Im Februar 2020 übernahm die japanische Komori Corporation die mittelständische MBO-Gruppe. Die Wintergerst Societät für Unternehmer-Beratung begleitete die Transaktion und unterstützte anschließend die Post-Merger-Integration. Ein Fazit nach einem Jahr. VON EVA RATHGEBER
2020 war ein herausforderndes Jahr – geprägt von der Coronapandemie. Für die MBO-Gruppe war das Jahr noch in anderer Hinsicht außergewöhnlich: Der deutsche mittelständische Maschinenbauer mit Hauptsitz in Oppenweiler nahe Stuttgart wurde an die Komori Corporation verkauft und ist seitdem Teil des japanischen Konzerns. Die Übernahme betraf alle 450 Mitarbeiter, die internationalen Vertriebsgesellschaften sowie die drei Fertigungsstandorte in Oppenweiler, Bielefeld und Porto in Portugal. Die Eigentümerfamilie unterzeichnete den Kaufvertrag mit Komori Anfang Februar – zeitgleich mit dem Aufkommen der Pandemie in Deutschland. Trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten wurde die Transaktion fahrplanmäßig umgesetzt und zum 1. Mai 2020 vollzogen. Die MBO-Gruppe ist seitdem unter dem neuen Firmennamen MBO Postpress Solutions GmbH (MBO PPS) eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Komori Corporation.
„Wir haben mit der technologie- und zukunftsorientierten Komori-Gruppe eine sehr starke Muttergesellschaft gewonnen, die ihre Strategie langfristig ausrichtet. Das schafft für unsere Mitarbeiter und Geschäftspartner die hohe Verlässlichkeit, dass die etablierten Marken MBO und Herzog+Heymann fortbestehen und sich neue Wachstumschancen in einem unserem dynamischen Marktumfeld eröffnen“, ist Thomas Heininger, CEO der MBO-Gruppe, überzeugt.
Produktportfolios ergänzen einander perfekt
Der japanische Konzern, der an der Tokioter Börse gelistet ist und 2019 einen Umsatz von umgerechnet rund 750 Mio. EUR erzielte, ist für hochwertige Offsetdruckmaschinen und Weiterverarbeitungsaggregate bekannt. Die MBO-Gruppe entwickelt, produziert und vertreibt weltweit Maschinen und Automatisierungslösungen für die Weiterverarbeitung von Digital- und Offsetdruck sowie unter der Marke Herzog+Heymann für Mailing-, Pharma- und Sonderanwendungen. Die Portfolios der beiden Unternehmen ergänzen einander perfekt.
„Komori konzentriert sich im Rahmen seiner Geschäftsstrategie Print Engineering Service Provider darauf, Produktlinien für Peripheriegeräte zu entwickeln, und positioniert sich durch die Akquisition strategisch im Post-Press-Bereich. Die Ausweitung des Vertriebs mit den präzisen MBO-Weiterverarbeitungsmaschinen lässt signifikante Synergieeffekte erwarten. Außerdem können beide Unternehmen durch die Bündelung ihres Know-hows in den Bereichen Vernetzung und Internet der Dinge digitale Prozesslösungen für den gesamten Druckprozess deutlich voranbringen“, erklärt Yasuhiro Chiba, langjähriger Mitarbeiter von Komori sowie neuer CFO und Geschäftsführer bei MBO PPS.
In kürzester Zeit erfolgreicher Post-Merger
Um die identifizierten Synergien tatsächlich zu realisieren und MBO erfolgreich in den japanischen Konzern zu integrieren, setzte Wintergerst frühzeitig ein systematisches Post-Merger-Projekt auf. Neben operativen Themen begleiteten die Berater vor allem den Finanzbereich und definierten beziehungsweise forcierten Restrukturierungsmaßnahmen. Sie unterstützten bei der Konzeption einer neuen Gruppenstruktur unter Berücksichtigung aller Auslandsgesellschaften und strukturierten das Reporting gemäß den Konzernanforderungen von Komori um.
