M&A-Boom oder Ausverkauf?

Der deutsche M&A-Markt 2024 im internationalen Vergleich

Oktober ist bisher der beste Monat im deutschen M&A-Jahr 2024. Winfried Weigel gibt einen Überblick über die Transaktionsentwicklung.
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Der deutsche M&A-Markt verzeichnet 2024 bereits 13 Milliardendeals, darunter große Übernahmen wie Covestro und DB Schenker durch ausländische Investoren. Private-Equity-Firmen und strategische Käufer drängen vermehrt auf den Markt, besonders im Oktober. Trotz der Dynamik hinkt Deutschland im globalen Vergleich hinterher – stehen wir vor einem “Indian Summer” oder dem Ausverkauf? 

Das Jahr 2024 hat bisher 13 Milliardendeals mit deutscher Beteiligung gesehen. Darunter befanden sich mit Covestro und DB Schenker zwei Deals im zweistelligen Milliardenbereich. Beide Deals wurden in den vergangenen drei Wochen besiegelt und bekanntgegeben, und bei beiden Deals handelt es sich um ausländische Übernahmen in Deutschland.

Die bisher potentiell größte ausländische Übernahme wurde vor drei Wochen durch die Bundesregierung, respektive das Bundesfinanzministerium, durch den Verkauf eines Teils Ihrer Beteiligung im Rahmen einer beschleunigten Kapitalmarktplatzierung ausgelöst: die momentan eher feindliche Übernahme der Commerzbank durch UniCredit. Der Transaktionswert wird hier sicherlich deutlich über 20 Mrd. EUR liegen. Bisher hat sich UniCredit 21% gesichert und darauf bereits circa 25% Wertzuwachs erzielt.

PE-Investoren schalten in den Investitionsmodus

Von den 13 Deals im Milliardenbereich wurden elf Übernahmen in Deutschland vollzogen, wobei zehn dieser Transaktionen von ausländischen Käufern getätigt wurden. Sechs davon waren Private-Equity-Buy-outs, was zeigt, dass PE-Investoren wieder in den Investitionsmodus schalten. Nur zwei Private-Equity-Exits fanden statt, beide endeten als Secondary-PE-Deals zwischen global führenden ausländischen PE-Firmen.

Unter den Milliardendeals finden sich nur zwei deutsche Investitionen im Ausland: Bosch, das die größte Transaktion im einstelligen Milliardenbereich tätigte, und Volkswagen mit seiner Investition in das Rivian Automotive Joint Venture. Beide Deals fanden in den USA statt. Vier der elf Milliardenübernahmen in Deutschland wurden von strategischen Käufern und direkten Wettbewerbern durchgeführt, die Übernahmen von Covestro, DB Schenker, Commerzbank (noch nicht lanciert) und MorphoSys.

Trend hin zu größeren Transaktionen

Die vier größten Deals sowie Deal Nr. 6 und Nr. 11 fanden im zweiten Halbjahr 2024 statt, wobei vier der sechs Deals, darunter die beiden zweistelligen Milliardenübernahmen, in den vergangenen drei Wochen angekündigt wurden. Ein klarer Trend hin zu größeren Transaktionen, zur Rückkehr von PE-Investoren als Käufer und starkem Interesse strategischer Käufer an größeren Deals ist erkennbar. Dennoch hinkt der deutsche M&A-Markt, ebenso wie die deutsche Wirtschaft, dem globalen Wettbewerb hinterher. Öffentliche Übernahmeangebote, wie die für Covestro und die Übernahmeabsicht bei der Commerzbank, könnten den deutschen Übernahmemarkt befeuern, aber große ausländische Akquisitionen, wie zum Beispiel die von Bosch in den USA, fehlen bislang.

Oktober bester Monat im deutschen M&A-Jahr 2024

Der Oktober ist bisher der beste Monat im deutschen M&A-Jahr 2024: Am 1. Oktober 2024 wurde die Vereinbarung zwischen der börsennotierten Covestro AG mit einer Marktkapitalisierung von 11 Mrd. EUR und dem strategischen Käufer ADNOC Abu Dhabi National Oil Company für die öffentliche Übernahme der Covestro AG (ehemaliges Bayer-Chemiegeschäft) bekannt gegeben. Der Aufsichtsrat von Covestro hat dem Deal bereits zugestimmt. Der Wert der Transaktion, einschließlich einer Kapitalspritze von 1,2 Mrd. EUR und 3,2 Mrd. EUR Nettoschulden (Stand 30. Juni), beläuft sich auf insgesamt 16,1 Mrd. EUR.

