Hohe Inflation, steigende Zinsen und geopolitische Unsicherheiten – Unternehmer stehen vor der Frage, wie sie ihr Vermögen langfristig sichern und mehren können. Frank Fischer, CEO und CIO der Shareholder Value Management AG, setzt dabei auf den sogenannten Modern-Value-Ansatz. Im Gespräch erklärt er, welche Strategien langfristig Stabilität bieten und welche Fehler es in der Vermögensverwaltung zu vermeiden gilt.
Unternehmeredition: Herr Fischer, wie beeinflussen die aktuellen geopolitischen und makroökonomischen Entwicklungen – insbesondere hohe Inflation, Zinspolitik der Zentralbanken und globale Spannungen – Ihre Investmententscheidungen?
Frank Fischer: In dem aktuell durch Trump und seine Launen besonders anspruchsvollen Investitionsumfeld finden wir wieder vermehrt attraktiv bewertete Firmen. Als Value-Investoren arbeiten wir immer mit Sicherheitsmarge – das heißt, wir zahlen nur 60 Cents für einen Euro Gegenwert. Dem Thema höherer Inflation begegnen wir mit der Auswahl von wunderbaren Unternehmen, die aufgrund ihrer hohen Preissetzungsmacht in der Lage sind, auch höhere Preise an ihre Kunden weiterzugeben. Von den höheren Zinsen profitieren unter anderem unsere Versicherungsaktien wie zum Beispiel die holländische ASR. Ansonsten bevorzugen wir Firmen mit hohen Kapitalrenditen und ordentlichem Free Cash Flow. Wir lieben goldgeränderte Bilanzen, also Firmen, die eine hohe Netto-Kasse-Position aufweisen oder, je nach Geschäftsmodell, maximal eine geringe Verschuldung aufweisen.
Sie haben den Investmentansatz „Modern Value“ entwickelt. Wie unterscheidet sich dieser von traditionellen Value-Strategien?
Unser Modern-Value-Ansatz basiert auf einem Kernelement, das Warren Buffett und Charlie Munger bereits vor Jahrzehnten entwickelten: Es ist besser, in großartige Firmen zu einem fairen Preis zu investieren, als in mittelmäßige zu einem günstigen. Munger zeigte schon in den 1990er-Jahren, dass Berkshire Hathaways hohe Erträge nicht allein aus klassischem Value Investing stammten, sondern aus einem angepassten Stil. Wir investieren mit Sicherheitsmarge, legen aber noch mehr Wert auf Qualität. Unser eigener Ansatz kombiniert verschiedene Faktoren der Aktienauswahl und basiert auf den vier Prinzipien des Value Investing: Sicherheitsmarge („Margin of Safety“), investiere in Unternehmer („Business-Owner-Prinzip“), wirtschaftlicher Burggraben („Economic Moat“) und schließlich die Psychologie der Börse („Mr. Market“). Das ermöglicht uns attraktive Renditen bei reduziertem Risiko, wie unser Frankfurter UCITS-ETF – Modern Value zeigt, der seit 2020 jährlich rund 14 % wächst.
Wie identifizieren Sie „wunderbare Unternehmen“ für Ihre Investmentstrategien? Gibt es aktuelle Beispiele für Unternehmen, die diesem Profil entsprechen?
Ein schönes Beispiel für ein wunderbares Unternehmen ist die norwegische Storebrand, die derzeit auch die größte Position in unserem Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen repräsentiert. Der Markt für betriebliche Altersvorsorge bietet stabiles Wachstumspotenzial. Storebrand ist in diesem Segment ein führender Anbieter in Norwegen und Schweden. Dort laufen nun die eigenkapitalintensiven Fonds-Garantieprodukte aus, und das frei werdende Eigenkapital wird ausgeschüttet und für Aktienrückkäufe genutzt. Diese Transformation bietet Storebrand bis über das Ende des Jahrzehnts hinaus stabiles Wachstum und schöne Ausschüttungsrenditen durch das frei werdende Kapital. Daher ist Storebrand ein spannender Finanzwert mit langfristig planbaren Erträgen und stabilem Wachstum – für uns also ein wunderbares Unternehmen, das sowohl im Frankfurter UCITS-ETF – Modern Value als auch im Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen vertreten ist.
