Mit modernen Kunststoffen lassen sich leichte, nachhaltige und gleichzeitig stabile Bauteile herstellen. Beim bayerischen Unternehmen Parat stand die Verarbeitung dieses Werkstoffs aber am Anfang nicht im Mittelpunkt der Aktivitäten. Investmentpartner des Unternehmens ist die BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft.
Manchmal kann die Geschichte eines Unternehmens auf dem Weg zum Erfolg ungewöhnliche Wendungen nehmen. Die Idee für die heutige Firma Parat Technology GmbH + Co. KG entstand unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Unternehmen Solingen in Remscheid brauchte Behältnisse für ihr Werkzeug. Der spätere Unternehmensgründer Heinz Schönenbach lieh sich eine Nähmaschine und begann zu Hause, die ersten Ledertaschen zu nähen. Aus diesen ersten Aktivitäten wurde wenig später das Familienunternehmen „Lederwarenfabrik Schönenbach“. 15 Jahre später erfolgte dann die Umsiedlung des Betriebs nach Neureichenau im Bayerischen Wald im Landkreis Freyung-Grafenau. Wesentlicher Grund für den Umzug war die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften. Bereits kurz nach der Umsiedlung begann die Produktion von ersten Ledertaschen sowie Seesäcken und Ein-Mann-Zelten durch heimische Näherinnen. 1960 folgte eine weitere Produktionshalle und weiter stand die Verarbeitung von Leder im Mittelpunkt.
Neuer Unternehmensname „Parat“
Der heutige Unternehmensname entstand 1967, als Gertrud Schönenbach, die Frau von Gründer Heinz Schönenbach, bei einer Messe eine neu entwickelte Tasche der Firma sah, diese öffnete und dann sagte: „Hier ist ja alles parat.“ Wenige Jahre später wurden die bisherigen Werkzeugtaschen in stabile Kunststoffkoffer für Werkzeuge weiterentwickelt. Das große Know-how von Parat bei der Verarbeitung von Kunststoff weckte dann auch das Interesse der Automobilindustrie. Die ersten Projekte waren die Entwicklung von leichten Systemen für Tür und Dach bei einem Geländewagen – später folgten auch Entwicklungen für Cabriolets. Erste große Kunden in diesem Sektor waren Volkswagen und BMW. Ein drittes Standbein ergab sich Ende der 1980er-Jahre mit der Produktion von Kunststoffbauteilen für Wohnmobile. Kurz vor der Jahrtausendwende öffnete Parat einen neuen Unternehmensstandort in Rumänien. Wenige Jahre später wurde eine Produktionsanlage in Ungarn eröffnet. 2016 schließlich expandierte das Unternehmen nach China.
Heute steht Parat für eine hohe Kunststoffexpertise und fertigt großformatige Bauteile für Bau- und Landmaschinen, Lkws und Caravans. Zu den Kunden gehören unter anderem Firmen wie BMW, Fendt, Fendt Caravan, Hymer Gruppe, Knaus Tabbert, Liebherr, Man und Volkswagen. Inzwischen ist die Parat Technology GmbH + Co. KG auch der weltweit größte Produzent faserverstärkter Kunststoffbauteile im Agrar- und Baumaschinensektor. Aufgrund der breiten Aufstellung bei den Produkten und Kunden ist das Unternehmen vergleichsweise unabhängig von konjunkturellen Schwankungen oder regionalen Krisen. „Wir sind in allen drei Marktsegmenten gut positioniert und in ihren konjunkturellen Zyklen ergänzen sich die Segmente auch prima. Im vergangenen Jahr konnten die Landmaschinen den größten Umsatzzuwachs verbuchen, gefolgt von Baumaschinen“, erklärt Frank Peters, CEO von Parat, zum abgelaufenen Geschäftsjahr. Das Wachstum hätte seiner Einschätzung nach noch stärker ausfallen können, aber die Störungen der internationalen Lieferketten hätten dies verhindert. In Ungarn wurden im vergangenen Jahr die Kapazitäten deutlich erweitert, um eine stärkere Nachfrage stemmen zu können.
