Innovation und Resilienz im Fokus

22. Deutscher Corporate M&A-Kongress: Strategien für eine disruptive Welt

Der 22. Deutsche Corporate M&A Kongress bot ein vielfältiges Programm zu den aktuellen Herausforderungen und Chancen im M&A-Markt. 
Hochkarätige Panels beim 22. Deutschen Corporate M&A Kongress: im Bild v. li. n. re.: Moderator Markus Rieger, GoingPublic Media AG, Dr. Michael Drill, Lincoln, Franziska Stöberl, Oettinger Brauerei, Mathias Weidner, Deutsche Private Equity, Marc Jacob, Karl Storz. Foto: © GoingPublic Media AG

Der 22. Deutsche Corporate M&A-Kongress, organisiert von Studio ZX, fand am 13. und 14. November 2024 im Haus der Bayerischen Wirtschaft statt und brachte rund 200 Experten aus der M&A-Branche zusammen. Unter dem Leitmotiv „Navigieren in einer disruptiven Welt: Chancen erkennen und nutzen“ bot die Veranstaltung ein vielfältiges Programm, das sich den aktuellen Herausforderungen und Chancen im M&A-Markt widmete. 

Die deutsche Wirtschaft sieht sich mit einer Vielzahl globaler Herausforderungen konfrontiert. Viele Ungewissheiten prägen seit Monaten die Situation an den Märkten. Russlands Krieg gegen die Ukraine, Chinas wirtschaftliche Lage und der Ausgang der US-Wahlen werfen schon seit Längerem ihre Schatten voraus. Was hat dies für Auswirkungen auf die M&A-Aktivitäten der deutschen Unternehmen? Wie entwickeln sich die Preise? Wer ist in welchen Bereichen besonders aktiv am Markt – und wie steht es um den Fortgang der Digitalisierung der M&A-Prozesse? Diese und viele weitere Themen standen im Mittelpunkt des 22. Deutschen Corporate M&A Kongresses am 13. und 14. November in Haus der Bayerischen Wirtschaft in München. Mit seiner Mischung aus hochkarätigen Sprechern, zahlreichen Workshops und Panels sowie einer Abend­veranstaltung am ersten Konferenz­tag bot der Kongress viel Raum für Diskussionen, Erfahrungs­austausch und Vernetzung.

Keynote von Prof. Dr. Moritz Schularick

Prof. Dr. Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft sprach in seiner Keynote über die aktuellen Entwicklungen in der globalen Wirtschaft. Foto: © GoingPublic Media

Ein Höhepunkt war die Keynote von Prof. Dr. Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Schularick zeichnete ein eindringliches Bild der globalen Wirtschaftsordnung: „Wir sind die Besten in den Technologien des letzten Jahrhunderts, aber nicht mehr in denen dieses Jahrhunderts.“ Besonders besorgt zeigte er sich über Deutschlands Abhängigkeit von den USA und China, den „zwei Gorillas in der Weltwirtschaft“. Beide Länder verfolgten zunehmend protektionistische Agenden, die den regelbasierten Welthandel untergraben.

Mit Blick auf den Standort Deutschland hob Schularick hervor, dass dringend eine technologieorientierte Neuausrichtung erforderlich sei. „Wir müssen aus der Mitteltechnologiefalle heraus und die besten Technologien dieses Jahrhunderts entwickeln.“ Er forderte, dass auch Verteidigungsinvestitionen stärker auf technologische Innovationen abzielen, um langfristig sowohl Sicherheits- als auch Wirtschaftsvorteile zu erzielen. Schularick mahnte: „Nur wenn Europa geschlossen auftritt, können wir in einer politisierten Weltwirtschaft bestehen.“

Trotz großer Herausforderungen wie technologischen Rückständen und sinkenden Exporten sieht Schularick Potenzial: „Branchen wie die optische Industrie oder Elektronik könnten vom Handelsstreit zwischen den USA und China profitieren.“

