Marktwertermittlung durch anonymes Bieterverfahren

Neuartige Möglichkeiten marktorientierter Bewertung durch digitale Simulation

Erwägen Unternehmer, ihre Unternehmensnachfolge zu regeln, kann die Marktwertermittlung via anonymes Bieterverfahren dabei unterstützen.
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Erwägen Unternehmer, ihre Unternehmensnachfolge zu regeln oder aus anderen Gründen Anteile an ihrem Unternehmen zu veräußern, stellt sich ihnen zuallererst die Frage, wo der aktuelle Marktwert ihres Betriebs liegt. Das anonyme Bieterverfahren und ein neu entwickelter Unternehmenswertrechner können Abhilfe schaffen.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass ein objektiv messbarer theoretischer Unternehmenswert schlichtweg nicht existiert. Im Rahmen von Unternehmensverkäufen und externen Nachfolgeregelungen zeigt sich dieses Problem eindrucksvoll, denn wie soll das korrekte „Preisschild“ für ein zum Verkauf stehendes Unternehmen gefunden werden? Unseriöse Berater und Makler drängen ihre Mandanten darauf, eine theoretische Bewertung – oft zu hohen Summen – durchführen zu lassen, um einen Kaufpreis zu ermitteln und potenziellen Käufern als Verhandlungsbasis zu nennen. Doch was sind deren Anreize? Suchen sie den schnellen Deal und wollen einen sehr niedrigen Preis ansetzen, bleibt für den Verkäufer viel Potenzial auf der Strecke. Wollen sie den Kaufpreis maximieren und einen hohen Anker setzen, werden viele Interessenten unmittelbar absagen und gar nicht erst in Verhandlungen einsteigen.

Der Königsweg, der dieses Dilemma auflöst und die maximale Zahlungsbereitschaft des Käufermarkts abfragt, ist das Bieterverfahren – optimalerweise anonym durchgeführt. Ziel ist es, mit echten Kaufinteressenten einen Bieterprozess durchzuführen und dadurch zu ermitteln, was der tatsächliche aktuell am Markt erzielbare Unternehmenswert ist. Natürlich wäre eine breite Ansprache einer Vielzahl potenzieller Käufer sowie die Überlassung bewertungsrelevanter Informationen höchst riskant für das Unternehmen, doch da kommt die Anonymität ins Spiel. Dass es möglich ist, den Wert kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) auf anonymer Basis vom Markt abzufragen, wurde in der Praxis der vergangenen zehn Jahre hunderte Male bewiesen. Die dabei eingegangenen Angebote wurden über die Jahre hinweg digitalisiert und analysiert. Auf dieser Basis gelang es nun, einen digitalen Unternehmenswertrechner zu programmieren, der einen Wert liefert, der nahe am tatsächlichen Marktwert ist.

Multiplikatorverfahren zur Bewertung von KMU

Zuvor ist es jedoch wichtig, zu erläutern, wie Bieter Unternehmen in der Regel bewerten. Bei Unternehmensverkäufen kleiner und mittelständischer Unternehmen hat sich das Multiplikatorverfahren zur Unternehmensbewertung in der Praxis durchgesetzt. Es ist ein simples Verfahren, das den Ertrag – in der Regel das Betriebsergebnis vor Steuern und Zinsen (EBIT) – mit einem Faktor (dem Multiplikator) multipliziert. Dabei ist einerseits das bewertungsrelevante EBIT zu ermitteln. Oft werden hierfür (gewichtete) Mehrjahresdurchschnitte gebildet – allein die gewählte Zeitspanne und die Gewichtung können jedoch bereits zu signifikanten Unterschieden führen. Außerdem wird das in den Jahresabschlüssen ausgewiesene EBIT in der Regel noch „bereinigt“, um etwaige Einmaleffekte sowie – bei inhabergeführten Unternehmen oft üblich – etwaige privat motivierte Aufwendungen, GF-Vergütungen et cetera auf eine fremdübliche Basis zu bringen.

Den zweiten Faktor der Gleichung – den Multiplikator –, den ein Bieter im Verkaufsprozess aufzurufen bereit ist, beeinflusst neben der Branche und der Tätigkeit des Unternehmens als Hauptkriterien eine Vielzahl weiterer unternehmensindividueller Parameter. Dazu gehören zum Beispiel jegliche Abhängigkeiten von Kunden, Lieferanten oder Inhabern, Mitarbeiterstruktur und -alter, aber auch zunehmend Themen wie Nachhaltigkeit und Unternehmenskultur. Ein Unternehmen in gefragten Branchen wie IT oder Medizintechnik kann, wenn es maßgeblich von einem Kunden abhängt, mitunter weniger wert sein als beispielsweise ein Metallbaubetrieb, der hingegen hoch digitalisiert ist und langjährige Verträge mit Abnehmern aus Zukunftsbranchen hat. Die auf diversen Plattformen zu findenden Branchenmultiplikatoren sind daher häufig viel zu pauschal, wenn es darum geht, das eigene Unternehmen zu bewerten.