Ebenfalls am 1. Oktober 2024 gab TPG Texas Pacific Group als Hauptinvestor durch seinen “Sustainable Investment” Arm TPG Rise Climate die gemeinsame Übernahme des Energiemessgeschäfts der Techem Group zusammen mit dem Staatsfonds GIC aus Singapur für insgesamt 6,7 Mrd. EUR bekannt. Die Verkäufer waren Partners Group mit seinen kanadischen Co-Investoren Caisse De Depot Et Placement Du Quebec (CDPQ) und Ontario Teacher’s Pension Plan.

Größer als die Marktkapitalisierung der Covestro AG war die 14,3 Mrd. EUR schwere Übernahme der DB Schenker Gruppe durch DSV A/S (früher DSV Panalpina), dem schärfsten Konkurrenten von DB Schenker. Die Transaktion wurde am 13. September 2024 von der Deutsche Bahn AG, dem Mutterkonzern von DB Schenker mit 40 Mrd. EUR Umsatz und 147.000 Mitarbeitern in 80 Ländern, bekannt gegeben. DSV plant, die Übernahme mit 4 bis 5 Mrd. EUR Eigenkapital sowie durch Fremdfinanzierung zu stemmen und Investitionen von 1 Mrd. EUR in Deutschland zu tätigen.

Commerzbank-Übernahme – potenziell größter Deal 2024

Die potenziell größte Übernahme des Jahres 2024 wurde am 11. September 2024 durch die Bundesregierung eingeleitet: die öffentliche Übernahme der Commerzbank, der zweitgrößten deutschen Bank, durch die italienische UniCredit Bank. Die UniCredit ist in Deutschland bereits über ihre frühere Akquisition der HypoVereinsbank (HVB), der viertgrößten deutschen Bank, maßgeblich vertreten. Diese Übernahme wurde durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds der Bundesregierung orchestriert und erfolgte über einen beschleunigten Bookbuild durch J.P. Morgan für einen Anteil von zusammen 4,49% der Commerzbank. UniCredit bot 13,20 EUR pro Aktie, einen Aufschlag von 4,75% auf den damaligen Marktpreis, und damit deutlich mehr als andere institutionelle Finanzinvestoren, und erwarb gleichzeitig weitere 4,5% am Markt. Bis zum 23. September 2024 erhöhte UniCredit ihre strategische Beteiligung auf 21%. Ein beschleunigtes Platzierungsverfahren außerhalb der Börse geschieht üblicherweise nahe am Marktpreis und soll die Platzierung kleinerer Pakete an eine möglichst breite Gruppe von institutionellen Investoren sicherstellen. Dass UniCredit hier nicht als passiver Finanzinvestor, sondern als aktiver strategischer Investor gehandelt hat, musste allen Beteiligten klar gewesen sein.

Bosch-Gruppe tätigt größte deutsche Auslandsakquisition

Die größte deutsche Akquisition des Jahres im Ausland (und insgesamt) war die Übernahme der Johnson Controls “Residential and Light Commercial HVAC Business Unit” durch die Bosch-Gruppe für 8,1 Mrd. USD, die am 23. Juli 2024 angekündigt worden war.

Insgesamt verzeichneten wir acht weitere Milliardendeals mit einem Gesamtwert von 18,6 Mrd. EUR, darunter prominente Transaktionen wie den Kauf eines Anteils von 10% an der Vantage Tower AG durch KKR und die Investitionsrunde in AUTODOC, angeführt von Apollo Global Management.

Diese 13 Deals summieren sich auf einen Transaktionswert von 52,5 Mrd. EUR und damit auf mehr als die Hälfte des gesamten aggregierten Transaktionswerts. Die Commerzbank ist dabei bisher nur mit dem auch preislich bekannten 9% Anteilserwerb enthalten. Auch ohne Ankündigung einer öffentlichen Übernahme in diesem Jahr dürfen wir davon ausgehen, dass der M&A Jahrgang 2024 zumindest wertmäßig besser ausfallen wird, als im vergangenen Jahr.

Tabelle 1 zeigt die Details der Top 13 deutschen M&A-Milliardendeals 2024:

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Autorenprofil
Dr. Winfried Weigel

Dr. Winfried Weigel ist Partner des international tätigen Corporate Finance-/M&A-Beraters www.weigelCF.com mit Fokus auf Unternehmensnachfolgen und Private-Equity-Transaktionen sowie des Strategie- und Business-Development-Beraters www.cltcap.com mit Schwerpunkt auf erneuerbaren Energien und umweltfreundlichen Technologien. Daneben ist Dr. Weigel als Coach und Mentor im VC-Bereich und als Dozent für strategische Unternehmenstransaktionen tätig.

E-Mail: winfried.weigel@wweigel.com

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