Praxiserfahrungen für den Erfolg im M&A-Geschäft

Der 22. Deutsche Corporate M&A Kongress bot ein vielfältiges Programm zu den aktuellen Herausforderungen und Chancen im M&A-Markt. 
Hochkarätige Panels beim 22. Deutschen Corporate M&A Kongress: im Bild v. li. n. re.: Moderatorin Hannah Scherkamp, Zeit Online, Dr. Nikolaus Schrader, Lupp + Partner, Dr. Taek Lim, Saferaod Group, Kai Hesselmann, DealCircle, Dr. Eva Heneweer, Funke Mediengruppe. Foto: © GoingPublic Media

In zwei großen Plenum-Panels diskutierten Experten aus unterschiedlichen Branchen praxisnah über Herausforderungen und Strategien im Bereich Mergers & Acquisitions (M&A). In dem Panel am Nachmittag des ersten Konferenztages teilte Dr. Eva Heneweer von der Funke Mediengruppe ihre Erfahrungen mit Post-M&A-Streitigkeiten und empfahl Kaufpreiseinbehalte als wirksames Mittel zur Risikominderung. „Das stößt manchmal auf Irritationen auf der Gegenseite, aber wir haben zum Teil leider schlechte Erfahrungen gemacht“, so Heneweer. Zur Streitbeilegung plädierte sie für Schiedsgerichte, da in regulären Gerichten oft mangelnde M&A-Kompetenz vorherrsche. Außerdem riet sie, alle relevanten Dokumente und Unterlagen direkt nach dem Closing zu sichern, da diese im Streitfall oft schwer zugänglich seien.

Einsatz von KI und Big Data im M&A-Prozess

Kai Hesselmann und Dr. Eva Heneweer. Foto: © GoingPublic Media

Kai Hesselmann von der DealCircle GmbH betonte die transformative Kraft von KI und Big Data: „Es wäre abstrus zu glauben, dass KI keinen Einfluss auf den M&A-Prozess hat.“ Er beschrieb die Vorteile dieser Technologien in der Zielsuche und Käuferansprache: „Mit Tools können wir auf Knopfdruck Unternehmensdaten und Wettbewerbslandschaften darstellen. Das ist ein Quantensprung in Effizienz.“ Hesselmann stellte klar, dass der technologische Fortschritt auch in der traditionell zurückhaltenden Private-Equity-Branche spürbar werde: „Die Branche war bisher nicht unbedingt affin für Technologie, aber ich nehme einen Wandel wahr.“

Dr. Taek Lim von der Saferoad Group unterstrich die Bedeutung einer klaren Strategie und strikter Governance im M&A-Prozess. Er erläuterte: „In der Strategiephase segmentieren wir den Markt, bewerten interne Fähigkeiten und analysieren Kapitalrenditen und Wachstum.“ Zur Bedeutung eines gefüllten Deal Funnels sagte er: „Ein breiter Funnel ermöglicht es, sich auf die besten Cases zu konzentrieren und Verhandlungen bestimmter zu führen.“ Er betonte zudem die Rolle von KI-basierten Plattformen: „Die Suchergebnisse solcher Tools sind komplementär zu den klassischen, netzwerkbasierten Dienstleistern.“

Vertrauen − ein wichtiger Faktor im Mittelstand

v. li. n. re.: Dr. Nikolaus Schrader, Dr. Taek Lim, Kai Hesselmann, Dr. Eva Heneweer. Foto: © GoingPublic Media

Dr. Nikolaus Schrader von Lupp + Partner hob die zentrale Rolle des Vertrauens hervor, insbesondere im Mittelstand. Er erklärte: „Es geht schlicht darum, dass der Verkäufer auf Augenhöhe angesprochen wird, idealerweise durch jemanden mit eigener unternehmerischer Erfahrung.“ Er warnte jedoch vor einer potenziellen Kluft zwischen Start-ups und Konzernen: „Die Konzernwelt ist eine ganz andere als die Start-up-Welt. Das kann für Gründer oft ein Kulturschock sein.“

Die Diskussion reflektierte auch die aktuellen Marktentwicklungen. Hesselmann hob hervor: „Wir befinden uns in einem klaren Käufermarkt, da viele Unternehmensinhaber aufgrund ihres Alters verkaufen müssen.“ Dr. Lim ergänzte, dass diese Dynamik Chancen für strategische Käufer biete: „Geopolitische Unsicherheiten können strategischen Käufern Gelegenheiten schaffen, wenn sie offen für Chancen bleiben.“ Dr. Heneweer äußerte sich gespannt auf regulatorische Entwicklungen: „Was uns vor allem betrifft, ist die Konkurrenz durch große Tech-Giganten. Die Kartellrechtsdebatte in den USA wird entscheidend sein.“

