicht, denn 2015 ließ Adidas über 300 Millionen Schuhe in Asien, vor Allem in China, aber auch in Korea, Vietnam, Indonesien und Japan, herstellen.

Was dahinter steckt

Auf den ersten Blick sind dies Kundenbedürfnisse. Der Konsument von Morgen fragt nach individualisierten Produkten. Sie sollen am besten sofort verfügbar und nicht wesentlich teurer als bisherige Massenprodukte sein. Künftig wird er im Laden seine Produktwünsche mitteilen, seinen Fuß scannen lassen, die Farbkombination und das Obermaterial des Schuhs wählen, um dann ohne längeres Warten direkt ein individuell gestaltetes Produkt mitnehmen zu können. Mit Hilfe neuer Fertigungstechnologien können kundenindividuelle Designs für Komponenten vollautomatisch in Produktionsdaten überführt und vor Ort überwiegend automatisch gefertigt werden. Bei Nike glaubt man sogar, dass zukünftig jeder einen 3D-Drucker zu Hause haben könnte und das Unternehmen dann nur noch die Druck-Dateien verkauft.

Unternehmen haben unmittelbare Vorteile

Für die Unternehmen liegen die Vorteile des Re-shoring auf der Hand: Teure und zeitkostende Transportwege zu den Märkten in Europa und den USA fallen weg, Lagerhaltungskosten sinken, Materialüberschuss wird weiter reduziert, relativ gering qualifiziertes Personal für die Produktion an sich wird größtenteils nicht benötigt.

Die individualisierte, bedarfsgerechte Produktion reduziert aber nicht nur die Lagerhaltung, sondern auch die Notwendigkeit von saisonalen Abverkäufen. Dies erhöht wiederum die Durchverkaufsrate also den Anteil der Produkte an der Gesamtproduktion, die zum vorgesehenen Preis verkauft werden können.  Diese hat damit direkten Einfluss auf das Jahresergebnis.

Geringerer Einfluss der Arbeitskosten

Die Löhne in einigen asiatischen Ländern sind vergleichsweise niedrig. Dies war die Motivation des East-shoring in vielen Branchen. In China trifft das aber zunehmend nicht mehr zu. Insofern steht der Standort China in Frage. Wer ohnehin über eine Produktionsverlagerung nach Indonesien oder Vietnam nachdenkt, kann Prozesse auch gleich vollständig hinterfragen, denn die Suche nach dem Standort mit den niedrigsten Personalkosten ist für sich kein nachhaltiges Konzept.

Der Sportartikelhersteller Adidas hat in Ansbach eine Speedfactory aufgebaut, um besonders schnell auf Kunden zugeschnittene Schuhe zu produzieren. Weitere Fabriken sollen folgen. Kann die Speedfactory ein Vorbild für andere deutsche Produzenten und eine Chance für den Produktionsstandort Deutschland sein?

Kein Arbeitsplatzverlust durch Roboter

Die Errichtung von automatisierten Produktionsstätten in Deutschland kommt dem Trend entgegen, dass die demographische Entwicklung zunehmend zur Knappheit der Ressource Arbeit führt. Einige Experten vertreten die Auffassung, dass in den westlichen Industriestaaten kein Arbeitnehmer davor Angst haben muss, dass er seinen Arbeitsplatz an Roboter verliert. Vielmehr werden Roboter im Wesentlichen nur den Wegfall von Arbeitskräften kompensieren und es älteren Arbeitnehmern ermöglichen, länger zu arbeiten. Mit anderen Worten: Marktnahe Produktion in Ländern wie Deutschland wird überhaupt nur durch Automatisierung möglich sein.

Automatisierung funktioniert in Asien nicht

Automatisierte Fabriken stellen enorme Anforderungen an die Prozesse und Technik auf Vernetzung und Einbettung von Systemen, Datensicherheit, Logistik, Leistungsprofil der Mitarbeiter viele mehr. Dies setzt ein entsprechend entwickeltes Umfeld für die Umsetzung derartiger Projekte voraus, das weltweit nicht überall gegeben ist. Deutsche Technologie ist hingegen führend in der Industrie 4.0. Kurze Wege für Wartung und Erweiterung entsprechender IT-Landschaften spart Kosten und reduziert die Notwendigkeit der Entsendung von IT-Spezialisten, eine ohnehin knappe Ressource.

Digitalisierte, kundenzentrische Produktion basiert auf Daten: Etwa Konstruktions- und Designdaten, die möglicherweise besonders geschützt werden müssen. Aber auch personenbezogene Daten des Kunden sowie solche, die bei der Produktion selbst entstehen, etwa Bewegungs-und Verhaltensprofile des Produktionsmitarbeiters. Zur Vorsorge ist daher ein Höchstmaß an IP-Schutz, IT-Sicherheit und Datenschutz erforderlich. Dies kann in einer Vielzahl von “Billiglohnländern” nicht gewährleistet werden. Auch weil die zivilrechtliche Frage, wem die Daten gehören, momentan außerhalb von Vertragsverhältnissen nicht belastbar beantwortet werden kann, mag ein Re-shoring mit unmittelbarerer faktischer Kontrolle über Daten praktische Vorzüge haben.

FAZIT

Wann also kann die Rückverlagerung von Produktion nach Europa sinnvoll sein? Das Beispiel der Smartfactory zeigt einige Daumenregeln auf: Die betreffenden Produkte sollten Massenprodukte sein, bei denen in Deutschland und Europa ein Kundenwunsch nach Individualisierung und schneller Verfügbarkeit besteht. Die Produktion sollte sich durch einen hohen Anteil von relativ einfacher manueller Arbeit auszeichnen, die durch einen höheren Grad von Automatisierung ersetzt werden kann. Paradox: Was bis vor kurzem undenkbar war, wird Realität – die Massenproduktion von “Losgröße 1” made in Germany.


Zu den Personen

Eike Fietz und Dr. Stephan Appt. (© Pinsent Masons)

Eike Fietz und Dr. Stephan Appt sind Rechtsanwälte und Partner bei Pinsent Masons in München. Sie arbeiten vornehmlich im Sektor Advanced Manufacturing und beraten Mandanten bei Industrie 4.0-Projekten. Pinsent Masons ist weltweit aktiv und unterhält Büros u.a. in Deutschland und China.

www.pinsentmasons.com

 

 

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