Mehr “Hub and Spoke” für M&A

Wie Transaktionen zukünftig vom Plattformgedanken und von IT-Security-DNA profitieren

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Angesichts aktueller Krisen und der unsicheren weltwirtschaftlichen Lage erstaunt es wenig, dass sich Transaktionsprozesse immer mehr in die Länge ziehen. Investoren legen aus Sicherheitsgründen vermehrt Wert auf umfangreiche und sorgfältige Due Diligence. An dieser Stelle nimmt smarte Digitalisierung den Fuß von der Bremse, erhält das Momentum und erhöht mit effizienten M&A-Prozessen die Transaktionswahrscheinlichkeit.

Am Anfang aller Deals steht die Vertraulichkeitsvereinbarung. Schon hier sparen Beteiligte Zeit, wenn sie auf einen automatisierten Non-Disclosure-Agreement-(NDA-)Prozess zugreifen können. Der Investor steigt im Idealfall ohne Dokumenten-Pingpong in die Gespräche ein und kann dabei selbst bestimmen, wer im Unternehmen das NDA prüft und wer es unterzeichnet. Die Partner übermitteln Änderungswünsche am Dokument online, ohne dass verschiedene Versionen umständlich mit einer Word-Datei hin- und hergeschickt werden.

Das Ende von PDFs und manuellen Prozessen

Generell wirkt es sich positiv auf das Transaktionstempo aus, wenn Investoren alle relevanten Informationen möglichst früh im Prozess zur Verfügung stehen. In den USA ist es mittlerweile üblich, dass verkaufsinteressierte Unternehmen und Beratungen potenziellen Investoren Zugriff zu einem sogenannten Data Cube gewähren. Dabei handelt es sich um ein Datenmodell, das schnelle und intuitive Analysen großer Datenmengen aus verschiedenen Perspektiven ermöglicht. In Europa sind wir leider noch nicht so weit, zumindest nicht im Small-and-Mid-Cap-Bereich bei inhabergeführten Unternehmen. Hier ist es eher der Einzelfall, wenn alle wesentlichen Finanzzahlen und auch darüber hinausgehende relevante KPIs digital und veränderbar im Excel- oder anderen flexiblen Formaten vorliegen.

Doch am amerikanischen Vorgehen führt kein Weg vorbei. Während heute die Präsentation von Unternehmenszahlen meist starr in PDF erfolgt, liegt die Zukunft effizienter Deals in Tools, die Zahlen sortier- und filterbar anzeigen, zum Beispiel in Power BI. Wir brauchen also offene, skalierbare und benutzerfreundliche Plattformen für Self-Service und Business Intelligence; digitale Orte, die Verbindungen zu beliebigen Datenquellen herstellen, diese visualisieren und Grafiken in gängige Anwendungen einfügen. In diesem Idealszenario profitieren Akteure im Transaktionsprozess von kontinuierlicher Aktualisierung der Informationen, also von einem konsistenten Update der Finanzzahlen. Stand heute werden diese relevanten Kennzahlen in der Realität zumeist als PDF übermittelt, was für den Analysten bedeutet, dass er diese aus dem PDF manuell in das Finanzmodell des Investors übertragen muss.

Das Zielprozedere bei M&A sollte hingegen so aussehen, dass Akteure die Zahlen in einem zentralen Datencockpit konsolidieren, welches Investoren ohne Medienbrüche weiternutzen können. Mit einem solchen digitalen Deal-Begleiter nehmen Transaktionen Fahrt auf. Dementsprechend wurde der Dealfloor ganz nah an der Erfahrungshistorie entlang entwickelt. In diesem digitalen Prozesstool stehen also alle relevanten KPIs in einem interaktiven Modell bereit. Abläufe, Dokumente und Inhalte des Deals sind sicher verwahrt und cloudbasiert 24/7 zugänglich – für alle Beteiligten.

Bewegte Detailtiefe als Turbo

Zum Verkauf stehende Unternehmen sind mehr als Finanzzahlen und KPIs – verständlich also, dass sich Investoren im Vorfeld vermehrt ein dezidiertes Bild des Managementteams machen wollen. Daher gehört zu zeitgemäßer M&A-Software auch die Option eines virtuellen Kennenlernens führender Köpfe. Kennenlernen meint hier weit mehr als die Downloadoption der C-Level-Vitae als PDF: Managementpräsentationen in Videoform beispielsweise zeigen Investoren schon vor Abgabe eines ersten unverbindlichen Angebots, also des Non-Binding-Offer (NBO), mit wem sie tiefer in den Prozess einsteigen. Die Angebotsabgabe nach einem virtuellen Kennenlernen hilft dem Verkäufer, sich der Transaktionsabsicht des Interessenten sicher zu sein, und beugt eventuellen Missverständnissen frühzeitig vor. Auch weiterer Content zur Veranschaulichung für alle Seiten, wie eine virtuelle Präsentation des Investors als Bewegtbild, Animationen der Fabrik oder 3D-Grafiken des Produktportfolios, sorgen für Klarheit und können den Deal beschleunigen.

