Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Quartal des Jahres 2023 steigt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 20% an. Diese Entwicklung könnte eine langsame Normalisierung des Insolvenzgeschehens einleiten. In vielen Branchen gibt es nach Ansicht des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) derzeit einen höheren Beratungsbedarf. Nach dem Auslaufen der Coronahilfen stünden die Bereiche der Krankenhäuser und der stationären Pflege besonders unter Druck. Das Ausbleiben weiterer staatlicher Förderungen wird nach Ansicht des VDI in diesem Bereich
zu einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen führen. Für den zurückliegenden Monat Mai weist die amtliche Statistik nach vorläufigen Angaben einen Anstieg um 3,1 Prozent zum Mai 2022 aus. Im langfristigen Vergleich zeige diese Entwicklung die Normalisierung des Insolvenzgeschehens an die Vorcoronazeit. Derzeit sehen wir in unserer täglichen Arbeit einen erhöhten Beratungsbedarf bei einigen Unternehmen“, erklärt Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender VID. „Insbesondere bei der Baubranche, den Automobilzulieferern und dem Krisendauerbrenner, dem stationären Einzelhandel, die nach wie vor mit den erhöhten Zinsen und dem veränderten Konsumverhalten kämpfen“, so Niering weiter.
Gesundheitsbranche unter Druck
Nach einer jüngst vorgestellten Studie von Roland Berger und der TU Dresden bestehe derzeit erhöhte Insolvenzgefahr bei den Branchen Automobilzulieferindustrie, Bau und Einzelhandel. Gerade hochverschuldete Unternehmen würden Gefahr laufen, aufgrund stark gestiegener Zinskosten besonders unter Druck zu geraten. Darüber hinaus würden Kredite teurer und restriktiver vergeben, sodass die Finanzierung dieser Unternehmen nicht mehr gesichert sei. Auch im Bereich der Krankenhäuser und der stationären Pflege erwarte Niering zukünftig deutlich mehr Insolvenzen: „Nachdem im Krankenhausbereich die Coronahilfen ausgelaufen sind, nimmt die Bundesregierung nun abrupt den Fuß vom Gas weiterer Förderungen. Mit dem Ziel einer Neuausrichtung der Krankenhauslandschaft nimmt die Bundesregierung die Insolvenz von Krankenhäusern bewusst in Kauf. Insolvenz als staatlich gelenktes Instrument der Marktbereinigung.“
Zahlungsmoral trotz Rezession leicht verbessert
Die deutschen Unternehmen haben im ersten Quartal 2023 wieder pünktlicher gezahlt als im Vorjahreszeitraum. Trotz anhaltender Unsicherheit und einer technischen Rezession spiegeln sich die erwarteten Liquiditätsengpässe nach Angaben der Creditreform weiterhin nicht in der Zahlungsmoral. Der branchenübergreifende Zahlungsverzug beträgt demnach nur noch 10,3 Tage und verbessert sich leicht. „Ähnlich wie andere Konjunkturindikatoren, wie dem Arbeitsmarkt oder den zu Beginn des Jahres guten Auftragseingängen, ist auch die vermeintlich verbesserte Zahlungsmoral zunächst ein paradoxes Phänomen“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform. „In Anbetracht der aktuellen technischen Rezession dürfte sich das Zahlungsverhalten im zweiten Quartal 2023 aber wieder eintrüben. Zudem dürften sich die Unternehmensmanager mittlerweile an die Krise gewöhnt und ihr Risiko- als auch ihr Forderungsmanagement an die dauerhafte Ausnahmesituation angepasst haben. Bei den Bundesländern gibt es bei der Zahlungsmoral dennoch einige Unterschiede. In Bayern (9,8 Tage), Niedersachsen (9,5 Tage) und Baden-Württemberg (9,1 Tage) zahlten branchenübergreifend die Unternehmen am schnellsten. Am anderen Ende der Skala rangiert Berlin (12,0 Tage) vor dem Saarland (12,2 Tage) und dem Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern (12,9 Tage).
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.