Eine aktuelle Studie des Marktforschungsinstituts Verian im Auftrag der Unternehmensberatung FTI-Andersch zeigt eine dramatische Entwicklung im deutschen Non-Food-Einzelhandel. Mehr als ein Drittel der Einzelhändler plant, bis Ende 2024 eine Restrukturierung einzuleiten oder abzuschließen. Hauptziele: Kostenreduktion, Arbeitsplatzabbau und strategische Neuausrichtung. Die Hälfte der befragten Händler zieht einen gezielten Stellenabbau in Betracht. Zusätzlich plant fast jeder fünfte Händler laut der Studie Filialschließungen. Zum Vergleich: In der Industrie gibt nur jedes vierte Unternehmen an, Stellen reduzieren zu wollen. Die Gründe liegen in der negativen Geschäftsentwicklung, die fast die Hälfte der Händler für das kommende Jahr erwartet.
Dorothée Fritsch, Managing Director bei FTI-Andersch, warnt: „Insolvenzen könnten schnell zu einem Domino-Effekt führen. Rabattschlachten, skeptische Finanzierer und ein Attraktivitätsverlust der Innenstädte verschärfen die Situation.“ Trotz geplanter Stellenkürzungen kämpfen viele Händler mit dem Fachkräftemangel. Besonders betroffen ist der Handel, wo fast alle der befragten Unternehmen Schwierigkeiten bei der Mitarbeiterbindung und -gewinnung haben. Dies stehe im Kontrast zur Industrie, wo dies nur zwei Drittel der Unternehmen betrifft. Der steigende Bedarf an qualifiziertem Personal, insbesondere im Bereich Digitalisierung und Supply Chain Management, verschärft die Problematik weiter. Fritsch ergänzt: „Am Point of Sale benötigen Händler qualifizierte Mitarbeiter, um den gestiegenen Kundenansprüchen gerecht zu werden. Gleichzeitig fehlen Experten für Innovationen und Digitalisierung.“
Finanzielle Engpässe
Zusätzlich belasten gestiegene Zinsen und höhere Anforderungen der Finanzierer die Händler. Zwei Drittel der Unternehmen geben an, große Herausforderungen bei der Refinanzierung zu bewältigen. Dennoch hat fast die Hälfte der kurzfristig zu refinanzierenden Händler ihre Kommunikation mit Finanzpartnern nicht intensiviert. Liquiditätsmanagement, Investitionsrückstellungen und eine Verringerung der Einkaufsmengen gehören zu den Hauptmaßnahmen der Restrukturierung. Dennoch setzen nur neun Prozent der Händler aktiv auf Filialschließungen – eine Zahl, die laut der Studie mittelfristig auf 17% steigen könnte.
Strategische Neuausrichtung
Mehr als vier von fünf Händlern mit Restrukturierungsplänen denken über eine strategische Neuausrichtung nach. Dies umfasst Maßnahmen wie die Bereinigung des Produktportfolios, den Ausbau digitaler Kanäle und neue Belieferungsmodelle. Dennoch mahnt Fritsch, dass Stabilität und Transformation gleichzeitig verfolgt werden müssen, um Zeitverluste zu vermeiden: „Unternehmen müssen Strategie, Strukturen und Prozesse grundsätzlich hinterfragen. Besonderes Augenmerk liegt auf einer zukunftsfähigen Positionierung von Portfolio und Vertriebskanälen. Wie in jeder Krise wird es auch hier Gewinner geben. Entscheidend sind jetzt kühle Köpfe und klare Strategien, um kurzfristige Stabilität mit langfristiger Transformation zu verbinden,“ betont sie.
Die Studie „German Economic Pulse 2024“ gibt einen detaillierten Einblick in die wirtschaftlichen Herausforderungen und Anpassungsstrategien im deutschen Handel. Befragt wurden 200 Unternehmen mit einem Mindestumsatz von 50 Millionen Euro.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.