Eine Tiefkühlpizza, die mindestens so gut schmeckt wie in einem guten italienischen Restaurant − mit diesem Credo startete Christoph Schramm 2014 seine eigene Tiefkühlpizzaproduktion namens Franco Fresco im bayerischen Geretsried in der Nähe von München. Anfangs lieferte er an Restaurants und Cafés; seit 2015 ist die Premiumpizza unter der Marke Gustavo Gusto auch im Großhandel und seit 2016 im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland erhältlich. Seitdem hat sich das Geschäft so gut entwickelt – inzwischen gibt es die Tiefkühlpizzen auch in Österreich und der Schweiz − dass der Pionier nun ein neues Werk in Thüringen eröffnet und die Produktion 2022 verdoppeln will. INTERVIEW EVA RATHGEBER
Unternehmerediton: Eine Tiefkühlpizza in Restaurantqualität − wie sind Sie auf diese Geschäftsidee gekommen und was hat Sie als Newcomer zuversichtlich gemacht, sich auf einem relativ gesättigten Markt behaupten zu können?
Christoph Schramm: Während meines BWL-Studiums wollte ich mich mit einem Kommilitonen selbstständig machen, und wir haben dann gegenüber der Passauer Uni eine Holzofenpizzeria für die Studierenden eröffnet. Ich hatte damals keinerlei gastronomischen Background und auch keine Erfahrung mit der Lebensmittelherstellung.
Ich habe mich gefragt, warum die Pizzen in den Tiefkühltruhen geschmacklich und optisch so anders sind als unsere Holzofenpizzen aus dem Restaurant. In der Werbung heißt es zwar immer „Wie beim Italiener“. Aber das hatte ja eigentlich nichts miteinander zu tun. Mit meiner Erfahrung aus der eigenen Holzofenpizzeria wollte ich ausprobieren, ob es nicht doch möglich ist, eine Pizza zu entwickeln, die von der Größe und von den Zutaten sowie vom Look und vom Geschmack her genauso ist wie die aus der Pizzeria.
Ich habe dann eine Pizza von uns in die Tiefkühltruhe gelegt und am nächsten Tag im Haushaltsofen aufgebacken. Die schmeckte zwar noch nicht perfekt, aber deutlich besser als alles, was ich in Sachen Tiefkühlpizza vorher kannte. Ich habe dann so lange weiter herumprobiert, bis ich ein Produkt hatte, mit dem ich auf den Markt gehen konnte. Und dieser Prozess hält natürlich weiter an. Wir haben den Anspruch, immer noch besser zu werden. Dafür haben wir auch eine Abteilung für Produktentwicklung ins Leben gerufen.
Wie hat sich Ihr Geschäft seitdem entwickelt?
Wir konnten von Anfang an sehen, dass das Produkt einschlägt. Natürlich hatten wir zunächst diverse Hürden zu überwinden und wussten nicht, ob wir es schaffen. Als wir noch ausschließlich die Gastronomie belieferten, lief das Geschäft noch nicht so gut. 2015 sind wir an den Großhandel herangetreten, was uns die Tür zu den Kantinen geöffnet hat. Das hat uns einen Sprung nach vorne gebracht. Nachdem wir uns 2016 mit Rewe auf eine Kooperation einigen konnten, ging es dann kontinuierlich bergauf. Mit dem Start im Einzelhandel war klar, dass das Produkt gut angenommen wird.
Im Coronajahr 2020 haben wir Umsätze von rund 50 Mio. EUR erwirtschaftet, 20 Mio. EUR mehr als im Vorjahr und für dieses Jahr rechnen wir mit einer Umsatzverdoppelung auf 100 Mio. EUR. Kein anderer Tiefkühlhersteller ist zuletzt so gewachsen wie wir. Zum zweiten Mal in Folge kürte uns die Financial Times London zur wachstumsstärksten Foodmarke Europas. Letztes Jahr in der Kategorie Food & Beverage, dieses Jahr nur noch in der Kategorie Food. (Er lacht): Bei Beverage ist im Coronajahr nur eine Whisky-Marke an uns vorübergezogen.
Hat Ihnen Corona besonderen Auftrieb verliehen?
Bei der ersten Welle, als es mit dem Konsum von Fertiglebensmitteln so richtig abging, konnten wir so gut wie gar nicht partizipieren, weil wir da an unserer Kapazitätsgrenze produziert haben. Jetzt, über die Dauer, haben wir natürlich schon auch von dem Boom profitiert. Aber das ist für uns nicht erfolgsentscheidend gewesen.
Inzwischen ziehen große Hersteller wie Dr. Oetker oder Wagner nach und versuchen, Ihr Konzept zu imitieren. Haben Sie Angst davor, eingeholt zu werden?
