“Man muss die Grundentscheidung aus absoluter Überzeugung heraus treffen”

Unternehmeredition: Wann haben Sie sich dazu entschieden, das unternehmerische Erbe anzutreten?
Roeckl:
Mein Vater hat sich gegenüber mir und meinen drei Brüdern immer sehr zurückgenommen, hat nie Druck ausgeübt. Dadurch konnte ich meinen eigenen Zugang finden – unter Zwang hätte ich mich schwer getan. Vor dieser Großzügigkeit meines Vaters habe ich auch ganz großen Respekt, auch vor seinem Vertrauen bei der Übergabe. Als er mir die Firma übergeben hat, war er gerade einmal 64 Jahre alt, noch gesund und fit. Zudem hat er ganz konsequent übergeben: Gesellschaftsanteile, Geschäftsführung, operative Tätigkeit. Eine Zeit lang hat er sich noch um die eigene Produktion in Rumänien und den Ledereinkauf gekümmert. So konnte ich erst einmal in die Geschäftsführung des deutschen Betriebs hineinwachsen. Diese Übergangsphase war für uns beide sehr gut.

Unternehmeredition: Ihr Bruder Stefan führt heute die Sparte Sporthandschuhe als eigenes Unternehmen. Wie kam es zu dieser Aufteilung?
Roeckl:
Mein Vater hatte immer zu uns gesagt, wenn mehr als einer von uns in die Firma gehen will, dann wird er sie teilen, weil er der Überzeugung ist, ein Unternehmer muss allein Entscheidungen fällen können. Statistisch gesehen gehen viel mehr Unternehmen an familiären Konflikten zugrunde als an wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Er sagte: Selbst wenn ihr euch gut versteht, was ist mit euren Ehepartnern, euren Kindern? Als mein Bruder sich 1999 entschlossen hatte, ebenfalls in die Firma zu gehen, beschloss mein Vater, ihm den Bereich der Sporthandschuhe zu übertragen. Sport- und Lederhandschuhe, das ist eine sinnvolle Trennungslinie, es sind jeweils in sich geschlossene Geschäftsbereiche. Es war kein einfacher Weg, ein erfolgreich gewachsenes Ganzes zu trennen und zwei neue Erfolgsmodelle daraus zu entwickeln – aber im Endeffekt erwies es sich als nachhaltig und weise.

Unternehmeredition: Hatten Sie Berater in den Generationswechsel eingebunden?
Roeckl:
Ja, das halte ich für sehr wichtig. Auch da möchte ich meinen Vater zitieren, der gesagt hat: Einen Generationswechsel macht man nur einmal im Leben, und er ist ein äußerst kritischer Punkt in der Unternehmensgeschichte. Deswegen ist es sinnvoll, Experten mit an Bord zu holen, die damit schon Erfahrungen gemacht haben. Wir hatten ja eine doppelte Herausforderung zu meistern, mit dem Generationswechsel und der Trennung in zwei Firmen. Da sind steuerliche, organisatorische und psychologische Aspekte mit im Spiel. Wir hatten sogar mehrere Berater: von einem Unternehmensberater über einen Steuerberater bis hin zu einem Coach, der uns im Dialog geholfen hat. Häufig wird in Familienunternehmen gerade über diese wesentlichen Dinge nicht gesprochen, da ist die Übergabe ein Tabuthema. Das war bei uns anders, mein Vater war da sehr offen. Natürlich gab es auch Ängste, Zweifel, Wünsche – und da ist es gut, wenn es einen Dritten gibt, der hier moderiert und unterstützend eingreift.

Unternehmeredition: Was ist Ihr wichtigster Rat an Unternehmer und deren Töchter oder Söhne in Bezug auf die Nachfolge?
Roeckl:
Das Wichtigste ist in meinen Augen Offenheit. Aber auch Großzügigkeit und Toleranz anderen Meinungen gegenüber. Jeder sieht die Dinge anders, und dafür muss Raum sein. Und sich Unterstützung zu holen. Mein Rat an potenzielle Nachfolger: Man muss es aus Überzeugung und gerne tun. Es gibt keinen Job, der immer Spaß macht, aber man muss die Grundentscheidung aus absoluter Überzeugung heraus treffen.
Unternehmeredition: Frau Roeckl, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Markus Hofelich.
markus.hofelich@unternehmeredition.de


Zur Person: Annette Roeckl
Annette Roeckl ist geschäftsführende Gesellschafterin der Roeckl Handschuhe & Accessoires GmbH & Co. KG. Nach der Übernahme der Geschäftsführung 2003 baute sie die Accessoires-Linien Tuch, Strick, Taschen- und Kleinlederwaren aus und gründete 2009 eine eigene Taschen-Manufaktur. www.roeckl.com

Autorenprofil

Markus Hofelich ist Gastautor.

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