Die Boomphase von M&A-Transaktionen asiatischer Investoren in Deutschland variierte über die Jahre und wurde durch verschiedene Faktoren beeinflusst, darunter wirtschaftliche Bedingungen, politische Entwicklungen und branchenspezifische Trends. Insbesondere seit etwa Mitte der 2010er-Jahre bis in die frühen 2020er-Jahre hinein war eine Phase verstärkter Aktivität asiatischer Investoren in Deutschland zu beobachten.
In dieser Zeit zeigten viele asiatische Unternehmen, insbesondere aus Ländern wie China, Japan und Südkorea, verstärktes Interesse an deutschen Unternehmen und investierten in verschiedene Branchen, darunter Automobil, Maschinenbau, Technologie und erneuerbare Energien. Dieser Trend wurde teilweise durch die Suche nach Technologie, Know-how und Marktzugang in Europa sowie durch die Wachstumschancen in deutschen Schlüsselindustrien angetrieben. Aufgrund strategischer und politischer Erwägungen versuchten insbesondere chinesische Investoren, sich durch besonders hohe Kaufpreisgebote in Bieterverfahren durchzusetzen.
Einige Beispiele für bedeutende M&A-Transaktionen asiatischer Investoren in Deutschland in den letzten Jahren sind:
1. der Kauf des Roboterherstellers Kuka durch die chinesische Midea Group im Jahr 2016 für etwa 4,5 Mrd. EUR,
2. der Erwerb von Osram, einem deutschen Beleuchtungshersteller, durch ein Konsortium aus chinesischen Investoren (unter anderem dem chinesischen Investor IDG Capital Partners) im Jahr 2016 für rund 400 Mio. EUR und
3. die Übernahme des deutschen Autozulieferers Grammer durch die chinesische Ningbo Jifeng Auto Parts Co. im Jahr 2018 für etwa 750 Mio. EUR.
Ein schönes Beispiel für einen strategischen Fit ist die Lorch Schweißtechnik aus dem Landkreis Waiblingen, östlich von Stuttgart. Sie wurde im Rahmen eines gut vorbereiteten Transaktionsprozesses an das börsennotierte japanische Unternehmen OTC Daihen verkauft. Bis dahin war Lorch ein typisches schwäbisches Familienunternehmen in der zweiten Generation mit starker Innovationskraft und zukunftsweisenden Technologien. Gleichwohl stellten sich für das Unternehmen Herausforderungen in der Unternehmensnachfolge, aber auch Finanzierungsrestriktionen, um am Weltmarkt mit teilweise sehr großen Unternehmen mithalten zu können. Wieso ein japanischer Investor? Hätte nicht auch ein westlich geprägter Käufer oder ein Private-Equity-Unternehmen gepasst?
Skepsis bei der Ansprache asiatischer Investoren
Es gibt mehrere Gründe dafür, dass asiatische und insbesondere chinesische Investoren beim Kauf deutscher Unternehmen oft Bedenken auslösen und ein schlechtes Image haben:
1. Sorge um den Verlust von Know-how und Technologie
2. Befürchtungen bezüglich Arbeitsplatzverlusten
3. Bedenken hinsichtlich staatlicher Einflussnahme
4. Kulturelle Unterschiede und Kommunikationsprobleme
5. Vorurteile und Misstrauen
Es sei angemerkt, dass diese Bedenken nicht immer gerechtfertigt sind und dass sich viele Beispiele für erfolgreiche Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland finden. Dennoch können diese Bedenken dazu beitragen, ein negatives Image zu schaffen, insbesondere wenn sie von den Medien oder politischen Akteuren verstärkt werden.
Eine verstärkte Regulierung, die eigene technologische Entwicklung in vielen asiatischen Ländern, aber auch die schlechtere Wirtschaftslage sowohl in Deutschland als auch in Asien haben zu einer Reduzierung der M&A-Aktivitäten auf beiden Seiten geführt.
Wie war dies bei Lorch?
Ein tiefes Verständnis für die industrielle Logik in der engen Schweißgerätebranche bildete die Grundlage für die Ableitung einer sehr kurzen Shortlist, darunter OTC Daihen im Rahmen des Transaktionsprozesses. Gleichwohl waren Ansprache, Verhandlungsführung sowie die frühe Abstimmung über den Post-Merger-Prozess mit den sehr interessierten Japanern anspruchsvoll. Um zu einer Transaktion zu kommen, reichten ein grundsätzlicher technologischer Fit und eine strategische Rationale nicht aus. Vielmehr ging es um ein enges Vertrauensverhältnis auf sehr verschiedenen hierarchischen Ebenen.
