Können Carve-outs Unternehmen retten?

Warum die Abspaltung von Unternehmenssparten so aktuell ist

Schwierige Zeiten erfordern harte Maßnahmen. Nach einer etwas ruhigeren Phase im letzten Jahr sind derzeit Carve-outs wieder in aller Munde.
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Schwierige Zeiten erfordern harte Maßnahmen. Wie sinnvoll, aufwendig und profitabel kann im aktuellen Umfeld die Abspaltung und der Verkauf von Unternehmenssparten sein?

Nach einer etwas ruhigeren Phase im letzten Jahr sind derzeit Carve-outs wieder in aller Munde. Zu den zuletzt in der Presse am häufigsten erwähnten gehören DB Schenker (gleichzeitig mit einem erwarteten Kaufpreis von bis zu 15 Mrd. EUR der größte), Arriva, Magirus, Bosch Brake-Systems und die insolvenzbedingte Zerschlagung der Allgaier-Group. Im noch nicht öffentlich bekannten Raum sind über die im Branchendienst Mergermarket für das erste Halbjahr 2024 als geclost gemeldeten rund 250 Divestments hinaus noch zahlreiche weitere Carve-outs in Verhandlung oder Vorbereitung.

Zugenommen haben dabei insbesondere die sogenannten Distressed Carve-outs. Hierbei handelt es sich im Ernstfall der Restrukturierung um Separationen, die notwendig geworden sind, um das Gesamtunternehmen – wie seinerzeit thyssenkrupp durch den Verkauf von TKE – oder die Business Unit selbst zu retten. Aber auch immer mehr Unternehmen, die „nur“ unter Umsatz- und Margeneinbrüchen leiden, stellen ihr Portfolio auf den Prüfstand, um jene Unternehmensaktivitäten zu identifizieren, zu separieren und zu veräußern, die defizitär arbeiten oder nicht mehr den gewünschten Erfolgsbeitrag leisten.

Lassen sich unprofitable Aktivitäten überhaupt verkaufen?

Nun stellt sich berechtigterweise die Frage, ob (absehbar) defizitäre Aktivitäten überhaupt einen Käufer finden. Hier gilt es seitens des Verkäufers initial dreierlei zu prüfen:
1. Sind die geplanten Umfänge überhaupt marktgängig?
2. Gibt es Wettbewerber, die durch Realisierung von Umsatz- und/oder Kostensynergien einen Mehrwert durch den Zukauf realisieren können?
3. Gibt es andere Käufer, die aktuelle Nachteile des Geschäfts durch zu hohe Konzernkosten, zu hohe Konzernkomplexität und Unterinvestition standalone ins Positive drehen können?

Im Rahmen der ersten Frage ist der sogenannte Transaktionsperimeter entscheidend, mithin die genaue Definition, welche Aktivitäten überhaupt zum Verkauf gestellt werden. Sind diese eigenständig oder in der vorgesehenen Kombination deutlich schlechter aufgestellt als die Konkurrenz beziehungsweise in einem Produkt-/Servicesegment angesiedelt, welches sich im Niedergang befindet, dann sind sie entweder unverkäuflich oder müssen mit weiteren profitablen Geschäften „angereichert“ werden. Beispiele für Letzteres finden sich in Deals der Energiewirtschaft der letzten Jahre. Als besonders prägnanter Fall von Unverkäuflichkeit ist das Logistikgeschäft von Neckermann in Erinnerung geblieben. Sowohl die Situation des relevanten Markts als auch der Zustand der Operations vereitelten jegliche Verkaufschancen und mündeten 2012 in einer Abwicklung.

Als Käufer für Standalone-Aktivitäten treten insbesondere Private-Equity-Unternehmen wie Mutares oder Aurelius auf, die sich auf solche angespannten Situationen spezialisiert haben.

Wie erziele ich den besten Preis?

Um dem kränkelnden Gesamtunternehmen zu helfen beziehungsweise einen negativen Kaufpreis zu verhindern, muss man die Schwerpunkte abhängig von der Attraktivität des Targets unterschiedlich setzen. Wird das „Tafelsilber ins Schaufenster gestellt“, kommt dem bestmöglich organisierten Verkaufsprozess die größte Bedeutung zu. Dies bedeutet im Wesentlichen, die richtigen Bieter zu finden und – gegebenenfalls vorab auch exklusiv – anzusprechen, um den nötigen Wettbewerb zu erzeugen, das Target in allen Facetten inklusive CDD, Separationskonzept und ODD optimal und maximal transparent zu präsentieren und die Due Diligence und SPA-Verhandlungen straff und professionell zu organisieren.

Gleiches gilt natürlich auch bei wenig profitablen oder defizitären Unternehmensteilen, fällt in der Umsetzung aber bedeutend schwerer. In diesen Fällen kommt es viel eher auf zwei Dinge an: Implementierungszeit und Wertpotenziale.

