Ökologische Aspekte spielen bereits seit geraumer Zeit sowohl in neugegründeten als auch in etablierten Unternehmen eine wichtige Rolle bei Zukunftsentscheidungen. Dagegen werden digitale Technologien eher von Gründerinnen und Gründern als in etablierten Unternehmen eingesetzt. Zu diesem Ergebnis kommen Dr. Natalia Gorynia-Pfeffer und Julia Schauer (beide RKW Kompetenzzentrum, Eschborn) in ihrem aktuellen Policy Brief für die Publikationsreihe “Unternehmertum im Fokus”, die vom Förderkreis Gründungs-Forschung und IfM Bonn herausgegeben wird.
Die ermittelte Gründungsquote im GEM-Bericht (Total early-stage Entrepreneurial Activity – TEA) erfasst nicht nur den prozentualen Anteil an Personen zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland, die bereits innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre ein Unternehmen gegründet haben, sondern auch diejenigen Menschen, die sich zum Zeitpunkt der Befragung aktiv mit einem eigenen Gründungsvorhaben beschäftigen, dieses aber noch nicht umgesetzt haben. Beide Personengruppen werden in diesem Beitrag als „Grün-dende“ zusammengefasst. Darüber hinaus werden ergänzend Daten zu den etablierten Unternehmen erhoben. Diese werden von Personen geführt, die schon seit mehr als dreieinhalb Jahren Gehälter, Gewinne oder Sachleistungen aus der Gründung zahlen beziehungsweise erhalten, die Inhabende oder Teilhabende sind und sich in der Geschäftsleitung aktiv verantworten.
Coronapandemie brachte Digitalisierungsschub
Die COVID-19-Pandemie hat 2021 in den meisten Ländern einen Digitalisierungsschub ausgelöst, indem Gründende in direkter Reaktion auf die veränderten Bedingungen zusätzliche digitale Technologien in ihren Betrieben eingeführt haben. 36,5% der TEA-Gründenden und 31% der etablierten Unternehmen in Deutschland stimmten 2021 der Aussage zu, dass die Pandemie neue Geschäfts-möglichkeiten eröffnet habe. Um bei der digitalen Transformation mithalten zu können, müssten Unternehmen schnelle und effiziente Wege finden, ihr Geschäftsmodell und ihre Geschäfts- und Produktionsprozesse an die neuen Anforderungen und Möglichkeiten der digitalen Wirtschaft anzupassen.
27% der TEA-Gründenden gaben an, dass ihr Unternehmen als Reaktion auf die Coronapandemie erstmals digitale Technologien genutzt hat, um Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen. Die jungen Unternehmen sind meist flexibel, innovativ und können häufig schneller auf geänderte Bedingungen reagieren. Bei 19% der TEA-Gründenden wurden die Pläne, digitale Technologien vermehrt einzusetzen, bereits vor der Pandemie erweitert. Dagegen haben nur knapp 13% der etablierten Unternehmerinnen und Unternehmer angegeben, dass sie digitale Technologien als Reaktion auf die Coronapandemie eingeführt haben. Komplexe interne Arbeits- und Entscheidungsfindungsprozesse bei den etablierten Unternehmen erschwerten es, ihre Geschäftsmodelle und -abläufe zu digitalisieren und ihre Produkte und Dienstleistungen entsprechend anzupassen und weiterzuentwickeln. Zudem weist beispielweise eine KfW-Studie (Zimmermann 2021, S. 1) darauf hin, dass es die aufgrund der Coronapandemie angespannte finanzielle Lage den Unternehmen erschwerte, entsprechende Aktivitäten zu finanzieren. Die Relevanz von digitalen Technologien zeichnete sich 2021 in nahezu allen betrachteten GEM-Ländern mit hohem Einkommen sowohl bei den Gründenden als auch bei etablierten Unternehmen ab. In Deutschland erwarteten insgesamt 42% der Gründenden sowie 22% der etablierten Unternehmerinnen und Unternehmer, in den nächsten sechs Monaten (ab Befragungszeitpunkt) mehr digitale Technologien zu nutzen.