Hierzu sind persönliche Treffen, am besten direkt in Japan, erforderlich, aber nicht ausreichend. In einer frühen Phase, also noch vor Abgabe eines Non-Binding Offers, reisten die Gesellschafter und ihre Berater nach Japan und konnten so in einer frühen Phase reichlich Vertrauen aufbauen. Unerlässlich ist dabei das Engagement des Inhabers, dem in japanischen Unternehmen eine große Wertschätzung entgegengebracht wird. Das Gleiche gilt für eine perfekte Vorbereitung der Due Diligence und ein hohes Maß an Kommunikation. Wenn beides gelingt, sind auch negative Feststellungen aus der Due Diligence argumentierbar und führen nicht zwangsläufig zu Kaufpreisabzügen.
Lorch ist ein Unternehmen, das innovative Industriegüter entwickelt und vertreibt. Aus globaler Sicht unterscheiden sich die technologischen Ansätze jedoch spürbar zwischen Asien, Europa und USA. Kaum ein Unternehmen ist bisher technologisch so aufgestellt, dass es über verschiedene relevante Technologien in den drei globalen Teilmärkten verfügt.
Bei Lorch war es sehr wichtig, dass mit den neuen Partnern die Zukunft gestaltet werden kann. Es ging nicht einfach um einen Verkauf, sondern vor allem um die Gewinnung eines neuen unternehmerischen Partners, mit dem sich das schwäbische Technologieunternehmen stabiler und zukunftssicherer aufstellen kann. Da japanische Investoren eine sehr langfristige Perspektive haben, ist OTC Daihen ein idealer Partner, mit dem sowohl eine attraktive Nachfolgelösung für den bisherigen Unternehmer als auch eine glaubwürdige Perspektive für Lorch gestaltet werden konnte.
Finanzierungsrestriktionen
Chinesische Investoren können bei Transaktionsprozessen in Deutschland verschiedenen Finanzierungsrestriktionen unterliegen, die sich aus rechtlichen, regulatorischen und praktischen Umständen ergeben. Einige typische Restriktionen sind:
1. Devisenkontrollen
2. genehmigungspflichtige Investitionen
3. Kapitalkontrollen
4. regulatorische Beschränkungen in Deutschland
5. Risikobewertung durch deutsche Behörden
6. politische und geopolitische Risiken
Eine sorgfältige Planung und Beratung durch Fachleute ist entscheidend, um diese Restriktionen zu verstehen und zu bewältigen.
FAZIT
Transaktionen mit asiatischen Investoren hat es vor der Coronapandemie häufig gegeben. Aufgrund einiger negativer Beispiele, insbesondere in Sachen Arbeitsplatzabbau oder Technologieabzug, sind in Deutschland die politischen und gesellschaftlichen Vorbehalte gestiegen. Zu beachten ist, dass viele asiatische Volkswirtschaften mittlerweile selbst über hoch entwickelte Technologien verfügen. Dennoch stellen die Märkte in Asien ein enormes Potenzial dar, und es kann in Transaktionen eine Win-win-Situation entstehen, nämlich immer dann, wenn es zu echten Synergieeffekten kommt und ein strategischer Fit wie im Beispiel der Firma Lorch gegeben ist. In diesen Fällen lassen sich sowohl attraktive Kaufpreise als auch eine zukunftsorientierte Unternehmensstrategie erzielen. Es sollte daher keineswegs auf die Evaluierung dieser Optionen verzichtet werden. In diesem Fall ist vor dem Hintergrund der kulturellen Unterschiede zu beachten, dass die Einbindung eines M&A-Berater mit Asienerfahrung unerlässlich ist.
Dieser Beitrag ist in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 1/2024 mit Schwerpunkt “Unternehmensnachfolge” erschienen.
Volker Wintergerst
Volker Wintergerst ist Managing Partner bei der Wintergerst Societät für Unternehmer-Beratung und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Beratungsbranche. Nach fünf Jahren Verantwortung als Prüfungsleiter von Einzel- und Konzernjahresabschlüssen großer mittelständischer Unternehmensgruppen und Projektleiter im Corporate-Finance-Umfeld war er zehn Jahre geschäftsführender Partner der Unternehmensberatung der Ebner Stolz Gruppe.