Der Zeitfaktor ist wichtig, da ein unnötig langer Verbleib im Unternehmen die Gesamtsituation nicht verbessert oder gar verschlimmert – sowohl finanziell als auch emotional. Neben einem zügigen Verkaufsprozess kommt es daher auch auf einen maximal pragmatischen Carve-out an. Bei Eight Advisory wurde dafür der Ansatz des „Smart-Carve-out©“ entwickelt, der darauf abzielt, nur dann vor Closing eine vollständige Separation umzusetzen, wenn es regulatorisch erforderlich und wirtschaftlich wie auch zeitlich sinnvoll ist. So vermeidet zum Beispiel ein Joint Venture mit dem Käufer in der IT-Funktion sowohl eine lange Dauer bis zur vollständigen Separation als auch unnötige Dissynergien und Remanenzkosten.

Dem Wertsteigerungsfaktor kommt insbesondere dann eine hohe Bedeutung zu, wenn jeder Euro zählt. Neben einem auch hier sinnvollen „Smart-Carve-out©“ gilt es in dieser Situation schon vor dem Go-to-Market seitens des Verkäufers proaktiv Wertsteigerungspotenziale – seien es Synergien oder Standalone-Potenziale für Value Creation – zu identifizieren, zu quantifizieren und gegebenenfalls – bei kostengünstigen Quick Wins – auch schon umzusetzen. Die einfachste Kategorie bilden hierbei die zukünftig entfallenden Konzernumlagen, zum Beispiel für einen gemeinsamen Vorstand, IR, Kommunikation et cetera.

Etwas kniffliger ist die Ermittlung eigenständiger Wertsteigerungspotenziale. Doch unter Einbeziehung der betroffenen Mitarbeiter, in deren Köpfen viele gute Ideen für Optimierungen schlummern, und mithilfe des Programms „Acceler8or©“ lassen sich immer überraschend viele Hebel finden, um qua prozentualem Ansatz den Verkaufspreis zu steigern und Input für den 100-Tage-Plan, den insbesondere Private-Equity-Unternehmen für die Zeit nach Kauf erstellen, zu liefern. In unseren Projekten findet sich dabei das meiste Gold zumeist im Vertrieb, im Pricing und in den internen Prozesskosten.

Sollte ich mit dem Carve-out warten, bis der Restrukturierungsfall eintritt?

Ganz klare Antwort: Nein. Auch wenn alles glattläuft, dauert ein halbwegs geordneter Carve-out mindestens sechs, eher neun Monate – in Insolvenznähe eine gefährlich lange Zeit (auch wenn sich natürlich auch im Rahmen einer Insolvenz noch Carve-outs umsetzen lassen, wie zum Beispiel Car InterMedia Systems bei Grundig). Weiterhin kommt es selten von einem auf den anderen Tag zu einer Schieflage eines Unternehmens. Die früh- und gleichzeitige Ausarbeitung von alternativen Strategieoptionen in einem „Transformation Dual Track“ – hier Performance Improvement/Turnaround versus Carve-out einer Business Unit – konnte man zuletzt in immer mehr DAX-, MDAX und Mittelstandunternehmen beobachten und hat sich bisher immer bewährt. In einigen Fällen wurde der externe Carve-out sogar abgesagt, weil sich durch Entschlackung im Rahmen eines internen Carve-outs „plötzlich“ die Profitabilität des Unternehmensteils wieder eingestellt hat …

FAZIT

Carve-outs sind in der aktuellen wirtschaftlichen Lage ein essenzielles Mittel zur Rettung von Unternehmen oder Unternehmenssparten. Sie ermöglichen es, unprofitable oder nicht mehr strategisch passende Geschäftsbereiche abzuspalten und zu verkaufen, um das verbleibende Unternehmen zu stabilisieren. Trotz der Herausforderungen, insbesondere bei defizitären Einheiten, können gut geplante und durchgeführte Carve-outs Wertsteigerungspotenziale realisieren und das Unternehmen vor größeren finanziellen Schwierigkeiten bewahren. Eine frühzeitige und strategische Planung ist dabei entscheidend, um im Ernstfall schnell handeln zu können.

👉 Dieser Beitrag ist erschienen in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2024 

Autorenprofil
Curt-Oliver Luchtenberg ist Partner im Bereich Operational Transformation und Leiter des Kölner Büros von Eight Advisory Deutschland. Er hat bedeutende Spin-offs, Carve-outs, Integrationen und Strategieprojekte für namhafte Kunden operativ geführt sowie mittelständische Unternehmen und Private-Equity-Kunden bei komplexen Transformationen begleitet. Eight Advisory ist eine führende europäische Beratung für Transaktionen, Restrukturierungen und Transformationen. Die Gruppe mit über 850 Mitarbeitern, darunter 102 Partner, unterstützt Führungskräfte bei finanziellen und operativen Entscheidungsprozessen.
Curt-Oliver Luchtenberg

Curt-Oliver Luchtenberg ist Partner im Bereich Operational Transformation und Leiter des Kölner Büros von Eight Advisory Deutschland. Er hat bedeutende Spin-offs, Carve-outs, Integrationen und Strategieprojekte für namhafte Kunden operativ geführt sowie mittelständische Unternehmen und Private-Equity-Kunden bei komplexen Transformationen begleitet. Eight Advisory ist eine führende europäische Beratung für Transaktionen, Restrukturierungen und Transformationen. Die Gruppe mit über 850 Mitarbeitern, darunter 102 Partner, unterstützt Führungskräfte bei finanziellen und operativen Entscheidungsprozessen.

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