Mehrheit in Deutschland für Teilhabe durch Kapitalbeteiligung

Umfrage belegt hohe Zustimmungsraten in Europa

Foto: © qunica.com_AdobeStock

Der Trend verfestigt sich: Mitarbeiterkapitalbeteiligung hat eine Mehrheit in Deutschland. Vieles wurde getan, einiges bleibt noch zu tun, um die „Brücke zwischen Kapital und Arbeit“ weiter zu stärken, aber sie ist ein wichtiger Baustein zu mehr Teilhabe und zur Festigung unserer Demokratie. 

Mitarbeiterkapitalbeteiligung hat eine Mehrheit in Deutschland, so belegten es die mittels Qualtrics geführten Umfragen von Economic Research der Allianz bereits 2022, so findet es auch 2024 wieder eine Bestätigung.

Die Mehrheit der Deutschen, wie auch einiger anderer europäischer Länder, für welche die Umfragen durchgeführt wurden, sind dafür. Insgesamt wurden in Deutschland (1.020), Frankreich (1.020), Italien (1.021), Polen (1.032), Spanien (1.006) und Österreich (1.171) 6.270 Personen befragt. Auf die Frage „Würden Sie an einem Programm für Mitarbeiteraktien Ihres Arbeitgebers teilnehmen, wenn Sie dazu Zugang hätten?“ antworteten 19,4% mit „Ja, in jedem Fall“, weitere 36,4% mit „Ja, wenn es steuerliche Vorteile mit sich bringt.“ 16,5% sind unentschieden. Weniger als ein Drittel lehnen die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ab.

Im Ländervergleich liegt Deutschland (53,3% bedingte und unbedingte Zustimmung) im Mittelfeld der Zustimmungsraten. In Polen und Spanien sind diese mit 67,4% und 61,1% noch höher. Im Vergleich zu den Umfragen der Vorjahre 2021 und 2023 ist die Zustimmung zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung weiter gestiegen.

Schaubild 1: Zustimmung zur Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland

Auch der Generationenvergleich ist über die Länder hinweg sehr aufschlussreich. Dabei zeigt sich: Je jünger desto mehr Zustimmung. So hat die Mitarbeiterkapitalbeteiligung bei der GenZ und den Millennials eine gute Zwei-Drittel-Mehrheit. Bei den Boomern fällt sie auf 32,1% und ist sogar etwas niedriger als bei der Rentnergeneration (34,2%). Verständlich: Je mehr Lebensarbeitszeit jemand noch vor sich hat, desto attraktiver sind für ihn auch Vermögensbildung und Mitarbeiterkapitalbeteiligung.

Schaubild 2: Zustimmung zur Mitarbeiterbeteiligung nach Generationen in den Ländern Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Polen, Spanien

Interessant ist auch der vergleichsweise hohe Prozentsatz der Unentschlossenen. Gerade hier könnte neben finanzieller Aufklärung auch die steuerliche Förderung helfen, sowie auch ein breiteres Angebot durch mehr Firmen.

Zukunftsfinanzierungsgesetz schafft  neue Anreize

Seit Anfang 2024 gibt es das Zukunftsfinanzierungsgesetz. Unter anderem wurde dadurch der steuerliche Freibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen von 1.440 EUR auf 2.000 EUR erhöht. Der Vergleich mit einigen Nachbarländern zeigt, dass dieser Freibetrag noch sehr moderat ausgefallen ist, vor allem wenn man zum Beispiel an die Start-ups oder an die Management-Buy-outs denkt. Hier kommt es immer noch zu steuerlichen Benachteiligungen. Beispiel: Eine Firma wird verkauft. Wird sie an Mitarbeiter zu einem Wert unterhalb des Marktwertes verkauft, wird das als geldwerter Vorteil steuerlich relevant. Wird die Firma an unbeteiligte Dritte veräußert, spielt der Preis keine Rolle. Ein geldwerter Vorteil kann nicht in Betracht kommen. Was aber ist dieser Marktpreis? Viele Unternehmer suchen händeringend Nachfolger und sind froh, wenn sie verkaufen können. Zu verschenken hat niemand etwas.

Der Mittelstand fremdelt noch

Aber auch bei den Unternehmen selbst ist noch Luft nach oben, denn nur 2 bis 3% der Unternehmen bieten Mitarbeiterbeteiligungsprogramme an. Während bei den börsennotierten Unternehmen und den Start-ups Beteiligungsangebote durchaus verbreitet sind, ist es vor allem der Mittelstand, der mit einer Mitarbeiterbeteiligung noch fremdelt. Das liegt nicht zuletzt an Vorbehalten und mangelnder Kenntnis über Möglichkeiten, die Mitarbeiter auch dann zu beteiligen, wenn das Unternehmen keine Aktien ausgeben kann. Dabei wären mit den neuen Regelungen gute Voraussetzungen geschaffen, der Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Immerhin handelt es sich mit 2.000 EUR Freibetrag, die die Mitarbeiter steuer- und abgabenfrei als Vermögensbeteiligungen am Unternehmen pro Jahr erhalten können, um den größten Steuervorteil, den man den Beschäftigten sachungebunden zukommen lassen kann. Sollte der Arbeitgeber den Freibetrag nicht vollständig ausschöpfen, kann der Mitarbeiter zudem selbst entscheiden, ob er mit Teilen seines Gehalts eine Mitarbeiterbeteiligung bis zu 2.000 Euro im Rahmen einer Entgeltumwandlung erwerben will.

