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Gut gerüstet

Den zuletzt sehr erfolgsverwöhnten deutschen Unternehmen weht ein äußerst eisiger Wind entgegen. Die Bankenkrise, eine drohende Rezession der Weltwirtschaft und Finanzierungsprobleme werden zahlreiche Firmen in eine Krise stürzen, auch die Zahl der Insolvenzen wird steigen. Abhilfe schaffen können Experten, die sich auf die Sanierung von Unternehmen spezialisiert haben.

Den zuletzt sehr erfolgsverwöhnten deutschen Unternehmen weht ein äußerst eisiger Wind entgegen. Die Bankenkrise, eine drohende Rezession der Weltwirtschaft und Finanzierungsprobleme werden zahlreiche Firmen in eine Krise stürzen, auch die Zahl der Insolvenzen wird steigen. Abhilfe schaffen können Experten, die sich auf die Sanierung von Unternehmen spezialisiert haben. Die Restrukturierungsbranche in Deutschland hat in den vergangenen Jahren enorm an Professionalität gewonnen, zahlreiche Berater, Anwälte, Restrukturierungshäuser und Interimsmanager stehen bereit. Allerdings gibt es noch Nachbesserungsbedarf bei den Rahmenbedingungen, insbesondere im deutschen Insolvenzrecht.

Konjunktureinbruch und Finanzierungsprobleme
Nach einigen starken Jahren für die Weltwirtschaft stehen nun harte Zeiten bevor. Experten rechnen in den kommenden Quartalen mit einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen. Die Gründe liegen vor allem in der eklatanten Finanzkrise, die zu einer restriktiveren Kreditvergabe der Banken führen und damit die Unternehmensfinanzierung einschränken wird. Zusätzlich wird die abkühlende Weltkonjunktur Umsätze und Gewinne einbrechen lassen. Investitionen, die für Unternehmen wichtig sind, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, können dann nicht mehr getätigt werden. Unter Druck geraten werden außerdem von Private Equity-Gesellschaften durch LBOs (Levereaged Buyouts – mit einem hohen Fremdkapitalanteil finanzierte Übernahmen) erworbene Unternehmen, die den Kaufpreis plus die enormen Zinsen aus dem eigenen Cashflow zurückzahlen müssen. “Wenn sie aufgrund sinkender Umsätze nicht mehr in der Lage sein werden, den hohen Schuldendienst zu leisten, wird es eng”, sagt Eugen Angster, Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung Restrukturierung, Sanierung und Interim Management e.V. (BRSI). In diesem Fall werden die Finanzinvestoren, ähnlich wie bei A.T.U/KKR (s. Seite x), vor der Entscheidung stehen, entweder frisches Kapital nachzuschießen oder die Firma in die Insolvenz gehen zu lassen. Bei A.T.U hat KKR weiteres Eigenkapital bereitgestellt, inwieweit und wie oft dies andere tun, bleibt abzuwarten – das hängt auch von den zur Verfügung stehenden Mitteln der Finanzinvestoren ab. Zusätzlich Öl ins Feuer gießen dürften auslaufende Mezzanine-Finanzierungen, die in den vergangenen Jahren zu hohen Zinssätzen angeboten wurden. Zahlreiche Firmen werden bei Fälligkeit nicht in der Lage sein, das geliehene Geld zurückzuzahlen, und Probleme haben, alternative Finanzierungsinstrumente zu finden.Zunehmende Reife der deutschen Restrukturierungsbranche
Doch zur Insolvenz als letzter Konsequenz muss es nicht kommen. Immer mehr Sanierungspezialisten – von Unternehmensberatern über Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte bis hin zu Interimsmanagern – stehen bereit, um angeschlagene Unternehmen aus der Krise zu führen. “Die deutsche Restrukturierungsbranche hat in den letzten Jahren einen enormen Reifeprozess durchlaufen und nähert sich internationalen Standards an”, erklärt BRSI-Vorsitzender Angster. Unternehmer und Berater nutzen heute selbstverständlich Instrumente, die vor fünf Jahren hierzulande nicht bekannt waren. Auch angelsächsische Berater kommen zunehmend nach Deutschland. Natürlich ist nicht jede Firma vor dem Untergang zu retten. Zum einen rechnet sich der Aufwand häufig unter der kritischen Masse eines Unternehmenswertes von mindestens 100 Mio. Euro nicht. Ist zum anderen das Geschäftsmodell an sich überholt, dann können auch die besten Sanierungsexperten keine Wunder vollbringen. Kern des Restrukturierungsprozesses ist das Zusammenspiel und die Aufgabenteilung der unterschiedlichen Akteure.

