Beinahe wäre es sogar Gold geworden. Beim Golfturnier der diesjährigen Olympischen Spiele Mitte August in Paris erlebten die Zuschauer eine Sensation: Die deutsche Esther Henseleit (Platz 54 der Weltrangliste) holte die Silbermedaille, knapp hinter der neuseeländischen Lydia Ko und weit vor der US-amerikanischen Titelverteidigerin Nelly Korda. Damit erzielte die 25-Jährige nicht nur den größten Erfolg ihrer eigenen Karriere, sondern ist auch die erste deutsche, ja sogar europäische Golferin überhaupt, die eine Medaille bei Olympia gewinnt. Wir sprachen mit der jungen Deutschen über ihre Erfolgsgeheimnisse, Hoffnungen und Strategien vor und nach dem großen Turnier.
Unternehmeredition: Frau Henseleit, wie waren und sind Ihre Gefühle nach dem Gewinn der Silbermedaille? Hatten Sie diesen Erfolg selbst für möglich gehalten?
Esther Henseleit: Ich bin unglaublich stolz auf das, was ich erreicht habe. Ich habe immer geglaubt, dass es möglich ist, aber dann tatsächlich eine Medaille zu gewinnen, das fühlt sich surreal an. Es wird einige Zeit dauern, bis ich es ganz verinnerlicht habe.
Sie sind im Turnier über sich selbst hinausgewachsen. Was hat Sie Ihrer Meinung nach zu diesem Erfolg geführt?
Dieses Jahr war fantastisch für mich. Die schwierigeren Golfplätze kommen meinem Spiel sehr entgegen und am Finaltag der Olympischen Spiele hat alles gepasst. Es war die Krönung vieler Monate harter Arbeit und Hingabe.
Die Psychologie hat eine große Bedeutung. Wie bleibt man trotz starker Konkurrenten (insbesondere Lydia Ko) souverän und macht sein Ding?
Jedes Mal, wenn ich an einem Turnier teilnehme und in Schwierigkeiten gerate, lerne ich, wie ich mit solchen Situationen besser umgehen kann. Es ist wichtig, dass ich mich auf mein eigenes Spiel konzentriere – und nicht darauf, was andere tun. Ich habe versucht, die Atmosphäre aufzusaugen, den Moment zu genießen und bis zum Ende aggressiv zu spielen, um zu sehen, wohin mich das führt.
Wie gehen Sie mit Rückschlägen und Selbstzweifeln um?
Ich betrachte Rückschläge als Chance, daraus zu lernen und mich zu verbessern. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, ein starkes Team zu haben, welches mich auf und abseits vom Platz unterstützt, damit ich jederzeit gut vorbereitet bin und mich auch nach schlechteren Runden gut aufgehoben fühle.
Wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere zurückblicken: Wie steinig war und ist Ihr Weg als junge, deutsche Profigolferin?
Ich glaube, meine Karriere macht gute Fortschritte und mein Spiel entwickelt sich in die richtige Richtung. Ich bin jetzt in meinem sechsten Jahr auf der Tour und kann bereits auf sehr schöne Erfolge zurückblicken und mich zudem auf den Solheim Cup freuen.
Gibt es Vorbilder für Sie und wofür bewundern sie diese?
Ich habe keine konkreten Vorbilder, aber ich lerne gerne von anderen Spielern, vor allem von denen, die mehr Erfahrung haben und ihre Erkenntnisse weitergeben können.
Was sind Ihre nächsten Ziele und wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Ich setze mir nicht viele konkrete Ziele, sondern konzentriere mich darauf, jede Woche mein Bestes zu geben – das ist für mich entscheidend. Indem ich an meinen Abläufen festhalte, bleibe ich in meiner Routine, die mir ein Gefühl von Sicherheit gibt. Wo ich in fünf Jahren sein werde? Wer weiß das schon. Ich würde aber auf jeden Fall gerne auf der LPGA Tour (Ladies Professional Golf Association Tour) gewinnen – das ist die höchste Damen-Golfliga der Welt –, mich stetig weiterentwickeln und vor allem Spaß dabei haben.
Welche Rolle spielt Ihr Coach, Caddy und Partner, der britische Golfer Reece Phillips?
Er spielt eine sehr wichtige Rolle in meinem privaten und beruflichen Leben und ich bin dankbar dafür, dass er in so vielen Bereichen meines Lebens an meiner Seite ist.
Wenn Sie Ihre Erfahrungen mit sportlichem Erfolg mit den Anstrengungen eines Unternehmers, Wirtschaftserfolge zu erzielen, vergleichen: Welchen Rat würden Sie dem Unternehmer geben?
Investiere in dich selbst und umgebe dich mit guten Menschen – mit klugen Köpfen, die wirklich das Beste für dich wollen.
Wenn es nicht um Golf geht: was ist Ihnen sonst noch wichtig im Leben?
Meine Familie und die Gesundheit. Abseits vom Golf verbringe ich sonst gerne Zeit in der Natur und liebe gutes Essen.
Wir danken Ihnen für das Gespräch!
👉 Dieser Beitrag erscheint auch in der nächsten Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2024 (ET: 20. September 2024).
KURZPROFIL
Geboren: am 14. Januar 1999 in Varel (Landkreis Friesland, Niedersachsen)
Familienstand: ledig
Beruf: Berufsgolferin
Hobbys: Sport, gutes Essen und Zeit in der Natur verbringen
Webseite: www.estherhenseleit.com/de/
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.