Der Markt ist groß und wir bedienen schon noch eine Nische. Unser Umsatzanteil am deutschen Markt beläuft sich aktuell auf sieben Prozent. Auch wenn große Konkurrenten einzelne Merkmale, wie zum Beispiel unsere besondere Pizzengröße von ca. 30 Zentimetern, kopieren, heißt das nicht, dass sie uns damit das Premium-Segment streitig machen. Wir bedienen eine ganz spezielle Zielgruppe. Über 30% unserer Kunden haben in den letzten zehn Jahren gar keine Tiefkühlpizza mehr gegessen. Das sind Kunden mit einem sehr hohen Anspruch, die ganz besonders auf Qualität achten und sich die Pizza entweder vom Italiener holen oder sie sogar selbst backen. Diese Kunden sind auch bereit, etwas mehr für ein gutes Produkt zu bezahlen.
Wir verfolgen in der Herstellung einen ganz anderen Ansatz als herkömmliche Pizzaproduzenten. Bei den meisten wurden auf Kosten der Qualität immer mehr Prozessabläufe durch Maschinen ersetzt, um den Preis drücken zu können. Wir hingegen passen unsere Maschinen dem Produkt an und niemals das Produkt den Maschinen. Dort, wo das nicht möglich ist, überlegen wir uns, ob wir neue Maschinen entwickeln können oder arbeiten ansonsten mit der Hand.
Welche Rolle spielt bei Ihnen das Marketing und worin liegt hier der besondere USP Ihres Vorgehens?
Marketing ist – neben der Qualität unserer Produkte – bei uns mit sehr wichtig. Da haben wir mit Michael Götz und seinem Team zum Glück die beste Mannschaft. Wir hatten nie ein großes Marketingbudget und waren deshalb die ersten, die ihr Marketing direkt am Point-of-Sales ohne Zusatzkosten realisiert haben. Und das scheint hervorragend zu funktionieren: uns wurde immer wieder zurückgespielt, dass sehr viele Kunden zugegriffen haben, weil unsere Pizza mit dem großen, weißen Karton und den „coolen Sprüchen“ aus dem breiten Tiefkühlpizzaangebot heraussticht und sie anspricht.
Wie es scheint, fahren Sie eine recht vorsichtige Strategie hinsichtlich der Finanzierung Ihres Unternehmenswachstums. Nur aus sich heraus, alles in kleinen Schritten. Wird sich hier über kurz oder lang etwas ändern?
Wir sind mit einem Förderdarlehen über 300.000 EUR gestartet, aber dann war leider Schluss. Anfangs konnten wir noch keine Bankkredite bekommen. Ich habe mir dann immer wieder Geld von Freunden und Bekannten geliehen. Es war deshalb über lange Zeit sehr knapp, doch irgendwie haben wir es geschafft. Inzwischen sind wir bankenfinanziert und es wird immer leichter für uns, an Fremdkapital zu gelangen.
Sie haben bereits verkündet, dass Sie Ihre Produktion 2022 verdoppeln möchten und bauen dafür jetzt ein zweites Werk in Thüringen auf. Auf welche Weise wollen Sie dieses Wachstum realisieren?
Aktuell produzieren wir etwa 100.000 Pizzen pro Tag. Die Nachfrage ist deutlich größer. Deshalb haben wir ein Werk eines Herstellers für Tiefkühlbackwaren in Thüringen gekauft, um dort neue Produktionskapazitäten in gleichem Umfang wie die bestehenden aufzubauen und unsere Produktion hoffentlich schon im kommenden Jahr zu verdoppeln. Thüringen ist logistisch gut gelegen. Wir haben eine bestehende Halle übernommen, an die wir anbauen können. Außerdem bekommen wir dort Unterstützung und Zuschüsse, die uns als junges Unternehmen sehr gut helfen.
Wir bekommen mittlerweile Anfragen aus der ganzen Welt, nicht nur aus dem europäischen Ausland, sondern auch aus den USA, China, Russland, Japan, Korea, Israel und Ägypten. Im DACH-Markt sind wir schon gut aufgestellt. Die Belieferung des europäischen Auslands wird gerade vorbereitet und darüber hinaus müssen wir unsere Internationalisierungsstrategie erarbeiten. Da sind wir gerade dabei, aber bevor das neue Werk fertig ist, macht das so noch keinen Sinn.
Wir sehen das Jahr 2021 als Jahr des Fundamentbaus. Wir stehen jetzt vor der Aufgabe, alle unsere Prozesse, Abteilungen und Strukturen so aufzubauen, damit wir fit für das Wachstum und für die Internationalisierung sind. Wir haben zum Beispiel letztes Jahr SAP eingeführt und viele neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt. Auch dieses Jahr stellen wir neue Beschäftigte ein, um unsere bestehenden Abteilungen zu stärken. Aktuell sind bei uns 370 Personen beschäftigt. Bis zum voraussichtlichen Start der Produktion im neuen Werk 2022 wollen wir weitere 100 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen.
Ihr Pizzateig geht mindestens 24 Stunden und wird weiter von Hand ausgezogen. Können Sie mit diesem Verfahren langfristig eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung sichern?
