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Unkalkulierbares Risiko für Gläubiger

Raten- und Teilzahlungen sind für Gläubiger im Fall der späteren Insolvenz ihres Schuldners problematisch. Die Insolvenzanfechtung wird nun verschärft: Durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. 

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshof (BGH) soll ein Gläubiger im Fall der Insolvenz zur Erstattung von Raten- und Teilzahlungen an den Insolvenzverwalter selbst dann verpflichtet sein, wenn der Schuldner die vereinbarten Raten pünktlich zahlt und dem Gläubiger versichert, dass seine Auftragslage und wirtschaftliche Entwicklung gut sowie sein Zahlungsverhalten normal sei. Auf allgemeine Angaben des Schuldners darf sich der Gläubiger nicht mehr verlassen, wenn sein Schuldner durch schlichtes unpünktliches Bezahlen einer Rechnung zum Ausdruck gebracht hat, dass er nicht zahlen kann. Diese Sichtweise des höchsten deutschen Gerichts in Zivilsachen hat selbst viele Experten überrascht. Um Risiken zu begrenzen, sollten Unternehmer unbedingt folgende Dinge beachten.

Insolvenzanfechtung: Sofortmaßnahmen für Unternehmer

Zahlt der Kunde unregelmäßig, verspätet, nicht vollständig oder gar nicht, dann ist Eile geboten. Der Gläubiger muss ein unmittelbares Austauschverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung herstellen. Ist er etwa Lieferant, so soll der Kunde nach Lieferung auf die aktuelle Rechnung zu dieser Lieferung zahlen. Erst danach sind ältere Verbindlichkeiten zu begleichen. Derartige Austauschverhältnisse sind schon heute, vor Inkrafttreten der Reform des Rechts der Insolvenzanfechtung privilegiert, wenn sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgen. Zwischen der Lieferung der Ware und der Bezahlung sollten nicht mehr als 30 Tage liegen. Wichtig ist zu wissen, dass das Lieferdatum entscheidend ist, nicht das Rechnungsdatum. Problematisch sind insoweit regelmäßig verwendete AGBs, die einen erweiterten Eigentumsvorbehalt haben. Die Erweiterung führt dazu, dass sämtliche Forderungen aus der Geschäftsbeziehung besichert werden, also auch Altforderungen. Häufig enthalten derartige AGBs Bestimmungen zur Verrechnung von Zahlungen des Kunden; diese werden auf die ältesten Forderungen verrechnet. Die zeitliche Verknüpfung von Übertragung des Eigentums an der Ware und deren Bezahlung wird hierdurch zunichtegemacht.

Eine weitere Variante, Anfechtungsrisiken zu begrenzen, ist die Vereinbarung großzügiger Zahlungsziele. Ist die Rechnung erst nach zwei Monaten fällig, statt sofort oder binnen zwei Wochen, dann fällt es dem Kunden sehr viel leichter, den Rechnungsbetrag pünktlich und vollständig zu zahlen. Gerade in Branchen, in denen ohnehin „immer später“ gezahlt wird, oder bei Kunden, die fortwährend zu spät zahlen, ist dies im Einzelfall eine geeignete Möglichkeit. Der Nachteil hierbei ist allerdings, dass dann zwischen Leistung und Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen, das Argument des unmittelbaren Leistungsaustauschs also nicht mehr genutzt werden kann.Raten- und Teilzahlungen sind für Gläubiger im Fall der späteren Insolvenz ihres Schuldners problematisch. Die Insolvenzanfechtung wird nun verschärft: Durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Kommt es zu Zahlungsverzögerungen, ist die Androhung von Klagen, Vollstreckung oder Insolvenzantragstellung sowie Mahn- und Anwaltsschreiben, in denen das zögerliche Zahlungsverhalten und die Zahlungsunfähigkeit des Kunden dokumentiert werden, unbedingt zu unterlassen. Diese Kommunikation, egal ob über E-Mail, SMS, Fax oder Brief, dient dem Insolvenzverwalter später als weiterer Beweis, dass der Unternehmer davon Kenntnis hatte, dass sein Kunde bei Fälligkeit mangels finanzieller Mittel nicht pünktlich und vollständig zahlen konnte. Diese von Juristen als Zahlungseinstellung bezeichnete Verhaltensweise des Schuldners führt nach der neuen BGH-Rechtsprechung zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Der Gläubiger muss darlegen, aufgrund welcher – von ihm zu beweisenden – Tatsachen er davon ausging, dass der Schuldner seine Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen habe.

