“Man muss seinen eigenen Weg gehen”

Interview mit Bettina Zimmermann, deutsche Schauspielerin und Synchronsprecherin

Bettina Zimmermann ist seit Jahren eine feste Größe in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft. . Im Gespräch erzählt sie von ihrem Weg.
© Nela König

Bettina Zimmermann ist seit Jahren eine feste Größe in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft. Neben vielseitigen Rollen setzt sie sich kritisch mit den Entwicklungen in der Branche auseinander. Im Gespräch erzählt sie von ihrem Weg zur Schauspielerei, aktuellen Herausforderungen und kommenden Projekten.

Unternehmeredition: Frau Zimmermann, Sie sind seit vielen Jahren in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft fest etabliert. Was hat Sie ursprünglich zur Schauspielerei gebracht, und was waren Ihre ersten Schritte in der Branche?

Bettina Zimmermann: Von klein auf, schon in der Grundschule, hatte ich sehr viel Freude daran, in kleinen Aufführungen der Schule mitzuwirken. Dabei ging es mir gar nicht um den Applaus am Ende oder das „Gesehenwerden“, sondern um die Erarbeitung einer Figur; sie mit Leben zu füllen. Nach dem Abitur war die Freude am Spielen immer noch ungebrochen, aber in Zeiten ohne Internet und Co. dachte ich, dass man nicht einfach die Schauspielerei als Berufswunsch äußern kann, sondern dass man aus einer Schauspielerfamilie kommen muss. Nach dem Abitur erlaubten meine Eltern mir ein Jahr „Auszeit“, um herauszufinden, was ich machen möchte. Allerdings musste ich mir das Jahr selbst finanzieren. Also jobbte ich in einem Elektroladen, trug Zeitungen aus und modelte. Dadurch traf ich auf Ingeborg Molitoris, eine Casterin und meine damalige Mentorin, die mich ermutigte, meinen eigenen Weg zu gehen und eine Schauspielausbildung zu machen. Sie öffnete mir die Augen, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf machen kann. Ich bin ihr bis heute unendlich dankbar, weil mich das in vielen Dingen geprägt hat, eigene Wege zu gehen.

Sie haben in einer Vielzahl von Genres, vom Drama bis zur Komödie, eine beeindruckende Bandbreite an Rollen gespielt. Gibt es eine Rolle oder ein Genre, das Ihnen besonders am Herzen liegt, oder eine, die Sie gerne noch spielen würden?

Natürlich ist es großartig, wenn man historische oder Science-Fiction-Filme dreht und in eine andere Zeit eintauchen darf. Es ist spannend, diese Figuren zu entwickeln und sie zu verkörpern. Allerdings finde ich auch die vermeintlich unspektakuläreren Figuren des Alltags sehr spannend, denn das „Normale“ darzustellen, ist oft anspruchsvoller, als das offensichtlich Andersartige zu verkörpern.

Gibt es Kriterien, nach denen Sie Ihre Projekte aussuchen, besonders im Hinblick auf Ihre Verantwortung als öffentliche Person?

In erster Linie muss die Rolle, die ich spielen soll, in mir etwas auslösen. Das kann eine vermeintlich einfache Person sein, die aber dennoch berührt, da sie auf den zweiten Blick viel Tiefe mit sich bringt, eine Vielschichtigkeit, die zu spielen Freude macht. Eine Rolle, die in der Öffentlichkeit vielleicht als Monster oder widerliche Person gesehen wird, ist schauspielerisch natürlich eine große, spannende Herausforderung, die man künstlerisch gerne annimmt. Als Privatperson stelle ich mir manchmal schon die Frage, ob ich das mit mir persönlich vereinbaren kann. Letzten Endes bin ich aber eine Schauspielerin, die eine Rolle spielt, die nichts mit meiner privaten Person zu tun hat. Das muss man klar trennen. Wenn es sich um eine kontroverse, problematische Rolle handelt, kann es durchaus interessant sein, dadurch die Aufmerksamkeit auf ein Thema lenken zu können, das vielleicht in der Gesellschaft zu wenig wahrgenommen wird. Dann entsteht einen Mehrwert, auch wenn es mich „privat“ mental an meine Grenzen bringt.

Die Filmindustrie hat sich in den letzten Jahren durch Streamingdienste und KI stark verändert. Wie erleben Sie diesen Wandel – und wie hat er Ihre Arbeit beeinflusst?

