M&A-Deals trotz fehlender ­Garantien absichern

Im Gespräch mit Robert Engels, Head of M&A DACH, und Janin ­Kauffmann, LL.M., Director M&A DACH, beide im Geschäftsbereich Corporate Risk & Broking bei WTW

Foto: Wanan-stock.adobe.com

Die Zahl der M&A-Transaktionen ist im Laufe des Jahres allmählich wieder angestiegen, was sich auch auf den Markt für die Warranty-&-Indemnity-(W&I-)Versicherung auswirkt. Diese gewinnt zudem bei der Absicherung des Erwerbs ­insolventer Targets an Relevanz – in Form von voll- oder teilsynthetischen Deckungen.

Going Public: Der M&A-Markt scheint sich allmählich zu erholen, die Anzahl der Transaktionen nimmt zu. Gehen Sie davon aus, dass sich der W&I-Markt, der die Transaktionsrisiken solcher Deals absichert, entsprechend verhärten wird?

Robert Engels: Das Tal des weichen Markts könnte Ende dieses Jahres zwar erreicht sein. Doch aufgrund der positiven Marktentwicklung und des Risikoappetits einiger Versicherer rechnen wir nicht damit, dass Anbieter die Policenbedingungen zulasten der Versicherungsnehmer anpassen werden. Lediglich ein leichter Prämienanstieg ist zu erwarten.

Janin Kauffmann: Hinzu kommt, dass derzeit viele Anbieter aktiv sind und in den letzten Monaten weitere Versicherer in den Markt eingetreten sind. Sie haben zusätz­liche Kapazitäten auf den Markt gebracht. Diese Faktoren haben den ohnehin starken Wettbewerb nochmals verstärkt.

Derzeit rollt weiterhin eine Insolvenz­welle über Deutschland hinweg und trifft inzwischen sogar Versicherer, wie ­zuletzt den Luxemburger Lebensver­sicherer FWU Life Insurance Lux. ­Inwiefern beeinflussen solche Groß­insolvenzen den W&I-Markt?

Engels: Die Rolle der Insolvenzen müssen wir aus zwei Perspektiven betrachten. Erstens haben sie keine direkten Auswirkungen auf den W&I-Markt. Sollten jedoch die M&A-Aktivitäten nicht wie erwartet weiter zunehmen, könnte es zu einer Konsolidierung unter den Versicherern kommen. Zweitens ist die W&I-Versicherung ein ­geeignetes Werkzeug, um Verkäufe aus der Insolvenz, sogenannte Distressed Deals, abzusichern. Vor diesem Hintergrund ist der W&I-Markt gut gewappnet und bereit, Lösungen anzubieten.

Inwiefern ist die W&I-Versicherung ein geeignetes Tool dafür?

KauffmannEs besteht die Möglichkeit, eine teil- oder vollsynthetische W&I-Versicherung abzuschließen. Dabei ist zu ­beachten, dass diese Formen nicht ausschließlich bei Distressed Deals zum ­Einsatz kommen. Ein weiterer geeigneter Anwendungsfall liegt im Bereich Real ­Estate vor, wenn Investoren das Management ihres Portfolios an einen Verwalter übertragen haben. Auch das Vorhandensein eines großen Verkäuferkonsortiums ist ein mögliches Einsatzszenario vor ­allem für eine vollsynthetische W&I-­Lösung.

Worin besteht der Unterschied zur ­klassischen W&I-Police?

Engels: Die konventionelle W&I-Versicherung schützt den Käufer im Rahmen eines mit dem Verkäufer verhandelten Garantiekatalogs vor Garantieverletzungen oder Falschangaben des Verkäufers. Bei der vollsynthetischen Deckung wird statt­dessen ein fiktiver Garantiekatalog zwischen Käufer und Versicherer vereinbart. Das ist dann notwendig, wenn der Verkäufer keine belastbaren Garantien für das Target abgeben kann, der Käufer sich aber trotzdem gegen die Risiken absichern möchte. Der Garantiekatalog basiert in der Regel auf einem standardisierten ­Katalog. Er ist daher weder besonders käufer- noch verkäuferfreundlich und wird, auch branchenabhängig, auf den Einzelfall zugeschnitten. Erweisen sich die in der Police enthaltenen Garantien als falsch, kommt der Versicherer für den Schaden auf.

Kauffmann: Bei der teilsynthetischen ­Deckung hingegen wird der zwischen ­Käufer und Verkäufer bereits bestehende Garantiekatalog stellenweise durch spezifische Garantien in der Police erweitert, oft etwa durch eine synthetische Steuerfreistellung. Daneben umfasst eine teil­synthetische Police z.B. eine erweiterte Schadensdefinition, die Eliminierung von Wissensqualifikationen aus dem Kaufvertrag oder eine erweiterte Wissensdefinition der Verkäufer. Diese Vereinbarungen haben sich schon zu einem Standard bei W&I-­Policen durchgesetzt und wir sehen diese quasi bei jeder platzierten Police. Beide Optionen von (teil)synthetischen Erweiterungen haben den Vorteil, dass sie die ­Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer vereinfachen.