Soziale Aspekte für Gründende wichtiger
Infolge der COVID-19-Pandemie ist die Bedeutung der Umsetzung von nachhaltigen Wirtschaftskonzepten und umweltpolitischen Maßnahmen wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit getreten. Auch Unternehmen sind gefordert, auf diesem Feld mehr Verantwortung zu übernehmen und nicht mehr nur ökonomisch, sondern auch sozial und ökologisch nachhaltig zu agieren.
Im Rahmen der GEM-Bevölkerungsbefragung wurden Unternehmerinnen und Unternehmer gefragt, welchen Stellenwert sie sozialen und ökologischen Nachhaltigkeitsthemen beimessen. Vergleicht man hier die Gründenden junger Unternehmen mit etablierten Unternehmerinnen und Unternehmern, fällt auf, dass für Gründende vor allem soziale Aspekte eine höhere Bedeutung haben (siehe Abb.). So geben 44 % der Gründenden an, im vergangenen Jahr (vor Befragungszeitpunkt 2021) Maßnahmen ergriffen zu haben, um die soziale Wirkung ihres Unternehmens zu maximieren. Nur etwas mehr als ein Drittel (36,4 %) aller etablierten Unternehmerinnen und Unternehmer haben solche Maßnahmen ergriffen. Am deutlichsten fallen die Unterschiede bei der Aussage “Wenn Sie Entscheidungen über die Zukunft Ihres Unternehmens treffen, berücksichtigen Sie immer die sozialen Auswirkungen“. Ganze 70% der Gründenden berücksichtigen immer die sozialen Auswirkungen bei Zukunftsentscheidungen, während dies nur ca. die Hälfte (55, 6%) der etablierten Unternehmerinnen und Unternehmer tut. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Untersuchungen des Deutschen Social Entrepreneurship Monitors, die zeigen, dass Unternehmen mit spezifischem sozialem Fokus in Deutschland über-wiegend junge Unternehmen sind (Kiefl et al. 2022, S. 22).
Kaum Unterschiede bei Umweltaspekten
Kaum Unterschiede zwischen jungen und etablierten Unternehmerinnen und Unternehmern sind hingegen bei der Berücksichtigung von Umweltaspekten zu erkennen. Erfreulicherweise berücksichtigt bereits die Mehrheit der jungen Unternehmen (62,6 %) und der etablierten Unternehmerinnen und Unternehmer (64,8 %) immer die Auswirkungen auf die Umwelt, wenn sie Entscheidungen über die Zukunft Ihres Unternehmens treffen. Etwas geringer fällt im Jahr 2021 noch die konkrete Umsetzung dieser Maßnahmen aus: Etwa die Hälfte der etablierten Unternehmen (51,1%) und der jungen Unternehmen (53%) haben laut Aussage der Inhaberinnen und Inhaber im vergangenen Jahr (ab Befragungszeitpunkt) bereits Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen ihres Unternehmens auf die Umwelt zu minimieren. Dass Nachhaltigkeitsaspekte zwar bereits eine wichtige, aber nicht immer prioritäre Rolle bei Unternehmensentscheidungen spielen, zeigt ebenfalls das folgende Ergebnis: Nur knapp die Hälfte der Gründenden (46%) und ca. 40% der etablierten Unternehmerinnen und Unternehmer priorisiert tatsächlich die sozialen und/oder ökologischen Aus-wirkungen ihres Unternehmens über Rentabilität oder Wachstum.
Die Ergebnisse machen deutlich, dass viele Gründende in Deutschland bezüglich der Digitalisierung und Nachhaltigkeit gut aufgestellt sind, es jedoch auch noch ein gewisses Wachstumspotenzial gibt. Hier sind Weiterbildungsprogramme und Schulungsangebote hilfreich, durch die digitale und nachhaltigkeitsorientierte Kompetenzen vermittelt und aufgebaut werden. Gleichzeitig ist es wichtig, die Vermittlung digitaler sowie ökologischer und sozialer Schlüsselkompetenzen bereits in den Schulen zu fördern und auszubauen.
Den zweiseitigen Policy Brief “Wie sich junge und etablierte Unternehmen bezüglich Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsbestreben unterscheiden” finden Sie auf der Internetseite des IfM Bonn.