Trends und Strategien für die Zukunft des M&A-Marktes

Dr. Michael Drill (links) und Markus Rieger (rechts). Foto: © GoingPublic Media

Das Abschlussplenum, das von Markus Rieger von der GoingPublic Media AG moderiert wurde, bot einen spannenden Ausblick auf die Trends und Entwicklungen des deutschen M&A-Marktes. Im Fokus standen Marktentwicklungen, strategische Ansätze und die Rolle von Private Equity (PE) als Partner für Unternehmen. Dr. Michael Drill von Lincoln International zeigte sich trotz der aktuellen Zurückhaltung optimistisch hinsichtlich der Zukunft des M&A-Marktes. Er stellte fest: „Es gab wenig Transaktionen. Die Stimmung ist eher defensiv, aber es gibt eine ganze Reihe von Indikatoren, die zu einer Beschleunigung der M&A-Aktivitäten führen werden.“ Zu den Treibern zählte er den Anlagedruck auf Finanzinvestoren sowie sektorübergreifende Digitalisierungsinitiativen großer Konzerne: „Wir sehen starkes Interesse von amerikanischen Strategen, sich hierzulande einzukaufen, insbesondere in Bereichen wie Technologie und Health Care.“ Auch das Thema ESG gewinne zunehmend an Bedeutung: „In Europa führt ESG zu verstärkter Aktivität, etwa wenn Unternehmen Bestandsbereiche verkaufen, um ihre Bilanz zu verbessern.“

Aufbau einer M&A-Abteilung in der Oettinger Brauereigruppe

Franziska Stöberl, Oettinger Brauerei. Foto: © GoingPublic Media

Franziska Stöberl von Oettinger Getränke sprach über die strategische Ausrichtung des Unternehmens, das verstärkt auf Akquisitionen setzt: „Unser Fokus liegt auf Märkten, die wir strategisch kennen, und auf Herstellern, die unser Portfolio ergänzen.“ Sie beschrieb den jüngsten Erwerb einer fränkischen Traditionsmarke als Beispiel für Nachfolgetransaktionen: „Die Söhne wollten nicht übernehmen, und der Eigentümer suchte eine Lösung. Solche Fälle liegen bei uns fast täglich auf dem Tisch.“ Zum Aufbau einer internen M&A-Abteilung betonte sie den pragmatischen Ansatz: „Ich setze aktuell stark auf externe Unterstützung, weil die internen Ressourcen begrenzt sind.“

Private Equity als strategischer Partner für Unternehmen

Mathias Weidner, DPE. Foto: © GoingPublic Media

Mathias Weidner von DPE Deutsche Private Equity hob hervor, dass sich die Rolle von Private Equity gewandelt habe: „Früher war der dominante Motivator bei Verkäufen die Nachfolgeregelung. Heute sind es oft Unternehmer in ihren Vierzigern oder Fünfzigern, die erkennen, dass sie die Transformation ihres Unternehmens nicht allein stemmen können.“
Er hob hervor, wie Private Equity nicht nur Kapital, sondern auch Expertise und Netzwerke einbringe: „Die vorrangige Motivation ist nicht, Geld für Anteile zu erhalten, sondern das Unternehmen strategisch weiterzuentwickeln.“

Marc Jacob, Karl Storz. Foto: © GoingPublic Media

„Wir sehen M&A als Innovationstreiber“, erklärte Marc Jacob, M&A-Manager bei Karl Storz, einem führenden Anbieter minimalinvasiver Medizintechnik. In den letzten zwei Jahren tätigte das familiengeführte Unternehmen mehrere strategische Übernahmen. So wurde im Sommer der Zulieferer medi-G vollständig übernommen, um Synergien im Produktportfolio und der Lieferkette zu nutzen. Außerdem erwarb Karl Storz den US-Robotik-Spezialisten Asensus Surgical, um die chirurgische Robotik voranzutreiben, und zu Jahresbeginn den britischen KI-Experten Innersight Labs.