Bei den Rückversicherern schätzen wir besonders die französische Scor. Im Mai 2023 startete Thierry Léger, der vorher als Chief Underwriting Officer bei der Swiss Re tätig war, als neuer CEO. Am Tag der Bekanntmachung ist die Aktie der Swiss Re um circa 6% gefallen, aber die Scor-Aktie hat sich nicht bewegt. Warum nicht? Weil Léger erst einmal aufräumen musste! Low Performer wurden ausgetauscht und Reserven gebildet. Léger legt die Grundlage dafür, dass sich die Unternehmenskultur nachhaltig verbessert und die Firma zu Konkurrenten wie der Hannover Rück oder der Münchener Rück aufschließt. Das heißt für mich: Jetzt bekomme ich diese Aktie noch zu einem guten Preis und mit einer sehr ordentlichen Dividende. Ich glaube, dass uns dieser Kulturwandel noch viele Jahre Spaß machen wird.
Welche Rolle spielen eigentümer- oder familiengeführte Unternehmen in Ihrem Investmentportfolio?
Wir investieren besonders gerne in familien- oder eigentümergeführte Unternehmen mit einem wirtschaftlichen Burggraben. Worauf wir in letzter Zeit noch stärker den Schwerpunkt legen, sind kulturelle Aspekte und die Integrität des Managements, was wir durch Unternehmensbesuche und Managementmeetings verstärkt analysieren.
Gerade der langfristige Anlageerfolg von Unternehmen hängt sehr stark an der Unternehmenskultur. Das haben zahlreiche wissenschaftliche Studien unter Beweis gestellt. Während kurzfristige psychologische Faktoren die Preise an den Börsen bestimmen, sorgen mittel- bis langfristig die begeisterten Mitarbeiter für zufriedene Kunden, und damit steigt die Ertragskraft des Unternehmens nachhaltig. Dadurch werden wir als Mitaktionäre in einer wunderbaren Firma auch hervorragend belohnt.
Welche Branchen oder Sektoren halten Sie derzeit für besonders attraktiv für langfristige Investments von Unternehmervermögen?
Auf Branchenebene halten wir nach wie vor den Software- und Technologiebereich sowie das Gesundheitswesen für attraktiv.
Gerade der Diagnostikbereich ist besonders spannend mit Firmen wie der familiengeführten französischen bioMérieux und der italienischen DiaSorin.
Darüber hinaus finden wir sogenannte Zinseszinsmaschinen hochinteressant. Im Bereich der Spezial-Chemie-Distribution finden wir Firmen wie Azelis oder IMCD, die neben dem organischen Wachstum auch durch serielle Akquisitionen wachsen, besonders reizvoll, insofern die Übernahmen im Kerngeschäft und zu günstigen Preisen erfolgen. Die Cashflows dieser Firmen können hochrentierlich wieder angelegt werden.
Inwiefern beeinflussen ESG-Kriterien Ihre Investmententscheidungen?
Schwerpunkt unserer hausinternen Nachhaltigkeitsstrategie ist eine umfangreiche Liste von Ausschlusskriterien zur Sicherstellung eines Portfolios ohne nicht-nachhaltige Zielinvestments sowie die Einhaltung mehrerer Kodizes transnationaler Vereinigungen zur Förderung von nachhaltigen Investments. Wir kompensieren zudem seit 2020 die Treibhausgasemissionen, die durch unsere Geschäftstätigkeit entstehen.
Abschließend: Welche Fehler sollten Unternehmer bei der Vermögensverwaltung unbedingt vermeiden?
Werden Sie selbst nicht zum Opfer der Launen des Kapitalmarkts, sondern bedienen Sie sich an seinen Launen. Oder, um Buffett zu zitieren: „Be fearful when others are greedy and be greedy only when others are fearful.“ Darüber hinaus gilt für mich: Realkapitalerhalt funktioniert am besten mit Realwerten. Neben Aktien gehören Immobilien für mich dazu und als Beimischung auch etwas Gold.
Lieber Herr Fischer, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!
Das Interview führte Eva Rathgeber.
ZUM INTERVIEWPARTNER
Frank Fischer ist Vorstandvorsitzender (CEO) der Shareholder Value Management AG und übt dort die Funktion des Chief Investment Officers (CIO) aus. Er ist auch Aufsichtsratsvorsitzender der Intershop Communications AG. Von November 2009 bis Mai 2014 war Fischer außerdem Mitglied des Verwaltungsrats der Pulsion Medical Systems SE. Bis Ende 2005 war er als Geschäftsführer von Standard & Poor‘s Fund Services (vormals Micropal GmbH) zuständig für Investmentfondsinformationen und -ratings.
👉 Diese Fallstudie ist auch in der Unternehmeredition 1/2025 mit Schwerpunkt “Unternehmensnachfolge” erschienen.