Aus heutiger Perspektive steht schon fest, dass eine frühere Antragstellung beispielsweise im Schutzschirmverfahren in jedem Fall besser gewesen wäre. Grundsätzlich gilt, je früher der Antrag gestellt wird, umso vielfältiger sind die Handlungsalternativen, die Krise zu bewältigen. Man hätte wesentlich mehr Zeit zur Vorbereitung gehabt und vermutlich auch deutlich mehr Liquiditätsspielräume.
Air Berlin praktisch wertlos
Heute hat Air Berlin jedenfalls praktisch keine eigenen Werte mehr, auch die Flugzeuge gehören nicht Air Berlin, sondern verschiedenen Leasinggesellschaften. Einzig die Start- und Landerechte lassen sich noch zu Geld machen, wenn sie nicht sogar an den Bund zur Absicherung des Massekredites verpfändet sind.
Es spricht also alles dafür, dass Air Berlin zerschlagen wird. Es ist kaum damit zu rechnen, dass sie als eigenständige Gesellschaft bestehen bleibt. Da die Flugkapazitäten der Air Berlin aber nicht vom Markt verschwinden werden, werden Kabinenpersonal, Technik und Piloten größtenteils von einer oder mehreren Fluggesellschaften übernommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden Teile an mehrere Erwerber verkauft werden. Die Folge wird sein, dass die Preise auf den Inlandsflügen deutlich anziehen, denn da wird künftig durch die Zerschlagung der Air Berlin die Lufthansa mit ihren Billigtöchtern der einzige Anbieter sein.
Die Pleite bringt viele Verlierer hervor
Die größten Verlierer sind sicherlich die Mitarbeiter des Bodenpersonals und der Verwaltung. Sie werden zum großen Teil ihren Job verlieren. Wahrscheinlich werden auch die Aktionäre, allen voran die Etihad und andere Geldgeber, verlieren und ihre Forderungen vollständig abschreiben müssen. Allein die ungesicherten Anleihegläubiger sollen Forderungen von fast 500 Mio. Euro haben. Die werden genauso wenig wie die Aktionäre etwas von ihrem Geld zurückbekommen. Ebenso müssen die Lieferanten erhebliche Einbußen hinnehmen. Möglicherweise wird der ein oder andere Lieferant selber finanzielle Schwierigkeiten bekommen und sollte vorsorglich über ein Eigenverwaltungsverfahren nachdenken.
Diese Eigenverwaltung ist untypisch
Die Verantwortlichen haben sich bewusst für eine Eigenverwaltung anstatt einer Regelinsolvenz entschieden. Das hatte vor allem wirtschaftliche Gründe. Allein der nur in der Eigenverwaltung mögliche Umsatzsteuereffekt dürfte sich auf 60-80 Mio. Euro belaufen. Die Kosten der Sachwaltung liegen gegenüber denen eines Insolvenzverwalters bei Verfahren dieser Größenordnung um einige Mio. Euro niedriger. Es ist davon auszugehen, dass der Generalbevollmächtigte, der für die Dauer des Verfahrens in den Vorstand eingetreten ist, zu überschaubaren Kosten tätig wird.
Nächste Seite: Die Bundesregierung hat geistesgegenwärtig und mit Kalkül gehandelt