Die im internationalen Wettbewerb stehenden kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland sehen sich gegenwärtig in Relation zu ihrer Konkurrenz gut aufgestellt, wie der aktuelle KfW-Internationalisierungsbericht von KfW Research zeigt. Erfreulicherweise sind sie auch mit Blick auf ihre zukünftige Wettbewerbsposition überwiegend zuversichtlich: Etwa die Hälfte geht davon aus, die bisherige Stellung im internationalen Wettbewerb halten zu können. Rund ein Drittel erwartet sogar eine Verbesserung. Ein Fünftel aller kleinen und mittleren Unternehmen sorgt sich um eine Verschlechterung der eigenen Wettbewerbsposition.
Von den insgesamt 3,8 Millionen Mittelständlern hierzulande steht etwa jeder zehnte im globalen Wettbewerb. Mit diesen 380.000 Unternehmen befasst sich der KfW-Internationalisierungsbericht. Größere Firmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe, die zu den wesentlichen Treibern von Umsätzen, Beschäftigung und Investitionen im Mittelstand gehören, sind überdurchschnittlich oft unter ihnen vertreten.
Internationaler Wettbewerb bedeutet im Mittelstand vor allem europäischen Wettbewerb: Etwa 60% der kleinen und mittleren Unternehmen mit wichtigen Konkurrenten im Ausland verorten diese in Europa. Wichtigste Herkunftsregion von Wettbewerbern außerhalb Europas ist China (31%). Weitere 20% verorten ihre ausländischen Wettbewerber auch in anderen Regionen Asiens, ebenfalls rund ein Fünftel sieht seine internationale Konkurrenz im Vereinigten Königreich oder in den USA.
Zentrale Stärke: Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte
Gegenwärtig schneiden deutsche mittelständische Unternehmen nach eigener Einschätzung bei vielen Aspekten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit gut ab. Als zentrale Stärke sehen sie vor allem die Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften im Unternehmen. Jedes dritte Unternehmen sieht sich in dieser Hinsicht besser aufgestellt als die Konkurrenz aus dem Ausland, die Hälfte zumindest vergleichbar und nur 5% schlechter. Auch mit dem positiven Image von Made in Germany können kleine und mittlere Unternehmen international punkten: 51% sehen für ihre Produkte/Dienstleistungen einen höheren Bekanntheitsgrad als für die der internationalen Wettbewerber, 48% konstatieren einen höheren Innovationsgrad und 33% eine bessere Qualität.
Neben diesen klaren Stärken sieht der Mittelstand auch einige Schwächen: Ein gutes Viertel der Unternehmen sieht sich bei den Preisen für die eigenen Produkte/Dienstleistungen im Nachteil, 16% sind nach eigener Einschätzung bei den Personalkosten schlechter aufgestellt, 17% bewerten die eigene Service- und Beratungskompetenz kritisch und 10% den eigenen Digitalisierungsgrad.
In der öffentlichen Diskussion werden die hohen Energiekosten in Deutschland häufig als ein wesentlicher Standortnachteil im internationalen Wettbewerb gesehen. Für die Breite des Mittelstands stellen sie jedoch keinen gravierenden Wettbewerbsnachteil dar: Nur rund 11% der deutschen mittelständischen Unternehmen schneiden mit Blick auf ihre Energiekosten nach eigener Einschätzung schlechter ab als ihre ausländischen Wettbewerber – wohingegen sich 39% sogar besser aufgestellt sehen als ihre wichtigsten Konkurrenten. Für rund 26% aller Unternehmen sind die Energiekosten im internationalen Wettbewerb überhaupt kein relevanter Faktor. Im Verarbeitenden Gewerbe fällt die Einschätzung etwas weniger positiv aus als in der Breite des Mittelstands: Hier sehen sich 19% schlechter und nur 29% besser aufgestellt als ihre Konkurrenz. Im Vergleich zum Jahr 2021 ist die relative Energiekostenbelastung vor allem im Verarbeitenden Gewerbe sichtbar angestiegen. Dennoch halten die meisten Mittelständler (81 %) die Energiekosten auf dem Niveau von März 2023 für tragbar – trotz der Mehrbelastung, die sie teilweise darstellen.
Auch für die künftige Wettbewerbsfähigkeit sind hohe Energiekosten aus Sicht des deutschen Mittelstands weder das einzige noch das größte Risiko. Am meisten Sorge bereitet den kleinen und mittleren Unternehmen mit Blick auf die kommenden drei Jahre die Bürokratie. Jedes zweite (48%) sieht darin ein hohes Risiko für seine zukünftige Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland. Es folgen Steuern und Abgaben (34%) sowie Umwelt- und Klimaschutzbestimmungen (26%). Erst dann kommen die Energiekosten, die 21% als hohes Risiko bewerten. Ähnlich problematisch sehen die Mittelständler das Thema Fachkräftemangel (21%), digitale Infrastruktur (20%) und Verfügbarkeit von Rohstoffen/Vorprodukten (18%).
„Der deutsche Mittelstand in seiner Gesamtheit bewertet seine derzeitige internationale Wettbewerbsfähigkeit positiv. Auch mit Blick auf die Zukunft ist er durchaus zuversichtlicher als die aktuelle öffentliche Diskussion das befürchten lässt, aber er sieht deutlichen Handlungsbedarf: Bürokratie abbauen, Fachkräftemangel bekämpfen, Akzeptanz für die grüne Transformation durch Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen schaffen, die Rohstoff- und Energieversorgung sichern und die Digitalisierung vorantreiben – die Ansatzpunkte für den Erhalt und die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstands sind vielfältig“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW.
„Daraus konkrete Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen ist eine Aufgabe die Politik und Wirtschaft gemeinsam angehen müssen: Der Hebel der Politik sind vor allem die Rahmenbedingungen, durch die sie die Attraktivität des Standorts Deutschlands erhalten kann– beispielsweise durch die Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren oder die Setzung von Anreizen für eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen. In der Verantwortung sind zugleich auch die Unternehmen, die sich auf ein veränderndes Wettbewerbsumfeld einstellen und Maßnahmen zur Reduzierung von Risiken treffen müssen – beispielsweise durch eine Diversifizierung ihrer Rohstoffversorgung.“
Der KfW-Internationalisierungsbericht liefert auch aktuelle repräsentative Daten zu den Auslandsumsätzen des deutschen Mittelstands: Im Jahr 2021 beliefen sie sich auf 617 Milliarden Euro und lagen damit nicht nur über dem Vorjahreswert, sondern auch deutlich über dem Niveau vor der Corona-Krise. Damit leistet der Mittelstand weiter einen wesentlichen Beitrag zu den gesamten deutschen Exporten. Der Krieg in der Ukraine stellt die Firmen jedoch vor neue Herausforderungen. Steigende Energiekosten, eine hohe Inflation und anhaltende Lieferengpässe haben die Exporterwartungen im Jahr 2022 eingetrübt. Angesichts einer schwachen Konjunktur in Europa und einem verlangsamten Wachstum der Weltwirtschaft dürfte sich die Exportnachfrage auch im laufenden Jahr nur verhalten entwickeln.
Den aktuellen KfW-Internationalisierungsbericht finden Sie hier.
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.