Unternehmensberater: Strategen für den Turnaround
Klassische Unternehmensberater sind in der Regel die ersten, die von unter Druck geratenen Unternehmen zu Hilfe gerufen werden. Das ist häufig im frühen Stadium der ertragswirtschaftlichen Krise der Fall. Sie verfügen über eine breites Angebotsspektrum, von der Strategieberatung bis hin zu Kostensenkung und Performance Improvement. Sie analysieren die Geschäftsprozesse und arbeiten in erster Linie Konzepte aus, die das Management anschließend operativ umsetzt, teils begleitet von den Beratern.

Interimsmanager: Retter als Geschäftsführer auf Zeit
Steht ein Unternehmen schon stark unter Druck und befindet es sich in der finanzwirtschaftlichen Krise, reichen Strategiekonzepte alleine nicht mehr aus. Es braucht Restrukturierungsberater, die schnellstens innerhalb der Firma die Finanzen restrukturieren und mit den Banken und anderen Geldgebern verhandeln: über Stundung/Zahlungsaufschub des Kredites, Verzicht eines Teils der Forderungen etc. Diese Aufgabe übernehmen zunehmend Interimsmanager, die vorübergehend als Führungskräfte – mit allen Haftungsrisiken – im Krisenunternehmen eingesetzt werden, um das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. “Sie sind einzelunternehmerisch agierende operative Umsetzer, die sich selbst als Unternehmer sehen und über langjährige Industrieerfahrung in Führungspositionen verfügen”, erläutert Eugen Angster, Vorstandsvorsitzender des BRSI. Wichtiger zusätzlicher Baustein im Lebenslauf ist Restrukturierungserfahrung. Spezielle Vermittlungsagenturen bringen Interimsmanager und Unternehmen zusammen. Die Geschäftsführer auf Zeit werden solange in Krisenunternehmen eingesetzt, bis die Restrukturierung abgeschlossen ist. Es gibt aber auch Mischformen. Roland Berger beispielsweise hat vor rund zwei Jahren eine Tochter gegründet, die TMG Turnaround Management Gesellschaft, die Interimsmanagement durchführt – bis dahin für Strategieberater eher unüblich. “Auf diese Weise können wir diese Dienstleistung anbieten, ohne in Interessenskonflikte zu geraten”, sagt Dr. Ralf Moldenhauer, Partner bei Roland Berger Strategy Consultants.Angelsächsische Restrukturierungshäuser: Der CRO räumt auf
Eine klare Symbiose von Unternehmensberater und Interimsmanager unter einem Dach stellen angelsächsische Restrukturierungshäuser – wie Alix Partners und Alvarez Marsal – dar, die seit einigen Jahren auch in Deutschland aktiv sind. “Sie entwickeln nicht nur einen Plan, wie das Unternehmen saniert werden kann, sondern stellen auch den sogenannten Chief Restructuring Officer (CRO), der ihn im Krisenunternehmen umsetzt”, erklärt Peter Briggs, Deutschlandchef des US-amerikanischen Restrukturierungshauses Alvarez & Marsal. Der CRO übernimmt ähnlich wie der Interimsmanager für eine gewisse Zeit die Position des Vorstands oder Geschäftsführers und geht damit auch Haftungsrisiken ein. Er muss mit Durchsetzungsfähigkeit und Fingerspitzengefühl alle Beteiligten auf die Turnaround-Strategie einschwören. Das bedeutet auch regelmäßig zu Banken zu gehen und nach neuen Überbrückungskrediten zu fragen. Auftraggeber der angelsächsischen Sanierer sind häufig Banken, PE-Gesellschaften, Hedgefonds oder Distressed Debt-Investoren. “Zunehmend engagieren uns deutsche Firmen direkt”, so Peter Briggs. Der Einsatz dieser Restrukturierungshäuser macht allerdings erst ab einem Unternehmenswert von etwa 100 Mio. Euro Sinn.

Distressed Debt: Der Handel mit faulen Krediten
Ein weiterer Trend der letzten Jahre ist der zunehmende Kredithandel, der Restrukturierungsprozesse schneller und effizienter machen kann. Ein dadurch ausgelöster Eigentümerwechsel setzt operative Kräfte frei, bricht überholte Strukturen auf. “Der Verkauf von Krediten wird in angelsächsichen Ländern seit langem praktiziert, in Deutschland war er bis vor fünf Jahren so gut wie unbekannt. Inzwischen hat sich die Kreditkultur auch hierzulande geändert. Allerdings ist die Bedeutung des Kredithandels noch gering”, sagt Gerd Bieding, Geschäftsführer, Close Brothers GmbH. Das liegt in den häufig unübersichtlichen Kreditstrukturen, einer bunten Mischung aus bilateralen Kreditbeziehungen auf der Passivseite. In England und den USA ist die Passivseite stärker stru
kturiert.

