Der Unternehmensnachfolger sieht sich im Nachfolgeprozess und nach der Übernahme der Verantwortung im Familienunternehmen mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Dabei ist es wie im Sport: Ein verpatzter Stabwechsel bedeutet einen Rückfall auf die hinteren Plätze, der kaum wieder wettzumachen ist. Dem Unternehmensnachfolger konkrete Empfehlungen für die Phase in der Verantwortungsübernahme zu geben, ist Ziel dieses Beitrags.
Nachfolgeplanung konsequent umsetzen
Wer die Psychologie der Unternehmensnachfolge kennt, wird die Empfehlung aussprechen, an dem einmal festgelegten Zeitplan konsequent festzuhalten. Junior und Senior haben sich im Regelfall bereits seit geraumer Zeit auf den Wechsel eingestellt und vorbereitet. Eine Abweichung vom ursprünglichen Konzept bedeutet für beide eine gravierende Änderung der persönlichen Lebensplanung. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter häufig ohnehin an dem Willen des Seniors zur Abgabe der Macht zweifeln. Diese Zweifel erhalten neue Nahrung, wenn die Nachfolge aufgeschoben wird. Bei den Führungskräften entsteht eine tiefe Verunsicherung über die tatsächliche Rollenverteilung an der Spitze des Unternehmens. Diese Unsicherheit schwächt das Unternehmen gerade in einer Zeit, in der absolute Führungsstärke vonnöten ist. Das unternehmerische Erfahrungspotenzial des Seniors geht im Übrigen nicht verloren. Ein verantwortungsbewusster Unternehmer wird dem Junior gerade in der Zeit der Übergabe weiterhin beratend zur Seite stehen, wohl wissend, dass die Entscheidung, ob und in welchem Umfang dieser Rat befolgt wird, nicht mehr in seinen Händen liegt.
Sicherung der Liquidität
Liquiditätssicherung ist bei der Umsetzung des Generationswechsels oberstes Gebot. Sie beginnt mit der Gestaltung der persönlichen Verträge: Das Unternehmen muss davor geschützt sein, dass bei Veränderung der persönlichen Verhältnisse Ausgleichszahlungen, Pflichtteilsansprüche oder ein Zugewinnausgleich die Liquidität gefährden. Liquiditätssicherung setzt sich in allen betrieblichen Bereichen fort – beim Lagerabbau, bei der Verringerung der Produktvielfalt etc. Auch der klassische Bankkredit spielt hierbei eine bedeutende Rolle: Deutlich sichtbar zeichnet sich mittlerweile eine Renaissance der Hausbank ab. Unternehmen mit engen Beziehungen zu einem ausgewählten Bankenkreis sind gegenüber den Firmen, die in der Vergangenheit Entscheidungen nur nach dem Preis gefällt haben, klar im Vorteil. Wenn der Unternehmensnachfolger in persönlichen Gesprächen mit seinen Banken Vertrauen aufbaut und Transparenz zeigt, so wird er damit seine Finanzierungsbasis für die Zukunft stärken.
Drohende Erbschaftsteuer im Auge behalten
Die letzte Erbschaftsteuerreform wirkt sich erheblich auf die Nachfolge im Familienunternehmen aus. Angesichts des komplexen Regelungswerks muss sich der junge Unternehmer sehr frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen, ansonsten drohen existenzgefährdende Liquiditätsabflüsse. Als Ausgleich für eine deutlich höhere Bewertung des Familienunternehmens hat der Gesetzgeber Verschonungsabschläge vorgesehen. Diese sind jedoch an sehr strenge Auflagen geknüpft. Der Nachfolger muss durch vorausschauende Planung sicherstellen, dass die gesetzlich vorgesehenen Entlastungen von ihm auch tatsächlich genutzt werden können.
Kontrollverlust vermeiden
„Nur unter den Augen des Herrn werden die Schafe fett“, heißt es schon in der Bibel. Für den Junior bedeutet dies: Er muss jeglichen Macht- oder Kontrollverlust vermeiden. Fremdgeschäftsführer, die einen unangemessen weiten Freiraum für sich beanspruchen, weil sie sich für unersetzlich halten, sind keine Seltenheit. Der Unternehmensnachfolger muss durch den Aufbau eines leistungsstarken Controlling, durch eine weit aufgefächerte Berichtspflicht und durch ergänzende Zustimmungskataloge dafür sorgen, dass eine effiziente Eigentümerkontrolle stets gewahrt bleibt. Außerdem muss sichergestellt sein, dass die volle Handlungsfähikeit für Unternehmen und Familie auch im Falle von plötzlichem Tod oder Krankheit erhalten bleibt.
Beirat
Während sich die „Stabübergabe“ vom Senior auf den Junior vollzieht, beobachten Banken, Lieferanten, Kunden, Mitarbeiter und nicht selten sogar die eigene Familie den „Neuling“ mit Skepsis. Doch dieser bleibt mit seinen Sorgen und Nöten oft sich selbst überlassen. Abhilfe schafft hier am ehesten ein mehrheitlich mit Fremden besetztes, unabhängiges Kontrollgremium. Ein im Unternehmen bereits vorhandener Beirat muss auf den Prüfstand gestellt werden. Dabei darf der Unternehmensnachfolger sich nicht von dem Ziel abbringen lassen, die Effizienz dieses Gremiums zu erhöhen, auch durch Austausch einzelner Mitglieder. Mit einer solchen Maßnahme beweist er Führungsstärke, Kompetenz und Gestaltungskraft.
An tradierten Werten festhalten
Ethik und Moral prägen seit jeher alle Lebensbereiche der Menschen. Neu ist jedoch ein immer stärkerer Verlust tradierter Werte, der insbesondere unsere Wirtschaft heimsucht. Drei Grundsätze des ehrbaren Kaufmanns, nämlich die Sorge um das Wohl der Mitarbeiter, das Bemühen um eine nachhaltige, ressourcenschonende Unternehmensführung und die persönliche Bescheidenheit geraten in die Defensive: Ein solcher „Werteverlust“ widerspricht den Grundüberzeugungen des Familienunternehmens zutiefst. Ihm muss der Nachfolger mit allen Kräften entgegenwirken.
Prof. Dr. Dr. h.c. Brun-Hagen Hennerkes ist Rechtsanwalt und Seniorpartner der Kanzlei Hennerkes, Kirchdörfer und Lorz (www.hennerkes.de) in Stuttgart sowie Gründer und Vorstand der gemeinnützigen Stiftung Familienunternehmen (www.familienunternehmen.de).