Tatsächlich muss man aber fairer halber hinterfragen, wer außerhalb der Start-up- und Kapitalmarktszene überhaupt etwas von den positiven Änderungen für die Mitarbeiterbeteiligung mitbekommen hat. Denn die neuen Regelungen zur Mitarbeiterbeteiligung kamen ein wenig verdeckt daher. Verpackt im sogenannten Zukunftsfinanzierungsgesetz ging es dem Bundeskabinett vor allem darum, den Start-up-Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb um hochqualifizierte Beschäftigte besser zu positionieren. Unter einem von rund 30 Artikeln des Gesetzes finden sich dann die geltenden Regelungen zur Mitarbeiterbeteiligung.

Wünschenswert wäre es, dass die Politik die Mitarbeiterbeteiligung als gesamtgesellschaftliche Thematik positioniert, um der Mitarbeiterbeteiligung mehr Beachtung zu verleihen. Ähnlich wie sie es bei anderen Themen in der Vergangenheit, wie beispielsweise CSR oder Nachhaltigkeit unternommen hat, könnte sie das Thema durch Kampagnen in die Unternehmen tragen. Zum anderen könnten sich aber auch die Gewerkschaften weiter für das Thema öffnen, die sich bisher eher ablehnend oder einem grundsätzlichen „Ja, aber“ dazu positionieren. Aktuell erarbeitet das Wirtschaftsforum der FDP-Bundestagsfraktion einen Vorschlag für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz II, womit u.a. die Aktienkultur gestärkt werden soll. Vielleicht bietet sich hier eine erster Anknüpfungspunkt, die Mitarbeiterbeteiligung thematisch breiter in ihrer gesellschaftspolitischen Relevanz zu verankern.

Stärkung der Mitarbeiterbeteiligung – Stärkung der Demokratie

Dabei ist eine Stärkung der (Mitarbeiter-)Kapitalbeteiligung nicht nur ein Beitrag zur Senkung der Ungleichheit, sondern fördert gleichzeitig die Teilhabe der Menschen an den Früchten unseres Wirtschaftssystems. Sie ergänzt in Form der Kapitalbeteiligung auch das Arbeits- mit dem Kapitaleinkommen. Gerade wenn es zum Verdrängungswettbewerb von menschlicher und humanoider Arbeitskraft kommt, wie es Arbeitsökonom Freeman vorwegnimmt, wird es immer wichtiger, dass wir die Roboter für uns arbeiten lassen – durch Kapitalbeteiligung.

Aber nicht nur das. Wenn der Populismus auf dem Vormarsch ist, die Zustimmung zu demokratischen Institutionen nachlässt, wie es u.a. der Eurobarometer belegt, liefert die Förderung der (Mitarbeiter-)Kapitalbeteiligung wie der Vermögensbildung insgesamt einen wichtigen Baustein zur Stärkung unserer Demokratie. Nicht umsonst sieht Ex-Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier in der Vermögensbildung die „ökonomische Grundlage der Freiheitsentfaltung“, die „gesellschaftlichen Spannungen“ vorbeuge und der „Erhaltung und Stabilisierung der demokratischen Grundordnung“ diene. Aus ökonomischer Perspektive meint Wirtschaftsprofessor Tim Krieger, dass die „demokratischen Institutionen … an Zustimmung und Legitimität“ verlören, wenn „substanzielle Teilgruppen der Gesellschaft das Gefühl haben, dass sie von der bestehenden Ordnung keine Vorteile mehr erwarten können“. Was aber wäre ein direkterer und stärker zu spürender Vorteil, als die Teilhabe an den Früchten der Wirtschaft?

Autorenprofil
Zum 1. Januar 2024 wurde Dirk Lambach per Vorstandsbeschluss zum Geschäftsführer des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung - AGP bestellt.
Dirk Lambach

Dirk Lambach ist Geschäftsführer des Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung – AGP. Der Verband setzt sich für die Verbreitung der Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland ein und bietet Unternehmen eine Plattform für Beratung, Information sowie Erfahrungsaustausch. Mitglieder des gemeinnützigen Vereins sind Unternehmen, die Mitarbeiterbeteiligung praktizieren, sowie Wissenschaftler, Fachexperten und Personalverantwortliche.

Autorenprofil
Dr. Hans-Jörg Naumer

Dr. Hans-Jörg Naumer ist Director Global Capital Markets & Thematic Research Allianz Global Investors, (Co-)Herausgeber der Bücher „CSR & Mitarbeiterbeteiligung“ und „Vermögensbildungspolitik“.

Vorheriger Artikel„Wir wollen sehr breit aufgestellt sein“
Nächster ArtikelWindkanal-Projekt THE AEROW wird restrukturiert