Deshalb gilt die goldene Regel: Wenn mit der Vollstreckung gedroht wird, dann muss auch vollstreckt werden. Für Vollstreckungen gilt die kurze Anfechtungsfrist von nur drei Monaten.

Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung

Grundsätzlich kann einem Gläubiger aufgrund des Anfechtungsrisikos kaum noch geraten werden, eine Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung zu schließen oder eine sonstige Zahlungserleichterung, z.B. eine Teilzahlung, zu gewähren. Insbesondere darf sich der Gläubiger nicht mehr auf allgemeine Angaben des Schuldners zu dessen Auftragslage, wirtschaftlicher Entwicklung oder dem Zahlungsverhalten verlassen. Dies gilt selbst dann, wenn der Schuldner die vereinbarten Raten pünktlich zahlt.

Um ein Erstattungsrisiko einigermaßen zu begrenzen, sollte sich der Gläubiger die Zahlungsfähigkeit des Schuldners konkret und qualifiziert nachweisen lassen. Aktuelle Offene-Posten-Listen (OPOS) geben Auskunft über bestehende Verbindlichkeiten, eine betriebswirtschaftliche Auswertung über die Profitabilität. Auch Summen- und Saldenlisten (SUSA) und Auftragsbestätigungen sind geeignete Nachweise. Der Gläubiger muss diese faktische Nach- und Ausforschungspflicht – die zu Recht kritisiert wird – sehr ernst nehmen. Er kann sich auch nicht darauf berufen, der Schuldner habe ihn durch allgemeine Angaben getäuscht. Anders dürfte dies indes bei der Vorlage falscher Zahlen sein, soweit der Gläubiger hier in gutem Glauben ist. Auskünfte einer Warenkreditversicherung und Wirtschaftsauskunftsdatei sind flankierend hilfreich, soweit sie aktuell sind.Raten- und Teilzahlungen sind für Gläubiger im Fall der späteren Insolvenz ihres Schuldners problematisch. Die Insolvenzanfechtung wird nun verschärft: Durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Alle vorgenannten durchgeführten Maßnahmen müssen für einen späteren Gerichtsprozess dokumentiert werden – auch die Plausibilisierung der Zahlungsfähigkeitsprüfung. Sollte die Prüfung jedoch zu dem Ergebnis kommen, dass der Kunde drohend zahlungsunfähig ist, sollten die bestehenden Altverbindlichkeiten sofort tituliert werden, z.B. durch Mahn- und Vollstreckungsbescheid. Die Hintergründe der Vollstreckung sollten dem Kunden nur telefonisch mitgeteilt werden. Keinesfalls darf die Vollstreckung aber mit dem Kunden abgestimmt oder dieser gar zur Hinnahme dieser Maßnahmen überredet werden. Auch das bewusste Auffüllen eines Kontos, in das der Gläubiger dann vollstrecken möchte, macht die Vollstreckung wertlos weil anfechtbar. Auch bei der konkreten Durchführung der Vollstreckung sind zwecks Vermeidung einer späteren Anfechtung die Weichen richtig zu stellen. Es empfiehlt sich stets, einen Spezialisten für Insolvenzanfechtung hinzuziehen. Gläubiger können nicht auf eine Lösung der Problematik durch den Gesetzgeber hoffen, wie Auswertungen der Experten zu aktuellen Gesetzesentwürfen zeigen.

Alarmzeichen und Sofortmaßnahmen


Zur Person

(© privat)

Dr. Olaf Hiebert ist Rechtsanwalt und Spezialist für Insolvenzanfechtungsrecht bei Buchalik Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater. Dr. Hiebert gibt auf der Seite Tipps für Gläubiger und dokumentiert die aktuelle Rechtsprechung zum Anfechtungsrecht. www.insolvenzanfechtung-buchalik.de

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