Produkte mit verbesserter CO2-Bilanz
In diesem Jahr hat Parat einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Zukunft gemacht, denn es wurde eine Methode zur sogenannten Partikelschaumverarbeitung entwickelt. Das zugrunde liegende Verfahren zur Hinterschäumung von Folien oder Textilien mit Partikelschäumen (PBF) bietet eine verbesserte Wärmeisolation und eine höhere CO2-Einsparung gegenüber anderen Materialkombinationen. Das neue Verfahren hat nicht nur das Gewicht der Produkte signifikant reduziert und den Materialverbrauch verringert, sondern auch die Recyclingfähigkeit der Verbundbauteile erhöht. „Der neu entwickelte trockene Produktionsprozess bei der Partikelschäumung ist ressourcenschonend, hat eine verbesserte CO2-Bilanz, und die erhöhte Recyclingfähigkeit markiert einen Meilenstein für die Herstellung von Verkleidungsbauteilen, die Teil einer Kreislaufwirtschaft sind“, erklärt dazu Peters. Parat stellt mit den Partikelschäumen große Bauteile her, etwa für die Fahrzeugindustrie. In Land- und Baumaschinen werden diese Komponenten ebenso verbaut wie in Caravans und Reisemobilen. „Die Fahrzeughersteller sehen sich mit gestiegenen Rohstoffpreisen konfrontiert und für sie bedeutet eine Reduzierung des Materialverbrauchs eine Entlastung auf der Kostenseite“, weiß Peters. Zudem würden leichtere Bauteile das Gesamtgewicht und den Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge senken. Das sorge für eine hohe Nachfrage. Die im neuen Produktionsprozess hergestellten Bauteile werden auch für Verkleidungen medizintechnischer Geräte eingesetzt, da sie reinigbare und antibakterielle Oberflächen haben, und finden Einzug im Bereich Powersports (Jetskis, Snow Mobile et cetera).
BayBG investierte im Jahr 2022
Möglich wurde diese wichtige Technologieentwicklung unter anderem durch die Invest Unternehmensbeteilungs AG, die Mittelstandsholding Endurance Capital sowie durch die Zusammenarbeit mit der BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft, die im Frühjahr 2022 stolze 10 Mio. EUR in eine Minderheitsbeteiligung investierte. Ziel war es, das weitere Wachstum zu unterstützen und die Kapazitäten zu erweitern. Bei allen Produktentwicklungen wird großer Wert auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz gelegt. Ressourcenschonende Verarbeitungsverfahren und ein detailliertes CO2-Monitoring stellen effizientes Recycling und konsequente Kreislaufführung sicher. „Ich bin davon überzeugt, dass ökologisch ausgerichtete Unternehmen auch ökonomisch langfristig erfolgreich sein werden“, so CEO Peters.
Kurzprofil PARAT Technology GmbH + Co.KG
Branche: Kunststoffverarbeitung
Firmensitz: Neureichenau (Landkreis Freyung-Grafenau)
Mitarbeiter: 1.023
Gründungsjahr: 1945
Umsatz 2022: 115 Mio. EUR
„Die Nachfrage ist ungebrochen hoch“
Interview mit Peter Pauli, Sprecher der Geschäftsführung, BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft
Unternehmeredition: Wie hat sich bei der BayBG das Beteiligungsvolumen im Jahr 2023 entwickelt und mit welchem Ergebnis rechnen Sie?
Peter Pauli: Die Nachfrage nach Beteiligungskapital ist im laufenden Geschäftsjahr ungebrochen hoch. Entsprechend rechnen wir mit neuen Höchstwerten bei Neuinvestments und beim Beteiligungsbestand, den wir in diesem Geschäftsjahr in Richtung 400 Mio. EUR entwickeln.
Führt die aktuelle Krisensituation zu einer verstärkten Nachfrage oder halten sich Unternehmen mit Wachstumsinvestitionen eher zurück?
Durch Corona- und Ukrainekrise mussten Unternehmen ihre Verschuldungspotenziale teilweise zur Krisenbewältigung ausschöpfen; darüber hinaus ist das Bewusstsein für die Bedeutung einer belastbaren Eigenkapitalquote sowie generell für Resilienz gestiegen. Wir haben im laufenden Geschäftsjahr in einige Unternehmen mit Wachstumsstrategien investiert – insgesamt haben wir aber das Gefühl, dass aktuell die Zurückhaltung zunimmt.
In welchen Branchen sind Sie derzeit besonders mit Beteiligungen unterwegs?
Die BayBG ist Ansprechpartner für den bayerischen Mittelstand und daher nicht auf Branchen festgelegt. Unser Schwerpunkt liegt sicherlich auf Industrie- und Technologieunternehmen sowie Firmen aus den Wachstumsbranchen IT und Software.
Was sind aktuell die größten Probleme, mit denen mittelständische Unternehmen zu kämpfen haben?
Die konjunkturellen Aussichten, Preissteigerungen bei Vorprodukten und Materialien, Fachkräftemangel, hohe Energiepreise und auch Unsicherheiten bezüglich der politischen Rahmenbedingungen insbesondere in Deutschland. Zudem ist das Thema Unternehmensnachfolge weiterhin relevant: Zahlen des Bayerischen Wirtschaftsministeriums zeigen, dass bis zum Jahr 2026 bei rund 36.500 Unternehmen mit 618.000 Mitarbeitern ein Generationswechsel ansteht. Eine erfolgreiche Unternehmensübergabe ist kein Selbstläufer, sondern die Finanzierung sollte frühzeitig geplant werden.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.