Wann soll man verkaufen? Wie soll man verkaufen? Mit einem M&A-Profi arbeiten? Einem Unternehmer stellen sich bei einem möglichen Verkauf viele Fragen. Wir sprachen über das kleine Einmaleins des Unternehmensverkaufs mit Patrick Seip, Managing Director von sonntag corporate finance und der Nachfolgekontor GmbH. INTERVIEW ALEXANDER GÖRBING
Unternehmeredition: Herr Seip, ab wann sollte man sich Gedanken über eine Unternehmensnachfolge machen? Gibt es da einen optimalen Zeitpunkt oder einen „Tag X“ Wie sieht hier Ihre Erfahrung aus?
Patrick Seip: Den einen „Tag X“ gibt es nicht. Aus meiner Sicht gilt aber dabei: Zu früh gibt es nicht. Einen Plan sollte jeder Unternehmer unabhängig vom Alter in der Schublade haben. Schließlich geht es hierbei nicht um irgendeine unwichtige operative Entscheidung, sondern um den Fortbestand des Unternehmens in Zukunft. Entsprechende Würdigung verdient das Thema. Es kann beispielsweise auch ein Notfall eintreten, der Unternehmer fällt aus. Auch dafür braucht es Regelungen. Und wenn ein Alter von 60 überschritten ist, dann wird es eigentlich höchste Zeit. Ist das Unternehmen nicht vorbereitet, kann sich eine Nachfolgeregelung hinziehen, es kann immer etwas dazwischenkommen – wie zuletzt Corona oder die Energiekrise durch den Ukrainekrieg. Grundsätzlich sollte ein Unternehmer regelmäßig in sich hineinhören und fragen, ob er noch für seine Firma und die weitere Entwicklung brennt. Ist das nicht mehr der Fall, kann es richtig sein, sich selbst zurückzunehmen und das Unternehmen und die langjährigen Mitarbeiter in den Mittelpunkt zu rücken.
Brauche ich zur Vorbereitung eines Verkaufs externe Hilfe?
Man kann diesen ganzen Prozess auch selbst machen – im Prinzip ist das möglich. Die Begleitung ist aufwändig und sie kostet viel Zeit und Nerven. Genau das also, wovon der typische Unternehmer am wenigsten hat. Man muss sich intensiv damit beschäftigen. Ein Unternehmer muss sich schon die Frage stellen, ob er das neben den tagtäglichen Aufgaben der Betriebsführung gewährleisten kann. Ist ein Verkaufsprozess mal in vollem Gange, muss dafür immer ausreichend Zeit eingeplant werden, Verzögerungen sind Gift. Da helfen auch keine operativen Ausreden. Es ist also in jedem Fall besser, einen Experten für die Prozessführung und Entscheidungsvorbereitung hinzuzuziehen. Der kann auch dabei helfen, zunächst den „Status Quo“ festzustellen und eine realistische und aktuelle Wertermittlung vorzunehmen. Erfahrene Berater kennen die Fallstricke einer Übergabe. Ich muss nicht die gleichen Fehler machen, wie viele vor mir. Es geht vor dem eigentlichen Verkaufsprozess auch darum, die Attraktivität zu beurteilen und eventuell mit genügend Vorlauf zu steigern oder die Verkaufsfähigkeit erst herzustellen.
Was hat sich auf dem Markt der Unternehmensnachfolge getan?
Die letzten Jahre haben dazu geführt, noch viel stärker in die Zukunft zu denken. Jedes Geschäftsmodell steht mittlerweile auf dem Prüfstand. Was über Jahrzehnte erfolgreich war, kann übermorgen schon obsolet sein. Die großen Herausforderungen unserer Zeit wie der Klimawandel, befeuern bestehende Megatrends oder rufen neue hervor. Es ist noch wichtiger geworden, vorausschauend zu denken, kommende Entwicklungen vorwegzunehmen und dann auch flexibel und schnell zu handeln. Profiteure von diesen Entwicklungen sind unter anderem Spezialisten aus den verschiedensten Branchen mit Fokus auf Themen wie Erneuerbare Energien, Infrastrukturausbau, Digitalisierung und Automatisierung, Bildung, Mobilität oder Sicherheit. Bei den Motiven für Übernahmen sind Nachhaltigkeit, Technologievorsprung, Erweiterung des bestehenden Geschäftsmodells oder auch Risikoallokation vorherrschend. Renditeorientierte Investoren bauen verstärkt auf alternative Strategien, um den fehlenden Leverage-Effekt zu kompensieren. Es geht immer häufiger um die Frage „wie kann ich mein Portfolio gezielt und sinnvoll ergänzen?“. Dadurch sind „Buy-and-Build“-Strategien gerade in fragmentierten Branchen weiter auf dem Vormarsch. Das macht auch kleine Unternehmen für Private Equity interessant und schafft neue Optionen für die Nachfolge.
