Hilfe zur Selbsthilfe

Drei Jahre nach Einführung des ESUG hat sich das Verfahren in der deutschen Insolvenzordnung etabliert – wenn auch auf niedrigem Niveau. Laut einer Studie der Boston Consulting Group wurden 790 Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt. 450 wurden genehmigt.

Doch die vergangenen drei Jahre haben auch vermeintliche und tatsächliche Mängel offenbart. Ein praktisches Problem zeigt sich etwa in der Frage, ob das Insolvenzgericht einen vom Konsens der Gläubiger getragenen Vorschlag des Schuldners für den vorläufigen Sachwalter mitträgt oder diesen hintertreibt. Methoden gäbe es genug, beispielsweise durch eine Verzögerung der Beschlussfassung und anschließendes Abstellen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung für die Frage des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit. Ein weiteres Problem: „In bestimmten Fällen hat der Schuldner zugleich mit dem Schutzschirmantrag

Prof. Dr. Georg Streit (© Privat)
Prof. Dr. Georg Streit, Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek (© Privat)

Einverständniserklärungen von Mitgliedern des vorläufigen Gläubigerausschusses vorzulegen“, sagt Prof. Dr. Georg Streit von der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek. „Die Anfrage, Mitglied im vorläufigen Gläubigerausschuss zu werden, kann den Gläubiger dazu veranlassen, fällig zu stellen“, so Streit. „Bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit ist ein Schutzschirmverfahren aber nicht mehr zulässig.“ In der Praxis lassen sich diese Herausforderungen vor allem durch eine frühzeitige, offene Kommunikation mit dem Insolvenzgericht und mit den wesentlichen Gläubigern lösen.

Kommunikation entscheidet

Helfen kann in vielen Fällen, wie so häufig, eine gute Kommunikation zwischen dem betroffenen Unternehmen, dem Insolvenzgericht und den wesentlichen Gläubigern. Auch bei Kunden und Lieferanten muss verloren gegangenes Vertrauen neu aufgebaut werden. Kommunikation dient zunächst der Festlegung wichtiger Formalia und Personalia. So gilt der Auswahl eines geeigneten Sachverwalters ein gesondertes Augenmerk. „Bei professioneller Durchführung gibt es kaum noch Probleme“, urteilt Robert Buchalik von der Kanzlei Buchalik Brömmekamp. „ Allenfalls in Verfahren mit unerfahrenen Sachwaltern, die immer wieder zu Verzögerungen führen, weil sie mit den Mechanismen einer Eigenverwaltung nicht ausreichend vertraut sind und in die Mechanismen einer Regelinsolvenz abgleiten.“ Besser sieht es bei den Gerichten aus, die zunehmend professioneller agieren. „Wir haben sogar den Eindruck, dass es einzelne Richter als Makel auffassen, wenn sie noch kein Eigenverwaltungsverfahren durchgeführt haben“, meint Buchalik. Doch es werden weitere inhaltliche Verbesserungswünsche genannt, etwa eine ausdrückliche Regelung zur Eingehung von Massenverbindlichkeiten bei der vorläufigen Eigenverwaltung (§ 270a InsO) oder die Zulassung von Rechtsmitteln gegen die Verweigerung der Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren. Anwalt Buchalik: „Darüber hinaus sollte die Befugnis zur Regelung von Vergütung des Sachverwalters und des Gläubigerausschusses Teil des Insolvenzplans sein.“ Zudem wird die Anwendung des sogenannten „Sanierungserlasses“ durch die zuständigen Finanzbehörden von Experten als unglücklich gewertet. Problematisch ist auch, dass der Bescheid des Finanzamts keinerlei Bindungswirkung für die Gemeinden hat.

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