Unternehmen kommen relativ einfach an frisches Geld. Wichtig ist jedoch, dass dieses auch richtig eingesetzt wird. Viele halten sich mit Investitionen noch zurück.
Was bedeutet das aktuelle Niedrigzinsumfeld für die Unternehmensfinanzierung?
Dr. Klaus Weigel, Managing Partner, WP Board & Finance GmbH
Generell ist die Finanzierungssituation der Unternehmen in Deutschland sehr günstig. Kredite sind vergleichsweise leicht und zu außergewöhnlich günstigen Konditionen zu erhalten. Außerdem haben die Unternehmen eine gute Innenfinanzierungssituation, die ihnen einen wesentlichen Teil ihrer Investitionen ermöglicht. Die Kreditnachfrage ist deshalb weiterhin eher verhalten, zumal die aktuellen politischen Unwägbarkeiten ein potenzielles Störpotenzial aufweisen. Bei der Unternehmensfinanzierung sind deshalb keine nennenswerten Veränderungen zu erwarten – trotz des attraktiven Zinsumfelds.
Andreas Schmidt, Vorstand, Bayerische Börse AG
Unternehmen kommen heute sehr günstig an frische Mittel. Kredite sind billig und Corporate Bonds gut zu platzieren. Im Finanzierungsmix von Eigen- und Fremdkapital erscheint es attraktiv, neues Fremdkapital aufzunehmen. Trotzdem ist die Investitionsfreude bei Unternehmern noch niedrig. Geopolitische und konjunkturelle Unsicherheiten lassen sie zögern, langfristige Risiken zu schultern. Der niedrige Zinssatz ist für Umschuldungen gut.
Thomas Geppelt, Head of Capital Markets, Baader Bank AG
Die nach der Finanzkrise zu beobachtende Zurückhaltung der Banken hat sich teilweise entspannt. Sie stehen heute wieder öfter als Finanzierungspartner zur Verfügung. Die Unternehmen profitieren von günstigen Finanzierungskonditionen, sowohl auf Basis des historisch niedrigen Zinsumfelds als auch der zurückgegangenen Risikoprämien. Zusätzlich veranlasst das Niedrigzinsumfeld Investoren dazu, ihre Anlagestrategie zu ändern. Sie erweitern teilweise ihr Anlagenportfolio um direkte Unternehmensfinanzierungen und steigern somit das Angebot an Finanzmitteln für Unternehmen. Kostensteigernd wirken sich hingegen negative Anlagezinssätze aus. Diese können die Finanzierungskosten vor allem für Unternehmen mit hohen liquiden Beständen erhöhen.
Kai Matthias Liebe, Geschäftsführender Gesellschafter, LSG & Kollegen
Viele Unternehmen haben nun die Möglichkeit, sich zu günstigen Zinsen weiterentwickeln zu können. Dies hat zur Folge, dass viele Unternehmen dazu tendieren, sich vornehmlich im Umfeld von M&A zu engagieren. Die Akquisition von Komplementärproduktherstellern, Lieferanten oder auch Mitbewerbern ist hier meist die erste Option. Zu bedenken gilt, dass man hier dennoch in erster Linie den Fokus auf die Stärkung der Kernkompetenzen legen sollte. Gerade im Mittelstand sollte man die günstige Zinssituation nutzen, um nachhaltig in Forschung und Entwicklung zu investieren.