Ich bin da zwiegespalten. Es gibt zwar ein größeres Angebot, das mich als Zuschauerin manchmal überfordert, da in meinen Augen auch viel Trash TV produziert wird, was ich in Bezug auf Bildung und den Umgang miteinander in der Gesellschaft schwierig finde. Es wird dabei zugesehen, wie es Leuten schlecht geht, wie sich Menschen anlügen, betrügen oder gegenseitig live diffamieren. Da bin ich doch sehr verwundert, dass derartige Unterhaltung so viel Aufmerksamkeit bekommt.

Ich frage mich schon, wie sich das in Zukunft auf den gesellschaftlichen Umgang miteinander auswirken wird, wenn sich immer mehr Zuschauer durch derartige Programme berieseln lassen. Schon jetzt ist eine gewisse Verrohung im Umgang miteinander zu spüren. Ein Austausch der Generationen, das Miteinander findet nicht mehr statt. Heute fragen die jungen Leute zum Beispiel nicht mehr die Älteren um Rat, sondern das Internet. Die Lebenserfahrung älterer Generationen ist anscheinend nichts mehr wert. Ich finde das sehr beängstigend, vor allem in Zeiten von KI, wenn die Wahrheit immer leichter zu manipulieren ist. Den Austausch mit realen Personen, generationsübergreifende Gespräche untereinander zu führen, das halte ich für sehr wichtig.

Ich sehe mit großer Angst das Auseinanderdriften der Generationen und die Spaltung der Gesellschaft. Beruflich eröffnete sich durch die Streamingdienste eine neue Chance, eine größere Vielfalt von Serien und Filmen zu drehen. Auch gaben die neuen Abspielplattformen kleinen Produktionen die Möglichkeit, ohne Sender oder großes Budget gesehen zu werden. Mittlerweile ist aber eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Es wird zwar viel gedreht, aber zu Dumpingpreisen. Gagen werden halbiert, es gibt immer weniger Drehtage und die Akteure werden immer jünger. Gefühlt müssen die Figuren schon mit 30 einen akademischen Beruf ausüben, zwei Kinder und 15 Jahre Berufserfahrung haben. Ab 40 wird es für Frauenrollen sehr eng und der „alte weiße Mann“ steht auf einmal nicht mehr für jemanden, der eine gewisse Erfahrung aufgrund seines Alters mitbringt, sondern wird zur Persona non grata. Eine ganze Generation wird immer mehr ausradiert, die aber tatsächlich die größte „Bevölkerungsgruppe“ in Deutschland ausmacht.

Viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen betonen die finanziellen Herausforderungen und die Unsicherheiten in der Schauspielbranche. Wie gehen Sie persönlich mit diesen Aspekten um?

Von älteren Kollegen und Kolleginnen weiß ich, dass die Rente der meisten Künstler in der Regel kaum zum Leben reicht. Man sollte auf jeden Fall versuchen, privat vorzusorgen und etwas beiseitezulegen. Das können aber die wenigsten in unserer Branche. Circa 65% der Schauspielenden können während des Berufslebens schon kaum von ihrer Gage leben und müssen nebenbei anderen Tätigkeiten nachgehen, um den Alltag finanzieren zu können. Und die Aussichten sind generell, wie in vielen Branchen, nicht rosig; einmal abgesehen von den ganzen Kürzungen im Kulturbereich und den massiven Einsparungen bei den Sendern. 2023 und 2024 war laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit die Beschäftigungsquote der Schauspielenden die schlechteste der letzten 15 Jahre, und die Tendenz ist weiter sinkend. Durch die Kürzungen der Förderungen wandern auch immer mehr Produktionen ins Ausland, da dort die Bedingungen wesentlich besser sind. Die Beschäftigungsquote wird daher tendenziell noch weiter sinken. Als ich die Schauspielerei zu meinem Beruf machte, haben meine Eltern sehr darauf gedrängt, dass ich schon frühzeitig ans Alter denke und immer etwas beiseitelege. Am Anfang dachte ich noch: „Hey, lasst mich doch erst einmal anfangen, zu leben – warum jetzt schon ans Alter denken?!“ Mittlerweile bin ich Ihnen sehr dankbar.