Wo finde ich externe Berater für den Unternehmensverkauf am besten? Und was zeichnet einen guten M&A-Berater aus Ihrer Sicht besonders aus?
Der Markt ist mittlerweile sehr intransparent. Das macht unter anderem die Abgrenzung zwischen Berater und Vermittler schwierig. Ich rate immer dazu, bei der Suche und Auswahl gewissenhaft vorzugehen und neben dem Bauchgefühl auch eine zweite Meinung, zum Beispiel durch den vertrauten Steuerberater oder Rechtsanwalt, einzuholen. Objektive Kriterien können sogenannte League Tables sein. Das sind Rankings, die einmal pro Quartal Beratungshäuser, nach der Anzahl ihrer erfolgreich abgeschlossenen Transaktionen in verschiedenen Größensegmenten und Regionen listen. Das größte Qualitätsmerkmal ist jedoch Kontinuität. Wer es in einem volatilen Beratermarkt schafft, sich über einen langen Zeitraum hinweg mit hoher Deal-Aktivität positiv zu entwickeln, kann zwangsläufig keine schlechte Wahl sein. Ähnliche Referenzen weisen zudem auf ein gutes Netzwerk und Erfahrungen aus vergleichbaren Transaktionen hin. Der Fokus des Beratungshauses sollte zur Unternehmensgröße passen, damit das Vorhaben auch die verdiente Aufmerksamkeit erhält.
Wie sieht aus Ihrer Sicht eine optimale Vorbereitung für einen Unternehmensverkauf aus? Welche Informationen werden seitens des Unternehmers benötigt?
Eine optimale Vorbereitung startet weit vor dem eigentlichen Verkaufsprozess. Es geht vor allem darum, Abhängigkeiten vom Inhaber zu reduzieren, wichtige Geschäftsbeziehungen zu Kunden oder Lieferanten abzusichern oder breiter aufzustellen sowie Transparenz im Zahlenwerk zu schaffen. Viele Unternehmer versteuern die Veräußerungsgewinne leider auf privater Ebene, obwohl Sie den Erlös möglichst steuerneutral in andere Vorhaben reinvestieren möchten. Hier sind Steuerberater in der Pflicht, frühzeitig geeignete Strukturen aufzusetzen. Schlussendlich kann das Unternehmen noch so gut aufgestellt sein, wenn der Unternehmer nicht bereit ist emotional loszulassen.
Steht der Prozess an, gilt es für uns nicht nur die Finanzkennzahlen, sondern das Unternehmen als Ganzes mit seinem einzigartigen Geschäftsmodell umfassend zu verstehen. Dieser Prozess führt häufig dazu, dass auch der Unternehmer seinen Betrieb nochmals viel besser kennenlernt. Im Kern geht es um die realistische Ermittlung von Chancen und Risiken sowie der Marktposition und den zugrundeliegenden Alleinstellungsmerkmalen. Das Verständnis von Technologien, Prozessen, der Verteilung des Umsatzes nach Produkten, Dienstleistungen und Regionen lässt uns strategische Anknüpfungspunkte zu möglichen Investoren ableiten.
Wir empfehlen unseren Mandanten nach Möglichkeit immer, im Prozess Alternativen aufrechtzuerhalten und wenn überhaupt, Exklusivitätsphasen kurz zu halten. Unsere zentrale Aufgabe ist es dann, unterschiedliche Investorentypen entsprechend zu würdigen und mit den für die Entscheidung relevanten Informationen zu versorgen. Entsteht dann noch eine Vertrauensbasis zwischen Verkäufer und Käufer, lassen sich auf der Zielgeraden meist sogar die kniffligsten Vertragsklauseln aus dem Weg räumen.
Welche Fehler in der Vorbereitung und Durchführung sollte man unbedingt vermeiden? Vielleicht nennen wir hier eine Art Top-Liste für beide Phasen vor und während des Verkaufs.