Digital simuliertes Bieterverfahren

Wie zuvor erwähnt ist ein grundlegendes Problem bei der Bewertung von KMU die Findung des anzuwendenden Multiplikators. Teilweise wird versucht, diese über den Vergleich mit ähnlichen börsennotierten Unternehmen herzuleiten, deren Kurs-Gewinn-Verhältnis öffentlich einsehbar ist – für die meisten kleineren Unternehmen „hinken“ solche Vergleiche jedoch sehr. Es gibt zwar diverse Anbieter und Plattformen, die regelmäßig sogenannte Branchenmultiplikatoren veröffentlichen, doch auch diese beziehen ihre Daten lediglich aus Schätzungen ausgewählter Beratungshäuser. Um eine wirklich relevante Vergleichsgruppe bilden zu können, benötigt man Zugriff auf zahlreiche originäre Angebotsdaten. Eine solche öffentliche Datenbank gibt es nicht. Wie also sollen diverse Unternehmenswertrechner, die man heutzutage im Netz findet, an relevante Daten gelangen? Die Lösung ist, die Erfahrungen unzähliger durchgeführter anonymer Bieterverfahren und noch viel mehr erhaltener Angebote in ein ganzheitliches Modell zu gießen, das die tatsächliche Bewertungspraxis digital abbildet und öffentlich zur Verfügung stellt.

Dabei werden die zuvor genannten unternehmensspezifischen Faktoren wie Kunden- oder Inhaberabhängigkeiten sowie alle anderen regelmäßig auftretenden Parameter analysiert. Dies ermöglicht es nun, am echten Markt zu erwartende Angebote für KMU jeder gängigen Branche mit einer hinreichenden Genauigkeit digital zu simulieren. Das Modell wird dabei stets an die Angebote aus laufenden Mandaten angepasst und bezüglich neuer Markttrends up to date gehalten.

Bei dem daraus abgeleiteten Unternehmenswertrechner handelt es sich also keineswegs um eine subjektive Beratereinschätzung im engeren Sinne, sondern um die auf einem objektiven Modell beruhende Simulation des aktuellen Marktwerts eines Unternehmens – mit seinen individuellen Eigenheiten. Dabei wird beispielsweise auch der Verschuldungsgrad einer Gesellschaft beachtet. Nicht selten finden sich zudem Fälle, in denen eine Betriebsimmobilie mit zur Disposition steht und den Kaufpreis maßgeblich verändern kann. Auch hier bildet der Unternehmenswertrechner mehrere Varianten ab und errechnet somit den tatsächlich realisierbaren Gesamtkaufpreis.

Mit dieser Simulation kann der finale Kaufpreis, den der beste Interessent schlussendlich bieten wird, nicht exakt vorausgesagt werden – aber es kann der Wert ermittelt werden, der mit der höchsten Wahrscheinlichkeit als finales Angebot auf dem Tisch liegen wird.

FAZIT

Durch die Kombination täglicher Transaktionserfahrung mit einem neuen Unternehmenswertrechner kann es gelingen, den potenziellen Kaufpreis für ein Unternehmen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit sehr effizient vorauszusagen. Die Frage, welcher Käufer diesen dann tatsächlich aufruft, lässt sich weiterhin nur durch ein echtes anonymes Bieterverfahren beantworten. Ob zum gewählten Zeitpunkt tatsächlich Interesse besteht und ein Zukauf aktuell in das Konzept eines Investors passt, entscheidet manchmal schlichtweg auch der Zufall. Insofern bietet die Kombination aus beidem – Unternehmenswertrechner und anonymem Bieterverfahren – einen idealen Start in eine geordnete und erfolgreiche Nachfolgeregelung.


Dieser Beitrag ist in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 1/2024 mit Schwerpunkt “Unternehmensnachfolge” erschienen.

Autorenprofil
Benedikt Pohlner

Benedikt Pohlner ist Partner bei Nachfolgekontor und sonntag corporate finance. Nach dem Studium der Wirtschaftsmathematik an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) nahm er 2015 seine Arbeit für Sonntag Corporate Finance GmbH und die im Jahr zuvor als Teil der Firmengruppe gegründeten Nachfolgekontor GmbH auf. Parallel dazu absolvierte er einen MBA Business Consulting an der Hochschule in Wismar. Seit 2018 ist Pohlner Prokurist und Mitgesellschafter, 2021 wurde er in Folge eines Management-Buy-outs Partner der gesamten Gruppe.

Autorenprofil
Sebastian Wissig

Sebastian Wissig ist ebenfalls Partner bei Nachfolgekontor und sonntag corporate finance. Er schloss sein Studium an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg mit einem Bachelor of Science in Economics ab. Anschließend war er für mehrere Monate im Inhouse Consulting der Commerzbank AG tätig, bevor er ein Aufbaustudium an der Justus-Liebig-Universität Gießen zum Master of Science in Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkten in Strategy & Finance abschloss. Seit 2016 arbeitet er bei Nachfolgekontor und sonntag corporate finance, 2021 wurde er in Folge eines Management-Buy-outs Partner.

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