Die Bauindustrie erlebt gerade keine leichten Zeiten. Angesichts von Wohnungsmangel, steigenden Preisen, der Entwicklung der Zinsen und Lieferkettenproblemen sind innovative Lösungen gefragt. Die beiden Unternehmen R+S Group und NOKERA wollen mit ihrer Methode des seriellen und nachhaltigen Bauens am Markt erfolgreich sein. Deswegen gehen die Unternehmen nun zusammen.
Mit der vollständigen Übernahme der R+S Group durch das deutsch-schweizerische Unternehmen Nokera möchten sich beide Unternehmen gemeinsam noch breiter im Markt für nachhaltiges und serielles Bauen positionieren und ihren Fußabdruck im Smart Building Segment erweitern. Ziel der Transaktion ist, durch das Zusammenlegen der jeweiligen Kompetenzen den stark wachsenden Markt rund um das nachhaltige, serielle Bauen neu zu gestalten. Die Portfolios beider Unternehmen ergänzen sich hierbei optimal: Die R+S Group verfügt über ein großes Know-how in den Bereichen Energie- und Steuerungstechnik, Gebäudetechnik sowie Heizungs- und Klimaanlagen. Nachhaltige Lösungen für die Versorgungstechnik wie Wärmepumpen und Photovoltaik sind auch im Portfolio.
Die Transaktion wurde durch ein Team der Corporate Finance-Beratungsgesellschaft Clearwater International auf Seiten des Verkäufers begleitet.
Das Greentech-Unicorn Nokera ist beim seriellen, nachhaltigen Wohnungsbau und Sanierungen in Holzbauweise bereits am Markt sehr gut etabliert. „Die R+S Group mit ihrem technischen und handwerklichen Wurzeln verbindet nachhaltige Technologien mit fortschrittlichen Innovationen. Mit diesem Ansatz und Anspruch passen die Unternehmensgruppe und Nokera ideal zusammen. Beide Gesellschaften begegnen sich auf Augenhöhe und haben den Anspruch miteinander zu wachsen und voneinander zu partizipieren. Durch die Bündelung der Dienstleistungen werden nun neue Märkte gezielter erschlossen und Kundenbedarfe nachhaltig gedeckt“, erklärt dazu Ralph Burkhardt, nach dem Zusammenschluss Vorstandsvorsitzender der neuen Gruppe.
Umdenken in der Baubranche notwendig
Die aktuelle Situation in der Immobilienbranche und vor allem beim Wohnungsbau schafft nach Ansicht von Burkhardt die entsprechenden Voraussetzungen für einen weiteren Wachstumskurs der neuen Gruppe: „Die aktuelle Krise angesichts von Wohnungsmangel, Klimakrise und Baurichtliniendschungel bewirkt ein Umdenken. Politik und Wirtschaft stehen vor Herausforderungen, die mit bisherigen Konzepten nicht gelöst werden können.“ Die Kombination aus der Verwendung von ausschließlich nachhaltig zertifiziertem Holz für den seriellen Wohnungsbau mit einer klimaneutralen und energieeffizienten Gebäudetechnik aus einer Hand ist nach Ansicht von Burkhardt bislang einmalig. „Unsere Wertschöpfungskette agiert so effektiv miteinander, dass Ressourcen von Beginn an geschont werden. Dank serieller Neubauten und energetischen Optimierungen setzen wir hier nicht nur neue, moderne Maßstäbe, sondern liefern gleichzeitig nachhaltige Antworten auf aktuelle Fragen. Wir sind bei der smarten Digitalisierung im Gebäudesektor ganz vorne mit dabei“, fährt er fort. Die Optimierung von bisher langatmigen Prozessen in der Branche wirkt somit aktiv auf eine Reduzierung der Zeit- und Kostenbudgets hin. „Durch die digitale Bauplanung erhalten der Kunde und wir frühzeitig einen realistischen Eindruck von der Machbarkeit der vorgelagerten Planung.“
Die R+S Group wurde vor mehr als 35 Jahren gegründet. Die Unternehmensgruppe agiert inzwischen weltweit mit rund 3.000 Mitarbeitenden an annähernd 30 Standorten im Bereich Technische Gebäudeausrüstung (TGA), Personaldienstleistungen und Elektrogroßhandel. Die R+S Group und Nokera haben bereits vor der Transaktion intensiv miteinander kooperiert. Der gesellschaftsrechtliche Zusammenschluss war dann nur noch ein weiterer logischer Schritt für eine effizientere Bearbeitung des Marktes. Die R+S-Zentrale in Fulda wird bereits zu einer Basis für den Shared-Service ausgebaut. In den kommenden Monaten sind zahlreiche weitere Investitionen vorgesehen und aufgrund der erfreulichen Nachfrage wird es weitere Einstellungen von Mitarbeitenden geben. „Die Zusammenarbeit mit NOKERA ist also viel mehr als eine langfristige Absicherung für die R+S Group als Arbeitgeber“, unterstreicht Burkhardt.