Wir sind natürlich schon Premium. Wir wollen eben die Leute ansprechen, die bereit sind, für Qualität auch zu bezahlen. Ich glaube, es gibt genug Menschen, die keine Pizza für einen Euro kaufen möchten. Unsere Pizza kostet etwa 3,99 Euro und ist um ein Drittel größer als die handelsübliche Pizza. Rechnet man den Preis auf das Gewicht um, sind wir also gar nicht so teuer. Inzwischen gibt es ja fast nur noch Sonderangebote. Wir geben grundsätzlich keine Rabatte. Wir haben einen Preis und den verlangen wir.
Die Leute bezahlen damit unsere hohe Qualität. Bei uns werden die Pizzen auf die gleiche Weise produziert, wie sie in einer Pizzeria hergestellt werden. Natürlich versuchen wir dabei auch, die einzelnen Schritte soweit es geht zu automatisieren. Allerdings tun wir dies nur, solange die Produktqualität nicht darunter leidet. Wir haben eine sehr lange Teigreifung und ziehen den Teig von Hand aus, verwenden Mehl zum Ausbreiten, stampfen oder walzen nicht, verwenden nur ganze Schältomaten, die wir selbst pürieren, und kein mit Wasser gestrecktes und mit Zucker gesüßtes Konzentrat. Das Produkt wird auf Steinplatten vorgebacken, und zwar direkt auf dem Stein. Wir verwenden nur hochwertige Zutaten, nur Mozzarella, ganze Scheiben Hinterschinken, frische Champignons und reine Rindersalami. Das alles ohne Enzyme, ohne künstliche Zusatzstoffe und ohne Backtriebmittel. Natürlich hat dieses Verfahren zur Folge, dass der Teig als Lebendprodukt minimale Schwankungen aufweist und nicht mehr so maschinengängig ist. Aber so ist der Teig nun mal und wir schauen dann eben, wie wir darauf reagieren können.
Wie schaffen Sie es, den Herstellungsprozess klimaneutral zu gestalten?
Wir sind das erste CO2-neutrale Pizzaproduktionsunternehmen in Deutschland. Wir haben einen Architekten eingestellt und arbeiten mit Spezialisten zusammen, die sich mit nachhaltiger Produktion und Energieeffizienz beschäftigen. Natürlich prüfen wir, was wir wie umsetzen können und was davon finanzierbar ist. Aber unser Ziel ist es, alles so nachhaltig wie möglich zu gestalten und – beispielsweise mithilfe von einer Photovoltaikanlage und Verfahren zur Wärmerückgewinnung − das Maximum in Sachen Energieeffizienz rauszuholen.
Sie planen eine Eiscreme auf den Markt zu bringen. Verfolgen Sie dabei die gleiche Strategie wie bei der Tiefkühlpizza oder sind die Marktbedingungen hier anders?
Geplant ist, das neue Produkt im zweiten bis dritten Quartal diesen Jahres deutschlandweit auszurollen. Warum Eis? Weil Eis aus unserer Sicht gut zu Pizza passt. Es geht darum, das, was wir bei der Pizza geschaffen haben, auf ein neues Produkt anzuwenden. Wir nutzen dafür unsere Marke, die ja schon eine gewisse Bekanntheit hat. Die Strategie ist die gleiche: Wir verwenden nur natürliche Rohstoffe und die Verarbeitung erfüllt höchste Qualitätsansprüche.
Wo sehen Sie Gustavo Gusto in zehn Jahren?
Wir wollen Gustavo Gusto in die Welt tragen und wollen die Marke weltweit sehen. Wir sind noch lange nicht am Ende. Unser Antrieb ist nicht der reine Profit, der Hauptantrieb ist ein anderer. Wichtig ist für uns eine klare Haltung. Wir haben gezeigt, dass man eine Marke großmachen kann, auch wenn man nicht nur auf Profit, sondern auch auf Qualität, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit setzt. Erfolg schafft Verantwortung. Je größer wir werden, desto lauter ist unsere Stimme. Der Zeitgeist spielt uns dabei in die Karten und je erfolgreicher wir werden, desto mehr Menschen können wir mitreißen.
Wir danken Ihnen für diese interessanten Einblicke.
ZUR PERSON
Christoph Schramm (43) ist Gründer und CEO bei Franco Fresco. Er hat einen Studienabschluss als Diplom-Kaufmann – und von der Uni in Passau war der Weg in die Wirtschaft nicht weit: konkret nur zehn Meter bis zur anderen Straßenseite. Dort gründete er 2003 eine Holzofenpizzeria. Drei weitere Lokale folgten, ebenso ein Lieferservice. Die Leidenschaft für Pizza glüht auch heute noch, nur jetzt im Tiefkühlsektor. Das Unternehmen backt mittlerweile täglich 100.000 Pizzen, beliefert den gesamten DACH-Bereich und zählt 370 Mitarbeitende.
ZUM UNTERNEHMEN
Franco Fresco GmbH & Co. KG
Sitz des Unternehmens: Geretsried bei München
Gründungsjahr: 2014
Branche: Lebensmittelproduktion
Produktionsstandorte: Geretsried (München), Artern (Thüringen)
Mitarbeiter: 370
Umsatz: 50 Mio. EUR
gustavo-gusto.de
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.