Typischer Ablauf eines Kreditverkaufs
“Banken dürfen Unternehmenskredite grundsätzlich nur dann ohne Zustimmung des Kreditnehmers verkaufen, wenn der Vertrag es explizit erlaubt (Transferklausel) oder es wesentliche Vertragsverletzungen gibt, die berechtigen, den Kredit zu kündigen, bzw. die Forderung bereits gekündigt ist”, so Close Brothers-Geschäftsführer Bieding. In einer wirtschaftlichen Krise ist dies meist der Fall, und die Banken können sich im Rahmen ihrer Risikosteuerung von notleidenden Darlehen trennen, die sie mit einem Abschlag verkaufen. Auf der anderen Seite stehen Investmentbanken, die gezielt nach Krediten bestimmter Unternehmen suchen, sei es für Dritte oder auf eigene Rechnung. Typische Käufer sind Hedgefonds, Private Equity-Häuser und Investmentbanken. Deren Motive sind höchst vielfältig. Der überwiegende Teil erwirbt die Kredite als passives Investment. Dagegen möchten Kontrollkäufer über den Kauf von Krediten die Kontrolle über Unternehmen erlangen und aktiv eingreifen. Die dritte Gruppe sind Störkäufer, die darauf hoffen, sich ihre Zustimmung bei Bedarf teuer abkaufen zu lassen.Zunehmende Komplexität
“Nicht zu unterschätzen ist allerdings die zunehmende Komplexität durch den Handel mit notleiden Krediten und Distressed Debt-Investoren in der Refinanzierungssituation”, meint Dr. Ralf Moldenhauer, Partner, Roland Berger Strategy Consultants. Früher gab es in Deutschland eine relativ einfache Restrukturierungskultur, mit zwei wesentlichen Interessenlagern: auf der einen Seite die betroffenen Unternehmen mit ihren Eigentümern, auf der anderen Seite die kreditgebenden Banken, die ihre Interessen gepoolt hatten und zu denen oft jahrzehntelange Beziehungen bestanden. Plötzlich sitzen bei Krisenverhandlungen Hedgefonds, Restrukturierungshäuser und Private Equity-Gesellschaften mit am Tisch. Die größere Zahl unterschiedlicher Interessengruppen erschwert eine Einigung, was gerade in Krisensituationen, in denen enormer Zeitdruck herrscht, das Insolvenzrisiko enorm erhöhen kann. Gelingt es jedoch einzelnen Akteuren, die Führung an sich zu reißen, dann kann Kredithandel letztendlich Sanierungsprozesse beleben und Insolvenzen verhindern. Distressed-Investoren sind bereit, gezielt Geld in Krisenfälle zu stecken, wollen dafür aber auch massive Konzessionen von den bisherigen Stakeholdern haben (z. B. Forderungsverzicht). Der entscheidende Punkt: “Käufer notleidender Kredite investieren freiwillig in eine Krisensituation hinein. Sie sehen die Krise als Chance, wollen möglichst schnell einen Return daraus machen und setzen dafür alle Hebel in Bewegung”, erklärt Gerd Bieding, Geschäftsführer bei Close Brothers. Allerdings ist dieses Instrument durch die Finanzkrise vorübergehend unter Druck geraten.

Erfolgsfaktoren für den Turnaround
Was sind nun die Erfolgsfaktoren für den Turnaround? “Entscheidend ist, die richtigen Prioritäten zu setzen”, betont Alvarez & Marsal-Deutschlandchef Briggs. Schließlich ist Zeit in der Krise der kritische Faktor – Entscheidungen müssen schnell getroffen und umgesetzt werden. An erster Stelle steht, die Liquidität zu sichern, die Finanzen in Zusammenarbeit mit den Gläubigern und Investoren zu restrukturieren sowie neues Kapital einzuwerben. Dabei ist es unerlässlich, die Kommunikation mit Geldgebern, Kunden, Zulieferern aufrecht zu erhalten, damit das Geschäft weiterläuft. “Damit eine Sanierung funktioniert, braucht man auch ein überzeugendes Konzept, das nicht nur an den Kosten ansetzt, sondern auch Wachstumsimpulse mit berücksichtigt”, rät Roland Berger-Partner Dr. Moldenhauer. Man muss Strukturen verändern, mit Traditionen brechen, alte Zöpfe abschneiden, die meist die Ursachen für die Krise sind. Dazu zählt auch der partielle Austausch des Managements.