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Der sichere Deal

Für viele Informationswege, zum Beispiel die Abgabe unverbindlicher Angebote, ergibt eine automatisierte Kontrolle durch künstliche Intelligenz (KI) Sinn. Gleiches gilt für die Durchführung der Q&A, der Fragen und Antworten zum Unternehmen, via Bots. Im laufenden M&A-Prozess bietet die Integration virtueller Assistenten oder gar Avatare eine gute Möglichkeit, mit der KI zu interagieren, um einfache Probleme zu lösen und ohne Verzögerung Antworten auf Fragen zu erhalten.

Das Frage-Antwort-Spiel läuft heute weitestgehend so ab, dass je nach Thema und Zuständigkeit immer unterschiedliche Personen auf den E-Mail-Verteilern stehen. Viele Beteiligte werden nur selektiv hinzugezogen. Doch die händische Verteilermethode erweist sich immer wieder als sehr fehleranfällig, da beispielsweise wichtige Personen vergessen werden. Mit diesen Erfahrungen im Rücken bietet der Dealfloor eine Plattform, die als zentraler Kommunikationshub dient. Benefit und Zeitersparnis liegen darin, dass Akteure E-Mail-Pingpong vermeiden.

E-Mails stellen den unsichersten Kommunikationsweg dar, aber dennoch nutzen ihn heute nahezu alle, selbst für sensiblen Informationsaustausch. Dabei haben wir längst bessere und sicherere Optionen: Zentrale Plattformen, wie oben beschrieben, werden sich kurz- bis mittelfristig als Single Point of Truth etablieren, auf dem alle Informationen abrufbereit gespeichert abliegen. Allein deshalb, weil sie auch hinsichtlich IT-Security sowie Data Governance ideale Voraussetzungen für eine sichere Transaktionsumgebung bieten. Leaks durch fehlgeleitete E-Mails sind damit ausgeschlossen, wodurch DSGVO-Konformität gewährleistet ist. M&A-Software, die Security by Design in ihrer Produkt-DNA trägt, unterbindet zum Beispiel Downloads und arbeitet mit Watermark-Funktionen.

Der Markt benötigt also Lösungen, mit denen alle Deal-Akteure für die Abwicklung notwendige Informationen, Fristen und Handlungsmöglichkeiten an einem Ort vorfinden. Der Dealfloor ist so eine „Hub-and-Spoke-Plattform“, also ein Hybrid, der wesentliche Features für M&A aus den Bereichen Business Intelligence, Vertragsmanagement, Digital Signing und angereicherten Content wie Videos oder Audios vereint.

Der Begriff Hub and Spoke findet gleichermaßen in der IT und in der Logistik Verwendung. Logistisch gelesen beschreibt er die Organisation des Güterversands über einen zentralen Logistikknoten. Auch für Digitalisierungsanforderungen an M&A-Prozesse ergibt er hier Sinn und schlägt die Brücke zum atares-Schwerpunkt Supply Chain Tech, also Logistiksoftware.

Ein derart moderner Hub, der über Schnittstellen offen ist für die Integration von Drittanbietern, reduziert Verzögerungen, die sich sonst durch Medienbrüche im Prozess zwangsläufig ergeben. Wenn sich alle Informationen auf einer Plattform befinden, entfällt das lästige Springen von Tool zu Tool, das oft Informationsverluste mit sich bringt. Wichtig dabei: Je übersichtlicher und kompakter die Benutzeroberfläche ist, desto höher ist die Transparenz und der Nutzen für Nicht-M&A-Experten, die den Prozess einsehen möchten.

M&A braucht Tech

M&A ohne Tech Support ist schon für die nahe Zukunft undenkbar. Investoren werden verstärkt einfordern, dass sie von Teaser und NDA-Verhandlung über interaktive Informationseinsicht im Showroom bis hin zu Due Diligence und Vertragsverhandlungen alle Schritte des Deals an einem zentralen Ort vollziehen können. Auf der anderen Verhandlungsseite profitieren Unternehmen und Beratende davon, die Aktivitäten der Investoren in der Ansprachephase zu beobachten und hieraus Schlüsse für die Investorenauswahl zu ziehen. Zentrale Hub-and-Spoke-Lösungen stellen einen Meilenstein in Richtung Digitalisierung des M&A-Prozesses dar. Spannend wird, welche KI-Features in den nächsten Monaten auf den Markt kommen, die in den Dealfloor integriert werden können, um den Prozess weiter zu unterstützen.

👉 Dieser Beitrag ist in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 2/2024 mit den Schwerpunkten Unternehmensfinanzierung, Digitalisierung und Krisenbewältigung erschienen. Zum Beitrag geht es hier.

Autorenprofil
Florian Liepert

Florian Liepert, Partner bei atares, ist ein Experte in der Begleitung von komplexen M&A-Transaktionen im Techumfeld, mit Fokus auf Software, Supply Chain Tech und IT-Services. Als Verantwortlicher für den internen Tech Stack von atares koordiniert er maßgeblich die Entwicklung des Dealfloors.

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