Sie haben sich in der Vergangenheit auch für wohltätige Zwecke engagiert. Gibt es aktuelle Projekte oder Themen, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

Seit einigen Jahren unterstütze ich das Aegidius-Haus auf der Bult in Hannover. Es ist eine Anlaufstelle für Eltern mit geistig und körperlich beeinträchtigten Kindern. Die Eltern kümmern sich 24/7 um ihre Kinder. Das Familienleben ist komplett auf die Pflege des Kindes ausgerichtet. Das bringt sie oft an den Rand ihrer Kräfte. Die eigenen Bedürfnisse und die der eventuell vorhandenen Geschwister werden immer hintenangestellt. Das Aegidius-Haus bietet diesen Familien die Möglichkeit, mal eine Auszeit zu nehmen und die Kinder hier für eine gewisse Zeit gut betreut zu wissen. Die Familien können in dieser Zeit Kraft tanken, zum Beispiel in den Urlaub fahren und durchatmen. Das Haus ist auf Spenden angewiesen, da die Unterstützung der Stadt nicht ausreicht und immer mehr gekürzt wird.

Sie sind Mutter und führen ein aktives Berufsleben. Wie schaffen Sie es, diese beiden Welten zu verbinden und eine Balance zwischen Beruf und Familie zu finden?

Wie bei jeder berufstätigen Person mit Kindern geht alles über Organisation und Struktur. In meinem Beruf arbeite ich nicht von „Nine to Five“, sondern immer projektbezogen. Es kann sein, dass ich wie in diesem Jahr ein Projekt in einer anderen Stadt drehe und dann für ein paar Wochen nur am Wochenende zu Hause bin. Da mein Mann auch Schauspieler ist, sind wir beide es gewohnt, auch mal allein mit den Kindern zu sein, und unterstützen uns gegenseitig. Wichtig ist die Kommunikation mit den Kindern. Es ist wichtig, dass man dennoch für sie erreichbar ist, täglich im Kontakt mit ihnen ist und auch weiterhin über den Alltag zu Hause Bescheid weiß. Es gibt aber auch Phasen, in denen ich lange zu Hause bin. Das ist dann die ausgleichende intensive Familienzeit.

Wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere zurückblicken: Gibt es besondere Momente, die Sie inspiriert haben oder die Sie heute noch bewegen?
Ich bin sehr dankbar für die Projekte, die ich bislang drehen durfte, auch für die Zusammenarbeit mit vielen tollen Kolleginnen und Kollegen. In unserem Beruf hat man das Glück, manchmal an Orte zu kommen, die man sonst nicht sehen oder betreten dürfte. Einmal haben wir auf dem Brandenburger Tor gedreht. Nur meine damaligen zwei Kollegen, der Set-Aufnahmeleiter und ich durften durch die Luke an der Rückseite der Quadriga aufs Tor steigen. Der Kameramann und der Regisseur wurden mit einer Art Hebebühne parallel neben uns zum Tor auf dieselbe Höhe gebracht. Eine der Wenigen zu sein, die oben auf dem Brandenburger Tor sein durften, war schon Wahnsinn. Vor allem hat mich der große Raum unterhalb der Quadriga sehr beeindruckt. Bis heute frage ich mich, welche Geheimtreffen wohl schon an diesem Ort stattgefunden haben.

Gibt es große Ziele oder Projekte, die Sie sich als Nächstes vorgenommen haben? Wo sehen Sie sich selbst in den nächsten fünf bis zehn Jahren?

Nächstes Jahr läuft ab dem 30. Januar der Kinofilm Gotteskinder“, in dem ich mitspiele, und ich habe mit meinem Mann nach „Der Lack ist ab“ die gemeinsame Serie “Bei aller Liebe” gedreht, die ab dem 22. Dezember wöchentlich auf Youtube läuft. In fünf Jahren bin ich 54 – ein gutes Alter für spannende, vielschichtige Rollen.

Wir danken Ihnen für das spannende Gespräch!  

Das Interview führte Eva Rathgeber.

👉 Das Interview erscheint auch in der nächsten Magazinausgabe der Unternehmeredition 4/2024.


KURZPROFIL

Bettina Zimmermann

Geboren: am 31. März 1975 in Burgwedel

Familienstand: verheiratet, zwei Kinder

Beruf: Schauspielerin und Synchronsprecherin

Hobbys: Innenarchitektur, Design und Gärtnern

Webseite: Bettina Zimmermann

 

 

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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