Reformbedarf des deutschen Insolvenzrechts
Während sich die Akteure und Instrumente der Restrukturierung immer mehr internationalen Standards annähern, fordern Experten seit Jahren bislang erfolglos einen Reformbedarf des deutschen Insolvenzrechts. “In Deutschland gibt es einige fundamentale Mängel im System, die man ausbügeln muss, und dann haben wir ein gutes Rüstzeug”, sagt Kolja von Bismarck, Partner bei Clifford Chance. Zu allererst sollte die Überschuldung als Insolvenzgrund abgeschafft werden, wie es in den meisten europäischen Ländern bereits der Fall ist. Gerade in einer finanzwirtschaftlichen Krise sind Vermögen, Forderungen und Patente zu Zerschlagungswerten – die weit unter dem realen Wert liegen – regelmäßig niedriger als die Verbindlichkeiten, sodass eine Überschuldung vorliegt und eigentlich zu früh Insolvenz angemeldet werden muss. Hätte man dagegen noch genügend Zeit, ließe sich ein Konkurs häufig noch mit entsprechenden Experten vermeiden. Ein weiteres deutsches Problem ist, dass die Gläubiger nicht wie in England oder in den USA Einfluss auf die Auswahl des Insolvenzverwalters haben, der vom zuständigen Insolvenzgericht bestellt wird. So kommt es häufig zu Fehlentscheidungen durch branchen- und restrukturierungsunerfahrene Verwalter, die eine mögliche Sanierung verhindern.Das Insolvenzplanverfahren in der Kritik
Außerdem gibt es Mängel im 1999 in Deutschland eingeführten sogenannten “Insolvenzplanverfahren” – das dem “Chapter 11” in den USA sehr ähnlich ist. Es bietet die Möglichkeit, ein Unternehmen zu sanieren, indem alle Fremdkapitalgeber einen Teil ihrer Schulden erlassen. “Das Verfahren weist einen nicht zu rechtfertigenden, die Akzeptanz des Verfahrens in der Praxis zugleich stark beeinträchtigenden Systembruch auf, weil es die Gläubiger eines Unternehmens im Ergebnis schlechter stellt als dessen Eigentümer”, erklärt Clifford-Chance-Partner Kolja von Bismarck. Während die Kreditgeber dabei auf einen Teil ihres Geldes verzichten, sieht das Verfahren nicht vor, dass auch die Gesellschafter Anteile abgeben müssen. Das heißt, die Banken tragen zwar das hohe Ausfallrisiko, profitieren aber nicht wie die Gesellschafter im Erfolgsfall von einem steigenden Unternehmenswert. Deswegen ist kaum ein Kreditgeber dazu bereit. Hier wäre wichtig, wie in angelsächsischen Ländern die zwangsweise Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital zu ermöglichen. “In der Krise muss die 75%-Mehrheit der Gläubiger in der Lage sein, die Gesellschafter zu einem Debt to Equity Swap zu zwingen, also dazu, Firmenanteile an die Gläubiger abzutreten”, sagt Kolja von Bismarck, Partner bei Clifford Chance. Von diesen Punkten abgesehen, ist die Insolvenzrechtsordnung in England und den USA allerdings gar nicht so viel besser als bei uns. Ein klarer deutscher Vorteil ist z. B. das Insolvenzgeld. Der Vorbildcharakter der Angelsachsen liegt eher in deren höheren Bereitschaft, außergerichtlich zu sanieren. Sie sind auch eher bereit, zur Rettung eines Unternehmens auf Forderungen zu verzichten. Entsprechende Änderungen in der Insolvenzordnung hält von Bismarck – der einer Arbeitsgruppe beim Bundesjustizministerium angehört – für relativ wahrscheinlich.

Fazit
Die deutsche Restrukturierungsbranche ist gut aufgestellt und gerüstet, um zahlreiche Unternehmen über die bevorstehende Wirtschaftskrise zu retten. Das geht natürlich einher mit harten Veränderungsprozessen und einer Verschiebung von Besitzverhältnissen, weg von den bisherigen Stakeholdern hin zu neuen Eigentümern. Volkswirtschaftlich gesehen ist dies jedoch die bessere Lösung im Vergleich zur Insolvenz, die Arbeitsplätze, Werte und Wirtschaftskraft vernichtet. Für die Unternehmen gilt es, nicht die Augen vor den drohenden Problemen zu verschließen, sondern rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um die Krise zu meistern.

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