Ein häufiger Fehler besteht darin, zu spät oder überhaupt nicht mit den Vorbereitungen anzufangen. Zeit und Potenziale, die hier verlorengehen, lassen sich meist nicht mehr aufholen und sorgen je nach individueller Ausgangssituation für Verkaufsdruck und schlechtere Bedingungen. Timing ist wichtig, dennoch sollte es nicht das Ziel sein, auf dem Peak zu verkaufen, gegebenenfalls sogar noch durch kurzfristige Kosteneinsparungen, die langfristig die Wettbewerbsfähigkeit in Frage stellen. Überschreitet das Unternehmen während des Prozesses sein Zenit und bricht die Auftragslage weg, liegt das Vorhaben erstmal auf Eis und verzögert sich weiter. Während des Verkaufsprozesses passieren die häufigsten Fehler bei der Auswahl der geeigneten Kandidaten. Die Nachhaltigkeit des Interesses wird überschätzt, Alternativen frühzeitig über Bord geworfen und die Festlegung der wesentlichen Parameter auf die lange Bank geschoben. Passen die Rahmenbedingungen und das Momentum ist gut, haben unnötige Verzögerungen keinen Platz und gefährden den Projekterfolg. Käufer stellen die Verkaufsabsicht in Frage und fokussieren sich auf andere Investitionsmöglichkeiten.
Wie lange dauert normalerweise ein solcher Verkaufsprozess?
Der eigentliche Verkaufsprozess im Zuge einer Nachfolgeregelung dauert sechs bis zwölf Monate. Der Durchschnitt liegt bei neun bis zehn Monaten. Es kann auch mal länger dauern, wenn es beim ersten Mal nicht klappt, es zu unnötigen Verzögerungen aufgrund mangelnder Vorbereitung kommt oder regulatorische Freigaben erforderlich sind. Es geht sicher auch „quick & dirty“. Das ist aber nur selten mit optimalen Konditionen und einer gewissenhaften und fundierten Auswahl des richtigen Partners für die Zukunft des Unternehmens und der Mitarbeiter vereinbar. Zudem haben vorbereitete Inhaber erfolgreicher Unternehmen keinen Zeitdruck. Da darf man sich auch ein wenig Zeit gönnen, um das Bauchgefühl und den Nasenfaktor mitentscheiden zu lassen.
Ist erkennbar, dass die Unternehmensverkäufer immer jünger werden? Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Ja. Gut ist, dass sich Unternehmer heutzutage tendenziell früher mit dem Thema beschäftigen, wenn Sie erkennen, dass es weder familienintern noch betriebsintern Kandidaten für die Nachfolge gibt. Auch geänderte Lebensplanmodelle sorgen für frühere Exits. Die letzten Jahre haben vielen gezeigt, dass es auch noch ein Leben neben dem Unternehmertum gibt. Dazu kommen vermehrt diejenigen, die bei Gründung bereits einen klaren Plan für den Verkauf entwickeln. Dadurch entsteht im Ergebnis eine hohe Dunkelziffer an anstehenden Nachfolgeregelungen, die in den veröffentlichten Zahlen, zum Beispiel vom IfM Bonn, nicht enthalten sind. Insgesamt werden die Verkäufer zwar jünger, bringen aber gleichzeitig die für das Gelingen einer Nachfolge so wichtige Bereitschaft für eine mehrjährige Übergangsphase mit.
Welche externen Finanzierungsmöglichkeiten im Zuge eines Verkaufs gibt es?
Wenn Banken restriktiver und klassische Kredite um ein Vielfaches teurer werden, sind Eigenkapital, Kreativität und eine höhere Bereitschaft zur Risikoteilung gefragt. Genau das stellen wir aktuell fest. Eigenkapital spielt wieder eine deutlich größere Rolle, zudem gibt es aber auch einige Innovationen am Markt, die unter anderem für mehr Möglichkeiten und Transparenz sorgen. Es tut sich eine Menge. Aber auch in der Vergangenheit waren Akquisitionsfinanzierungen meist Mischungen aus Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichen Mitteln, Bankdarlehen, Verkäuferdarlehen und gegebenenfalls Fördermitteln. Das ist im Kern auch heute noch so, vielleicht nur mit einer anderen Gewichtung und stärker ergänzt durch Private Debt, Factoring oder Sale-and-Lease-Back.
Herr Seip, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!
ZUR PERSON
Patrick Seip legte sein Diplom in Wirtschaftsmathematik an der Philipps-Universität Marburg ab. Seit 2016 ist Seip Managing Director von sonntag corporate finance sowie seit 2018 auch Managing Director bei der zur Gruppe gehörenden Nachfolgekontor GmbH. Gemeinsam mit Julian Will hat er den internen Management-Buy-out initiiert und umgesetzt. Beide sind heute Hauptgesellschafter der mittelständischen Beratungsgruppe und weisen die Erfahrungen aus über 100 erfolgreich abgeschlossenen Projekten auf.
Dieser Beitrag ist in der aktuellen Magazinausgabe 3/2023 der Unternehmeredition mit Schwerpunkt “Unternehmensverkauf” erschienen.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.