Bis zum Beginn der Coronapandemie lief es für das Unternehmen Sternenbäck gut: Der Großbäcker mit 215 Bäckereifilialen in sechs Bundesländern und drei Bäckereibetrieben in Hechingen, Gera und Spremberg verzeichnete Jahr für Jahr eine konstant positive Geschäftsentwicklung. Doch mit dem Lockdown im Frühjahr 2020 wurde alles anders: Dramatische Umsatzeinbrüche zwangen das Unternehmen zur Einleitung eines Schutzschirmverfahrens.
Das Traditionsunternehmen wird nach seiner Gründung vor 255 Jahren inzwischen in der neunten Generation betrieben. Es erfolgte in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum bei den Filialstandorten und dementsprechend auch beim Umsatz. Dieser lag vor dem Insolvenzantrag bei rund 90 Mio. EUR pro Jahr. Der Ausbruch der Coronapandemie setzte dieser Entwicklung aber ein jähes Ende. „Sternenbäck ist ein Opfer der Coronakrise! Umsatz und Ergebnis zu Beginn des Jahres 2020 lagen über den Erwartungen. Doch der Lockdown im März hat sich dann massiv auf das Geschäft ausgewirkt“, erklärt Jan Hendrik Groß, Restrukturierungsanwalt der Kanzlei Ebner Stolz. Besonders problematisch sei gewesen, dass das margenstarke Gastronomiegeschäft weggebrochen ist. „Ohne diese inzwischen für einen Bäcker wichtigen Umsätze wird es schnell existentiell“, fügt Groß an. Ein zusätzliches Problem bestand darin, dass aufgrund von Verlusten im Jahr 2019 – unter anderem verursacht durch das schnelle Wachstum – die Beantragung von KfW-Krediten trotz intensiver Bemühungen nicht möglich war.
Geschäftsbetrieb konnte gesichert werden
So kam es, dass im Mai 2020 ein Insolvenzantrag gestellt werden musste. Zusammen mit der Geschäftsführung wurde die Entscheidung getroffen, ein Eigenverwaltungsverfahren zu beantragen. Eine der ersten und wichtigsten Aufgaben zum Beginn des Verfahrens war die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes. Die sich schnell ändernden Bedingungen und Möglichkeiten aufgrund der Beschränkungen durch die Coronapandemie sorgten für viele Schwierigkeiten. Zur Verbesserung der finanziellen Situation wurde die Vorfinanzierung des Insolvenzgelds in die Wege geleitet. Die Umsätze im reinen Bäckereigeschäft konnten stabilisiert werden – es fehlten aber weiter die Einnahmen aus der Gastronomie. Insgesamt zeigte sich, dass die Kunden von der laufenden Insolvenz nicht viel mitbekommen haben.
Warum wurde Eigenverwaltung gewählt?
Aber warum wählten Sternenbäck und Ebner Stolz die Eigenverwaltung als Weg für das Insolvenzverfahren? „Im Schutzschirmverfahren haben Sie die Möglichkeit, sich leistungswirtschaftlich neu aufzustellen. So können Sie zum Beispiel langlaufende Verträge beenden. Der Vorteil bei einem Schutzschirmverfahren ist, dass die Geschäftsleitung ‘am Ruder’ bleibt. Zwar ist es ein gerichtliches Verfahren, die Geschäftsleitung gibt jedoch die Handlungsbefugnis nicht ab. Sie bekommen lediglich einen gerichtlich bestellten Sachwalter als Überwachungsorgan an ihre Seite gestellt. Das Unternehmen hat dann drei Monate Zeit, einen Restrukturierungsplan zu erarbeiten“, erläutert Groß. Die Einleitung eines Eigenverwaltungsverfahrens setze allerdings eine intensive Vorbereitung voraus, die Gespräche mit den Gläubigern mit einschließt. Immerhin ist ein detaillierter Plan für die Sanierung des Unternehmens ein elementarer Bestandteil des Antrages auf ein Eigenverwaltungsverfahren. Insofern ist eine intensive Kommunikation mit allen Stakeholdern die Basis für den Erfolg.
Filialen auf dem Prüfstand
Im Zuge des Schutzschirmverfahrens kamen sämtliche Filialen von Sternenbäck auf den Prüfstand. Das Team um den Restrukturierungsexperten Groß schaute sich die Deckungsbeiträge an und analysierte auch die Mietverträge sowie weitere Rahmenbedingungen. Im Ergebnis wurden dann 50 Filialen geschlossen und bei einigen weiteren Standorten die Mietkonditionen neu verhandelt. „Die verlustbringenden Filialen konnten auf diese Weise abgeschnitten werden. So konnte sich das Unternehmen auf seinen profitablen Kernbereich fokussieren“, erklärt Groß. Ziel sollte es in jedem Fall sein, sich von solchen Belastungen zu trennen, die eine positive Entwicklung des Unternehmens nach dem Eigenverwaltungsverfahren verhindern.
Sanierung nach StaRUG wäre nicht sinnvoll gewesen
Das Schutzschirmverfahren war bei Sternenbäck nach Ansicht aller Beteiligten das Mittel der Wahl. Mit dem seit Jahresbeginn zur Verfügung stehenden Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen könne ein Unternehmen zwar gerichtliche Unterstützung bei der Neugestaltung seiner Schulden in Anspruch nehmen. Aber das StaRUG beinhalte nicht die Möglichkeit, in Verträge einzugreifen oder Mietverträge zu beenden. Damit wäre eine langfristige Sanierung nicht erfolgreich gewesen.
Verfahren schnell abgeschlossen
Das Eigenverwaltungsverfahren von Sternenbäck konnte innerhalb von sieben Monaten abgeschlossen werden. Das Unternehmen hatte nach dem Insolvenzantrag drei Monate Zeit, einen Restrukturierungsplan zu erarbeiten. Dieser bekam von den Gläubigern die Zustimmung. „Am Ende sind wir von einer breiten Unterstützung aller Beteiligten durch das Verfahren getragen worden“, sagt Groß. Inzwischen blickt Sternenbäck wieder nach vorne. Organisches Wachstum ist geplant und die aktuellen Zahlen sorgen für positive Stimmung.
ZUR PERSON
Jan Hendrik Groß ist Partner bei Ebner Stolz in Köln. Ebner Stolz gehört zu den Top Ten der mittelständischen Prüfungs- und Beratungsgesellschaften in Deutschland. Das Unternehmen verfügt über fundierte Erfahrung in Wirtschaftsprüfung, Steuer-, Rechts- und Unternehmensberatung, hat hohe Qualitätsmaßstäbe und steht für eine ausgeprägte Kundenorientierung sowie unternehmerisches Denken. Mehr als 1.700 Mitarbeiter betreuen deutschlandweit überwiegend mittelständische Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen aller Branchen und Größenordnungen. Länderübergreifende Aufträge werden zusammen mit Nexia International durchgeführt, einem der zehn größten weltweiten Netzwerke von Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen in über 120 Ländern.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.