Zusammen mit der MBG Thüringen hat Ralf Ressel die Nachfolge beim thüringischen Traditionsunternehmen SHT Suhler Hebezeugtechnik übernommen. VON TORSTEN HOLLER
In der Region Suhl, nicht weit entfernt von der Grenze zu Franken, war die Wiege der deutschen Werkzeugherstellung. Zu den Pionieren der Region gehörte auch Franz Kerner, der vor 100 Jahren eine Fabrik für Förderanlagen gründete. Damit sollte die prosperierende Kaliindustrie in der Nachbarschaft, aber auch Getreide oder Zucker staubfrei transportiert werden. Bald hatte die junge Firma über 100 Mitarbeiter. In späteren Jahren wurden zusätzlich Kleinhebezeuge wie Flaschenzüge oder Hubwagen in großen Stückzahlen gefertigt. Nach der Insolvenz 2004 gründeten mehrere ehemalige Mitarbeiter um den regionalen Unternehmer Dirk Rabestein die SHT Suhler Hebezeugtechnik neu. 2019 suchte Rabestein, inzwischen 58 Jahre alt, über eine Unternehmensbörse den Unternehmensnachfolger.
Stabile Basis gesucht
Dort wurde der 45-jährige Hamburger Ralf Ressel auf das Unternehmen aufmerksam. Ressel hatte bei verschiedenen weltweit agierenden Kranunternehmen als Manager gewirkt und wollte nun den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. „Ich wollte aber in der Branche bleiben. Eine Unternehmensnachfolge erschien mir als interessante Möglichkeit, um nicht von null anzufangen“, schildert er seine Vorstellungen. Drei Kriterien waren wichtig: „Zum einen musste es passen, denn ich wollte Bekanntes anwenden und auch noch etwas dazulernen. Zum Zweiten sollte eine realistische Unternehmensbewertung vorliegen. Oft ist es ja so, dass vor dem geplanten Verkauf der Ertrag in die Höhe schießt. Und zum Dritten sollte das Unternehmen eine stabile Basis haben, auf der ich weiter aufbauen konnte.“
All das konnte ihm Dirk Rabestein bieten. Der Thüringer hatte die Gewinne aus seinem Unternehmen reinvestiert, eine komplette neue Halle gebaut und den Sozialtrakt modernisiert. Dadurch lasteten auf dem Unternehmen – außer einem obligatorischen Betriebsmittelkredit für das operative Geschäft – keine weiteren Kredite. Durch das vielfältige Sortiment konnte der Nachfolger auf mehr als 10.000 Kunden zurückgreifen, wovon auf den größten Abnehmer lediglich 15 Prozent des Umsatzvolumens ausfielen. Zudem war das Unternehmen trotz einer überschaubaren Stammbelegschaft in der Lage, Krananlagen nach Kundenwünschen zu entwickeln; größere Wettbewerber hatten davon Abstand genommen. Rabestein erklärte sich bereit, noch ein Jahr als angestellter Betriebsleiter im Unternehmen zu bleiben. „Das ermöglichte mir, noch einiges dazuzulernen und den Nachfolgeprozess optimal gestalten zu können“, freut sich Ressel. Um den Kaufpreis aufbringen zu können, sah sich Ressel nach einer unterstützenden Finanzierung um.
Guter Eindruck vom Nachfolger
Gemeinsam mit der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft (MBG) Thüringen, der Bürgschaftsbank Thüringen und der Commerzbank als Ressels Hausbank wurde der Kaufpreis finanziert. „Wir hatten einen sehr guten Eindruck vom potenziellen Nachfolger und seinem Erfahrungsschatz“, sagt Stefan Schmidt, Beteiligungsmanager bei der MBG Thüringen, und fügt an: „Außerdem ist die Suhler Hebetechnik in einer sehr interessanten Marktnische aktiv, sodass wir dort gute Zukunftsaussichten sehen. Das hat uns dann bewogen, im Rahmen einer stillen Minderheitsbeteiligung 240.000 Euro in das Unternehmen zu investieren.“ Das zusätzliche Eigenkapital und die staatliche Unterstützung erfreute auch die Hausbank. „Dadurch wurde das Risiko im Zuge der Übernahme breiter gestreut und die Finanzierung wirkungsvoll abgerundet“, so Schmidt.
In den nächsten zehn Jahren wollen die MBG, die Bürgschaftsbank und der Neuunternehmer Ressel gemeinsam die Zukunft des Hebezeugherstellers gestalten. Allen Beteiligten kommt es dabei vor allem auf Kontinuität und organisches Wachstum an. Ressel, der sich selbst als „leidenschaftlicher Programmierer“ bezeichnet, will die Firma nunmehr digitaler aufstellen. „Das Unternehmen ist eine gute Keimzelle dafür“, so Ressel. Zunächst sollen die vielfältigen Produkte im eigenen Onlineshop angeboten, danach die Projektierung digitalisiert werden. Außerdem will Ressel, der immer noch in Hamburg wohnt und jede Woche ins über 500 Kilometer entfernte Suhl pendelt, neue Kunden erschließen: „Ich will hier meine Nord-Connections nutzen und individuelle Kranlösungen für die hier ansässigen Werften sowie die Luft- und Raumfahrtindustrie anbieten.“
Interview mit Ralf Ressel, Geschäftsführer SHT Suhler Hebezeugtechnik GmbH
Unternehmeredition: Herr Ressel, wie kam es zu einer Minderheitsbeteiligung der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft (MBG) Thüringen?
Ressel: Ich bin ganz bewusst auf die MBG zugegangen, um deren Möglichkeiten zu nutzen. So konnte ich im Rahmen der stillen Beteiligung durch die MBG das Eigenkapital für die Finanzierung des Kaufpreises signifikant erhöhen. Das ist zwar mit einer Gewinnbeteiligung von acht Prozent eine teure Form der Finanzierung, aber insgesamt eine wertvolle Hilfe. Deswegen haben wir uns auch auf eine zehnjährige Unterstützung geeinigt.
Welche Unterstützung durch den Freistaat Thüringen haben Sie noch erhalten?
Durch die Bürgschaftsbank Thüringen konnte ich dann einen Großteil der Kredite für den Kaufpreis besichern. Das war im Zuge der Nachfolgeregelung ebenfalls eine sehr gute Unterstützung.
Käufer der Suhler Hebezeugtechnik waren aber nicht Sie direkt, sondern die Beraton Consulting GmbH, deren Hauptgesellschafter Sie sind.
Das hat zum einen steuerliche Vorteile, da hierdurch die Zinsen für die Kaufpreisfinanzierung komplett abgesetzt werden können. Außerdem können alle Erträge der Beratungsgesellschaft in das Unternehmen fließen. Ich selbst bin, obwohl Nachfolger, angestellter Geschäftsführer. Dennoch muss ich auch als Privatperson haften, wenn es schiefgeht.
Kurzprofil SHT Suhler Hebezeugtechnik GmbH
Gründung: 1920
Branche: Werkzeugtechnik
Unternehmenssitz: Suhl
Beschäftigte: 20
Umsatz: 3,3 Mio. Euro
Internet: www.sht-hebezeuge.de
Torsten Holler ist Gastautor.