Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ist 2024 deutlich angestiegen. Laut dem Verband der Vereine Creditreform e. V. wurden 22.400 Fälle registriert. Dies entspricht einem Zuwachs von 24,3% im Vergleich zum Vorjahr. Der aktuelle Wert markiert laut Creditreform den höchsten Stand seit 2015. Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, betonte, dass die wirtschaftlichen Krisen der vergangenen Jahre mit
Verzögerung nun in Form von Insolvenzen sichtbar werden. Ursachen seien der wirtschaftspolitische Stillstand, die sinkende Innovationskraft und die hohen Kostenbelastungen. Für das Jahr 2025 wird ein weiterer Anstieg erwartet. Hantzsch prognostiziert, dass die Insolvenzzahlen bald die Höchststände der Jahre 2009 und 2010 erreichen könnten, als über 32.000 Unternehmen zahlungsunfähig wurden.
Steigender Druck auf Verbraucher
Neben den Unternehmensinsolvenzen stiegen auch die Verbraucherinsolvenzen. Im Jahr 2024 wurden 72.100 Verfahren registriert, was einem Plus von 8,5% im Vergleich zu 2023 entspricht. Die hohen Lebenshaltungskosten und steigende Kreditzinsen belasten viele Haushalte erheblich. Zusätzlich verschärft der Abbau von gut bezahlten Arbeitsplätzen die finanzielle Lage vieler Verbraucher. Creditreform-Geschäftsführer Bernd Bütow erklärte, dass die sich bereits 2023 abzeichnende Trendwende nun spürbar sei. Im gesamten Jahr 2024 wurden in Deutschland insgesamt 121.300 Insolvenzverfahren registriert. Dies stellt einen Zuwachs von rund zehn Prozent im Vergleich zu den 109.680 Fällen im Vorjahr dar.
Großinsolvenzen nehmen drastisch zu
Besonders auffällig ist laut Creditreform der Anstieg der Insolvenzen bei größeren Unternehmen. Während Kleinstunternehmen mit maximal zehn Beschäftigten 81,4 Prozent der Fälle ausmachen, kletterten die Insolvenzen bei Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten um 44,4 Prozent. Zwar bleibt ihr Anteil am Gesamtaufkommen gering, doch die Folgen solcher Großinsolvenzen sind erheblich. Dazu gehören hohe Forderungsausfälle und der Verlust zahlreicher Arbeitsplätze. Bütow warnt vor der zunehmenden Gefahr sogenannter „Ketteninsolvenzen“. Viele Unternehmen seien durch die vergangenen Krisen, von der Corona-Pandemie bis zur Inflation, wirtschaftlich ausgezehrt. Dies fördere eine negative Dynamik in zahlreichen Branchen.
Hohe Schäden und Arbeitsplatzverluste
Die Folgen der Insolvenzwelle sind weitreichend. Die Creditreform-Wirtschaftsforschung schätzt die Schadenssumme für Gläubiger auf rund 56 Mrd. EUR. Im Vergleich zu 2023 ist dies ein erheblicher Zuwachs von mehr als 20 Mrd. EUR. Gleichzeitig stieg die Zahl der bedrohten oder weggefallenen Arbeitsplätze. Im Jahr 2024 waren rund 320.000 Arbeitsplätze betroffen, während es 2023 noch 205.000 waren. Großinsolvenzen wie die von GALERIA Karstadt Kaufhof GmbH und FTI Touristik GmbH trugen maßgeblich zu dieser Entwicklung bei. Solche Insolvenzen haben weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft und die betroffenen Regionen.
Dienstleistungsbranche betroffen
Der Anstieg der Insolvenzzahlen betrifft alle Wirtschaftsbereiche. Besonders das Dienstleistungsgewerbe verzeichnete einen Anstieg um 27,1%. Im Verarbeitenden Gewerbe stiegen die Zahlen fast ebenso stark an. Die höchste Insolvenzquote gab es im Baugewerbe, mit 97 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen. Laut Hantzsch hat sich die Lage für die deutsche Industrie deutlich verschlechtert. Viele Unternehmen kämpfen mit hohen Energie- und Arbeitskosten sowie strukturellen Problemen. Werksschließungen und Stellenabbau häufen sich. Seit dem Tiefpunkt im Jahr 2021 sind die Insolvenzen im Verarbeitenden Gewerbe um über 80 Prozent gestiegen. Besonders betroffen seien Industriezweige wie die Metallerzeugung, die Papierwarenproduktion sowie die Gummi- und Kunststoffwarenherstellung. In diesen Sektoren legten die Insolvenzzahlen um mehr als 200 Prozent zu.
Wettbewerbsfähigkeit gefährdet
Die Insolvenzwelle offenbart laut Creditreform die strukturellen Schwächen der deutschen Wirtschaft. Die hohen Kosten und die schwache Konjunktur verschärfen die Lage zusätzlich. Die Bundesregierung plant Maßnahmen zur Entlastung der Industrie, wie beispielsweise eine Senkung der Stromkosten. Laut Hantzsch dürften diese Schritte jedoch kaum ausreichen, um die anhaltende Krise zu stoppen. Die Entwicklung zeigt, dass viele Unternehmen trotz staatlicher Hilfen und Sanierungsmaßnahmen den wirtschaftlichen Herausforderungen nicht mehr gewachsen sind. Ohne tiefgreifende Reformen könnte die Zahl der Insolvenzen weiter steigen.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.