„Bereits bei der Begleitung des Verkaufs waren wir überzeugt, dass die beiden Unternehmen gut zueinander passen würden. Dies bestätigte sich in den darauffolgenden Monaten, als wir sie beim Zusammenwachsen unterstützen durften. Die Mitarbeiter beider Unternehmen erkennen die Synergien, die sich durch den Merger ergeben, und haben sich mit großem Einsatz in den Prozess eingebracht“, berichtet Volker Wintergerst, Inhaber der gleichnamigen Beratungsfirma. „Nach einem Jahr ist der Integrationsprozess weitgehend abgeschlossen – und das trotz Pandemie mit all ihren Auswirkungen auf die betrieblichen Abläufe.“
Mit gebündelter Kraft Zukunftsthemen bearbeiten
Durch den Zusammenschluss mit Komori erweitert MBO nicht nur sein internationales Vertriebsnetz, sondern hat auch eine starke Mutter gewonnen, die vor allem in Asien vertriebstechnisch hervorragend aufgestellt ist und dort für MBO neue Märkte erschließen kann. Gemeinsam werden Komori und MBO PPS die Themen Robotics und Automatisierung für die Druckbranche vorantreiben. Das umfasst zum Beispiel einen Absetzroboter, den MBO erst 2019 entwickelt hat und der sich bereits starker Nachfrage erfreut. Das „Connected-Automation-Konzept“ von Komori und MBO soll dazu beitragen, die Automatisierung im gesamten Druck- und Weiterverarbeitungsprozess zu steigern und somit produktiver zu machen. Komoris Internet-of-Things-(IoT-)Lösungen sind bereits in die Produkte von MBO integriert und beschleunigen Datenanalyse wie auch Auftragsplanung im Post-Press-Bereich. Komori und MBO PPS können so die gesamte Prozesskette vom Druck zur Weiterverarbeitung bis hin zu IoT-basierten Cloudlösungen weltweit vermarkten und für eine erfolgreiche Zukunft mit vereinten Kräften an den Themen arbeiten.
„Da prallen Welten aufeinander“
Interview mit Christian Kunz, Chief Restruction Officer (CRO), Wintergerst
Unternehmeredition: Herr Kunz, wie ist es Ihnen gelungen, den Deal trotz Pandemie fahrplanmäßig zum Abschluss zu bringen?
Christian Kunz: Die Rahmenbedingungen waren tatsächlich schwierig. Wichtige Weichenstellungen fielen in die Zeit des ersten Lockdowns. Keine Seite konnte reisen, alle Gespräche fanden per Videokonferenz statt. Dass die Transaktion trotzdem
so gut abgewickelt werden konnte, ist darauf zurückzuführen, dass beide Seiten den starken Willen hatten und sich sehr bemüht haben, den Deal abzuschließen.
Unternehmeredition: Worin lagen die besonderen Herausforderungen bei diesem Merger?
Kunz: Ein börsengelisteter japanischer Konzern wurde mit einem deutschen Mittelständler verheiratet. Da prallen natürlich Welten aufeinander! Herausfordernd war vor allem die Integration unter organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten: unterschiedliche Systeme im Rechnungswesen, im Reporting und in anderen Prozessen, unterschiedliche Unternehmensstrukturen, unterschiedliche Firmenkulturen und die Kommunikationssprache Englisch. Dazu kommen dann noch alle erforderlichen Restrukturierungsmaßnahmen, um den Auswirkungen der Coronapandemie zu begegnen.
Unternehmeredition: Wie konnten Sie als Beraterteam den Prozess unterstützen?
Kunz: Das Team von Wintergerst leistete Hilfe bei der Erstellung der Eröffnungsbilanzen, begleitete die Ermittlung der Kaufpreisallokation und setzte die Konsolidierungs- und Planungssoftware bei MBO neu auf. Darüber hinaus kümmerten wir uns um das Liquiditätsmanagement, bereiteten die Umstellung des Geschäftsjahres sowie die Einführung der Bilanzierungsrichtlinien des Komori-Konzerns und eine neue Reportingstruktur vor. Zusätzlich zu den Finanzthemen waren die Berater von Wintergerst wichtiger Sparringspartner für die Geschäftsführung bei verschiedenen strategischen und vertrieblichen Weichenstellungen.
Kurzprofile
Komori Corporation
Gründungsjahr: 1923
Branche: Druck- und Papiertechnik
Unternehmenssitz: Tokio, Japan
Umsatz 2019: 750 Mio. EUR
Mitarbeiterzahl: 2.200
www.komori.com
Informationen zu den aktuellen Aktienkursen finden Sie hier.
MBO-Gruppe
MBO-Gruppe
Gründungsjahr: 1965
Branche: Druck- und Papiertechnik
Unternehmenssitz: Oppenweiler, Deutschland
Umsatz 2019: 52 Mio. EUR
Mitarbeiterzahl: 450
www.mbo-pps.com
Diese Fallstudie ist in der Unternehmeredition 1/2021 erschienen.
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.