Was ist für den Abschluss der Police zu beachten?

Engels: Bieten Versicherer diese Art der Deckung an, verzichten sie auf Regress­ansprüche gegen den Verkäufer, was nicht unerheblich ist. Normalerweise hat der Versicherer bei einer regulären W&I-Police die Möglichkeit, im Falle arglistiger ­Täuschung durch den Verkäufer die ­Schadenzahlung vom Verkäufer zurück­zufordern. Vor allem bei der vollsynthe­tischen Variante entfällt dieses Recht. Das heißt: Versicherer wägen ab, wann es sinnvoll ist, diese Deckungsform anzubieten und wann nicht.

 Und wie gelingt das?

Kauffmann: Hierbei kommt die Due ­Diligence, die sorgfältige Prüfung des ­Targets, ins Spiel, die ohnehin vor jeder Transaktion durchgeführt wird. Bei der synthetischen W&I-Deckung ist sie umso wichtiger, da der Versicherer keine ­weitere Form von Bestätigung erhält. Als Voraussetzung muss nachvollziehbar begründet werden, warum der Verkäufer keine ­Garantien abgeben kann. Außerdem muss er ggf. kurz vor der Beurkundung Anlagen zum Kaufvertrag (sogenannte Disclosures) nach den Vorgaben des Versicherers erstellen. Käufer und Versicherer sind ­daher auf die aktive Mitwirkung des ­Verkäufers im Offenlegungsprozess angewiesen.

Ein gewisses Restrisiko bleibt immer bestehen. Das wirft die Frage nach Art und Häufigkeit typischer W&I-Schäden auf.

Engels: Es gestaltet sich schwierig, in ­dieser Hinsicht konkrete Aussagen zu ­treffen. Man kann praktisch von einem gut gehüteten Geheimnis sprechen, denn die Datenlage zu Schäden ist einfach zu dünn – viele Versicherer legen ihre Schäden nicht offen. Untersuchungen von WTW und die Offenlegungen einiger weniger Versicherungsgesellschaften zeigen jedoch, dass Schäden im Finanz- und Steuer­bereich am häufigsten vertreten sind. Das können z.B. Fehler in der Steuererklärung, im Jahresabschluss oder in der Buchhaltung sein. Dass gerade diese Schadenart immer wieder auftritt, liegt aber auch ­daran, dass wir im DACH-Raum regelmäßige Steuerprüfungen haben.

Wie glauben Sie, wird sich der M&A- und entsprechende Versicherungsmarkt weiterentwickeln?

Kauffmann: Es ist schon sehr beein­druckend, wie der Markt permanent in ­Bewegung ist. Es bleibt vor allem abzuwarten, wie sich die Transaktionszahlen und damit auch die Versicherungskon­ditionen entwickeln.

Engels: Und zwar besonders im Hinblick auf den Deckungsumfang. Wie eingangs erwähnt, wäre eine Prämiensteigerung vollkommen normal und zu erwarten. Die große Frage ist eher, ob die ver­besserten Deckungskonditionen erhalten bleiben. Wir gehen jedenfalls davon aus.

Frau Kauffmann, Herr Engels, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Stefan Preuß.


ZU DEN PERSONEN

Robert Engels leitet das M&A-Beratungs­team im Geschäftsbereich Corporate Risk & Broking bei WTW für Deutschland, Schweiz und Österreich. Das Team spezialisiert sich auf die Bereiche Transaktionsversiche­rungs­lösungen und Insurance Due Diligence. Vor seinem Wechsel zu WTW im Jahr 2019 führte Engels die M&A-Beratungsteams bei zwei internationalen Versicherungsmaklern in der DACH-Region.

 

Janin Kauffmann ist als Volljuristin für den Geschäftsbereich Corporate Risk & Broking bei WTW für Deutschland, Schweiz und Österreich tätig. Dort leitet sie seit 2018 den Bereich Transaktionsversicherung innerhalb M&A. Vor ihrer Beratertätigkeit sammelte sie bei verschiedenen Versicherern knapp fünf Jahre lang Erfahrung als M&A-Underwriterin für europäische Transaktionen von Corporate- sowie Private Equity.

www.wtwco.com/de-de

Autorenprofil
Stefan Preuss

Stefan Preuß arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Redakteur im Kapitalmarktumfeld. Der gelernte Tageszeitungsredakteur sammelte zudem Erfahrung als Investor Relations Manager. Der Redaktion der GoingPublic Media AG gehört er als ständiger Mitarbeiter mit den Schwerpunktthemen IPOs, Vermögensanlage und Nachfolgelösungen an. Er betreut als Redaktionsleiter die jährlichen Spezialausgaben "Mitarbeiterbeteiligung" sowie "M&A Insurance".

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