Eine Vielzahl von Gründen spricht für eine frühzeitige Einbindung junger Familienmitglieder: Die Rolle als Gesellschafter wertet das junge Familienmitglied auf. Durch die gesellschaftsrechtliche Beteiligung entsteht in aller Regel ein frühzeitiges Interesse am Familienunternehmen. Die Junioren werden schon in jungen Jahren mit den strategischen Herausforderungen der Unternehmensleitung, den rechtlichen Regelungen des Gesellschaftsvertrags, den steuerlichen Rahmenbedingungen sowie den betriebswirtschaftlichen Realitäten vertraut gemacht. Nicht selten führt dies dazu, dass sich bei einzelnen Junioren ein intrinsisches Interesse entwickelt, eines Tages die Unternehmensleitung zu übernehmen. Hand aufs Herz: Ist das nicht das erklärte Ziel vieler Unternehmerfamilien – neben der Weitergabe der Unternehmensanteile den eigenen Sohn oder die eigene Tochter an der Unternehmensspitze zu sehen?
Frühzeitige Einbindung aus steuerlicher Sicht interessant
Eine langfristig angelegte Nachfolgeplanung eröffnet Gestaltungsspielräume. Bekanntlich werden bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer Vermögensübertragungen zwischen zwei Personen innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren zusammengerechnet. Daher lassen sich bei einer gestaffelten Anteilsübertragung die steuerlichen Freibeträge von 400.000 EUR pro Kind mehrfach nutzen. Im Bereich des begünstigten Betriebsvermögens (§§ 13a, 13b ErbStG) lässt sich durch eine solche Maßnahme selbst bei Unternehmen mit einer zu hohen Verwaltungsvermögensquote oder bei Existenz schädlicher junger Finanzmittel oder jungen Verwaltungsvermögens die Steuerbelastung gegebenenfalls auf null reduzieren. Bei großen Unternehmensvermögen über 26 Mio. EUR lässt sich auf diese Weise die Anwendung der speziell vom Gesetzgeber für Großerwerbe eingeführten Sondervorschriften des sogenannten Verschonungsabschlags (§ 13c ErbStG) beziehungsweise der Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG) zugunsten des Steuerpflichtigen ausschalten. Kurzum: Je jünger die Familienmitglieder bei der ersten Anteilsübertragung sind, desto größer ist der steuergestalterische Spielraum.
Beschränkung der Gesellschaftsrechte
Um Gefahren vorzubeugen, die aus der individuellen Familienunternehmenssituation resultieren, empfiehlt es sich in der Praxis, die Rechte des jungen Familiengesellschafters in verschiedenen Dimensionen zu beschränken. Im weitestgehenden Fall wird der Junior gesellschaftsrechtlich noch gar nicht am Unternehmen, sondern zum Beispiel im Wege einer Unterbeteiligung lediglich am Gesellschaftsanteil der Eltern beteiligt. Es erfolgt lediglich eine wirtschaftliche Gleichstellung des Unterbeteiligten mit einem Gesellschafter. Die „Gesellschaftsrechte“ des Juniors erstrecken sich einzig auf das Innenverhältnis zum Vater oder zur Mutter.
Soll die nächste Generation hingegen am Unternehmen direkt beteiligt, aber lediglich der Einfluss der Junioren in der Gesellschafterversammlung beschränkt werden, um allzu selbstbewusste Nachfolger vor Fehlentscheidungen zu schützen, bieten sich Stimmbindungsverträge oder Sonderrechte der Senioren („Golden Shares“, Mehrfachstimmrechte et cetera) an. Ist das nicht gewünscht oder durchsetzbar, beispielsweise wenn bereits mehrere Gesellschafterstämme bestehen, lässt sich gegebenenfalls das Quorum zentraler Gesellschafterbeschlüsse so wählen, dass keine Blockademöglichkeiten für die Junioren bestehen.
Beschränkung der Gewinn- oder Entnahmerechte
Der Gewinnanteil oder die Entnahme der Junioren lässt sich über den Umfang der verschenkten Gesellschaftsanteile einfach steuern. Wird aus steuerlichen Gründen die Übertragung eines größeren Anteils empfohlen, beispielsweise von 25,1% der Gesellschaftsanteile statt der beabsichtigten 5%, und bestehen bei einer solchen Beteiligung Sorgen vor den Auswirkungen einer zu umfangreichen Gewinnausschüttung, lässt sich der Gewinnanteil der Junioren über disquotale Gewinnverteilungsrechte, individuelle Nießbrauchsregelungen oder spezielle Thesaurierungsregelungen begrenzen. Um zu verhindern, dass junge Familiengesellschafter ihre Gesellschaftsanteile veräußern, sollten letztere vinkuliert oder ihre Fungibilität gesellschaftsvertraglich (zum Beispiel durch Zustimmungsvorbehalte) eingeschränkt werden. Auch die Möglichkeit einer Kündigung der Gesellschaft sollte zeitlich und der Höhe nach maßvoll beschränkt werden, um zu verhindern, dass der „störrische“ Junior auf diese Weise versucht, die Vermögenssubstanz seines Gesellschaftsanteils zu liquidieren.
FAZIT
Aus dem Fall Bahlsen lassen sich keine tragfähigen Argumente ableiten, die gegen eine frühzeitige Einbindung junger Familienmitglieder sprechen. Der Fall ist kaum verallgemeinerungsfähig. Obgleich die Aussage eine gewisse Geschichtsvergessenheit der Unternehmenserbin dokumentiert, lässt dies selbst für die Zukunft des Unternehmens keine Rückschlüsse darauf zu, wie Frau Bahlsen ihre Verantwortung als Gesellschafterin der Unternehmensgruppe wahrnehmen wird. Der Umstand, dass kein Kind von Werner Michael Bahlsen in die Unternehmensleitung einziehen wird, macht die Nachfolgeplanung der Familie auch zu keinem Misserfolg. Es mag gute Gründe dafür geben, dass die Familie sich für ein externes Management entschieden hat.
Die frühzeitige Einbindung junger Familienmitglieder als Gesellschafter garantiert keine erfolgreiche Unternehmensnachfolge. Bei richtiger Umsetzung überwiegen nach unserer Erfahrung eindeutig die Vorteile. Die junge Generation wird ans Unternehmen herangeführt. Es entsteht eine emotionale Bindung zum Unternehmen. Die Familie hat die Gelegenheit, über einen längeren Zeitraum zu beobachten, wie sich das Familienmitglied in seiner Rolle als Gesellschafter bewegt. Daraus können Rückschlüsse für weitere Nachfolgemaßnahmen gezogen werden. Gesellschaftsrechtliche Schutzmaßnahmen gewährleisten eine Kontrolle der Senioren und ein Hineinwachsen der Junioren in die Rolle des Gesellschafters. Aus steuerplanerischer Sicht ist die frühzeitige Einbindung junger Familienmitglieder gerade für Unternehmen mit hoher Verwaltungsvermögensquote, große Familienunternehmen oder Familiengesellschaften, denen die Begünstigungsregelungen für Betriebsvermögen nicht zur Verfügung stehen, attraktiv.
Dieser Beitrag ist in der Unternehmeredition 1/2021 erschienen.