Der Schreibgerätehersteller Lamy hat sich unter seinem ersten familienfremden Geschäftsführer Bernhard Rösner in den vergangenen Jahren zu einer internationalen Lifestyle-Marke gemausert. Der Erfolgskurs wirkt in der heutigen Zeit paradox.
Die Markenpräsentation im Fachgeschäft ist, seit Rösner da ist, der entscheidende Vertriebskanal. Deshalb hat Lamy die Verkaufsflächen, ob in Kaufhausketten oder eigenen Läden, auf fast 600 weltweit erhöht und entsprechend ausstaffiert: „Architektur ist Kommunikation – wir kommunizieren sehr stark über die Ladenarchitektur“, betont Rösner.
Das ist auch im Flagship-Store in der Heidelberger Innenstadt zu sehen, der Februar vergangenen Jahres eröffnet hat. Ein weißes Interieur, griechische Säulen und zurückgenommene Gitarrenmelodien vermitteln eine gediegene Atmosphäre. Modelle des Segments Premium Writing werden in Vitrinen präsentiert, auf der gegenüberliegenden Wand liegen die preiswerteren Modelle in größeren Bündeln zusammen. Vor allem asiatische Touristen machen hier halt. Der Claim von Lamy – Design. Made in Germany – zieht in den vergangenen Jahren vor allem in China immer stärker. Entsprechend setzt Lamy verstärkt auf eine Präsenz vor Ort.
Trends sind kein Erfolgsfaktor
Die Rückbesinnung auf klassische Vertriebswege und den Markenkern soll auch in den nächsten Jahren wegweisend bleiben. „Wir haben keinen Grund, die Strategie zu ändern – sie funktioniert“, sagt Rösner selbstbewusst. Dazu passt ein Misserfolg aus jüngerer Zeit. Mit dem Modell Screen brachte Lamy einen Hybrid aus Kugelschreiber und Tableteingabestift auf den Markt. Der Versuch, die analoge mit der digitalen Schreibtechnik zu verbinden, misslang. Andere Trends wie die kundenindividuelle Gestaltung von Produkten wird Lamy erst gar nicht bedienen. Der Fokus liegt nicht auf einem hippen Image, sondern auf der Reputation der Marke: Wir sind bekannt dafür, eine Haltung zu haben“, unterstreicht Rösner.
Viele Hersteller dehnen ihre Marke immer weiter, experimentieren mit neuen Produkten oder setzen alles auf die Karte Digitalisierung. Lamy fokussiert sich auf sein Image als Premiumanbieter unterhalb des Luxussegments. Das Angebot soll auf das Wesentliche reduziert sein. Die Fertigungstiefe und die Treue zum Standort Deutschland bilden die Unternehmenskultur ab. Im Jubiläumsbuch steht dazu: „Die C. Josef Lamy GmbH macht vieles konsequent anders als andere.“ Das klingt gradlinig, fast schon stoisch. Der Mittelständler setzt jedenfalls in digitalen Zeiten voll auf analoge Schreibgeräte.
Zur Person
Der Diplom-Volkswirt Bernhard M. Rösner übernahm 2006 als erster familienfremder Manager den Posten des Alleingeschäftsführers bei der C. Josef Lamy GmbH. Seit Ende des vergangenen Jahres wird auch der Beirat von Externen geführt, nachdem Dr. Manfred Lamy den Vorsitz abgegeben hat. Rösner sorgte beim Traditionsunternehmen für eine strategische Neuausrichtung in die Segmente Young Writing, Modern Writing und Premium Writing und forcierte das Auslandsgeschäft. Lamy konnte in den vergangenen Jahren immer mehr Schreibgeräte verkaufen, im Jahr 2016 waren es mehr als acht Millionen weltweit. Der Umsatz betrug dabei über 110 Mio. Euro.
Als Redakteur bei der Unternehmeredition leitet Volker Haaß die Online-Aktivitäten sowie die Sonderpublikationen der Plattform. Dazu gehört unter anderem die FuS – Zeitschrift für Familienunternehmen und Strategie.