Alle Panelisten waren sich einig, dass die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Herausforderungen mit sich bringen, aber auch neue Chancen eröffnen. Dr. Drill betonte: „Es gibt attraktive Einstiegspreise für Käufer, während Verkäufer weiterhin ordentliche Preise erzielen können.“ Franziska Stöberl ergänzte: „Für uns als strategischer Käufer geht es darum, unser Portfolio nachhaltig auszubauen und uns an veränderte Marktbedingungen anzupassen.“

Workshops zu spezifischen Herausforderungen

Foto: © GoingPublic Media

Die Deep Dive-Sessions an beiden Tagen boten vertiefende Einblicke in spezifische Herausforderungen und Chancen. Im Fokus standen beispielsweise Themen wie die Integration von Nachhaltigkeit in M&A-Prozesse, der Einsatz künstlicher Intelligenz und die Rolle von Private Equity. In einem der Workshops wurde diskutiert, wie mittelständische Unternehmen die neuen Anforderungen der CSRD-Richtlinie als Chance nutzen können. „ESG-Ratings schaffen Transparenz“, erklärte Sebastian Katsch von RSM Ebner Stolz. Die steigenden regulatorischen Anforderungen, darunter CSRD und ESRS, hätten den Druck auf Unternehmen erhöht. Entscheidend sei nun, Wertorientierung gezielt als strategischen Hebel in der Wertschöpfungskette einzusetzen.

v. li. n. re.: Japhet Wünsch, Raymond James Corporate Finance, Dr. Benjamin Klein, Primepulse, Boris Dürr, Heuking. Foto: © GoingPublic Media AG

Wie lässt sich der Erfolg einer Transaktion durch ein strukturiertes Bieterverfahren maximieren? − Diese zentrale Frage stand im Fokus des Workshops mit Heuking, Primepulse und Raymond James. Die Experten aus verschiedenen Bereichen teilten wertvolle Best-Practice-Empfehlungen. „Den perfekten Zeitpunkt für eine Transaktion gibt es nicht“, betonte Boris Dürr von der Kanzlei Heuking. Entscheidend sei eine sorgfältige Vorbereitung, um Verzögerungen im Prozess zu vermeiden: „Je mehr man in die Vorarbeit investiert, desto fundierter und finaler ist das Ergebnis.“

Andreas Bösenberg, Nord Holding. Foto: © GoingPublic Media AG

Worauf kommt es beim Verkauf an strategische Käufer an? Dieser Frage widmeten sich Andreas Bösenberg und Marcel Rosengarten von der Nord Holding anhand praxisnaher Fallbeispiele. „Strategen gewinnen zunehmend an Bedeutung“, erklärte Bösenberg. Während noch vor zwei Jahren Secondary-Transaktionen zwischen Finanzinvestoren den Markt dominierten, rücken nun strategische Käufer wieder stärker in den Fokus. Doch der Weg zu einem erfolgreichen Deal mit einem strategischen Investor birgt Herausforderungen. Besonders die längeren Transaktionszeiten erfordern besondere Aufmerksamkeit. „Ein straffer Zeitplan von Anfang an ist essenziell, um Verzögerungen im Prozess zu vermeiden“, betonte Bösenberg.

Fazit und Ausblick

Foto: © GoingPublic Media AG

Der 22. Deutsche Corporate M&A-Kongress bot eine Vielzahl an praxisorientierten Lösungsansätzen, um die Komplexität des M&A-Marktes in einer Zeit multipler Krisen zu bewältigen. Mit hochkarätigen Sprechern, praxisnahen Fallstudien und einem klaren Fokus auf Teilnehmende aus Konzernen und großen Mittelständlern lieferte die Veranstaltung wichtige Impulse für die Branche. Dabei stand nicht nur der Status quo, sondern vor allem die Zukunftsfähigkeit des deutschen M&A-Marktes im Mittelpunkt.

👉 Der 23. Deutsche Corporate M&A-Kongress ist für den 30. Oktober 2025 geplant und wird sich voraussichtlich weiter mit den Themen Resilienz und Transformation beschäftigen – unabdingbare Kompetenzen in einer sich schnell wandelnden globalen Wirtschaftslandschaft.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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