Clearwater betreute auch ersten Verkauf
Bereits 2021 beriet Clearwater die R+S Group beim Einstieg der Deutschen Beteiligungs AG (DBAG) als Mehrheitsgesellschafter. Insofern war es aufgrund der Kenntnisse des Unternehmens naheliegend, dass Clearwater auch bei dieser Transaktion eingebunden wurde. „Die DBAG und die Haspa Beteiligungsgesellschaft für den Mittelstand haben die R+S Group 2021 im Rahmen einer Neustrukturierung des Eigenkapitals erworben, um gemeinsamen mit dem Management-Team die Gruppe für zukünftiges Wachstum auszurichten“, erklärt Markus Otto, Managing Partner bei Clearwater. In der Folge sei dann eine Reorganisation erfolgreich vorgenommen worden. Ein wichtiger Schritt dabei war die Weiterentwicklung der Positionierung im Bereich der energie-effizienten und nachhaltigen Gebäude-Systeme. Das sei dann zugleich die Basis dafür gewesen, dass eine Zusammenarbeit mit dem Holz-Hybridbau-Pionier Nokera eingegangen wurde. Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr in Steglitz bei Magdeburg die weltgrößte Fabrik für seriellen Wohnungsbau errichtet. In der sogenannten „Green-Construction-Factory“ sollen nach Angaben des Unternehmens vollautomatisch Mehrfamilienhäuser in Holz-Hybridbauweise für den öffentlich geförderten Wohnungsbau produziert werden. Diese könnten aufgrund der speziellen Bauweise für sechs bis neun Euro pro Quadratmeter vermietet werden. In der Spitze sollen auf einer Fläche von rund 125 Fußballfeldern im Jahr 20.000 Wohnungen hergestellt werden.
Interesse von vielen Investoren
Im Zuge der Wachstumsstrategie von Nokera kam dann auch der Kontakt zur R+S Group zustande. Um den Markt für Wohnungsbau noch besser bedienen zu können, sollten die Kompetenzen der beiden Unternehmen zusammengeführt werden: Nokera sorgt für einen schnellen und kostengünstigen Bau mit nachhaltigen Materialien und die R+S Group steuert die passende Gebäudetechnik und umweltschonende Energieversorgung bei. Dieses Angebot kommt dann praktisch vom Fließband und ist somit leichter zu vermarkten – und spart Kosten in vielen Bereichen. „Wir hatten im Prozess für einen Verkauf auch Anfragen von anderen Investoren, denn die R+S Group hat am Markt einen hervorragenden Ruf. Es gab dabei vor allem ein starkes Interesse von strategischen Investoren“, erinnert sich Markus Otto. In den Gesprächen mit dem Management habe sich gezeigt, dass sich die beiden Unternehmen optimal ergänzen und sich so ganz neue Chancen auf einem wachsenden Markt auftun. Diese gemeinsame Überzeugung war dann auch eine solide Basis für die weiteren Verhandlungen mit Nokera. „Wir haben hier gemeinsam den größten strategischen Fit gesehen“, so Otto weiter.
Für die DBAG war die Beteiligung an der R+S Group ihre zweite langfristige Beteiligung – also ausschließlich mit Mitteln aus der eigenen Bilanz strukturiert. „Der Trend zu Smart Buildings und energieeffizienten Gebäuden sorgt für anhaltendes Wachstum und vergrößert den Markt insbesondere für die elektrische Gebäudeausrüstung, die R+S schwerpunktmäßig anbietet“, erklärt Christoph Großekämper, Mitglied der Geschäftsleitung bei der DBAG. Der Markt für kosteneffiziente, nachhaltige und seriell produzierte Immobilien biete allerbeste Wachstumsperspektiven. Die hochautomatisierte Serienfertigung von Nokera ermögliche erhebliche Kosten- und Zeitvorteile gegenüber dem konventionellen Wohnungsbau – und das in einem ESG-freundlichen Umfeld. Damit sind die Zukunftsaussichten mehr als positiv.
KURZPROFIL R + S Group GmbH
Branche: Gebäudetechnik & Personaldienstleistung
Sitz: Fulda
Gründungsjahr: 1988
Anzahl Mitarbeitende: bis zu 3.000
Umsatz: 360 Mio. EUR
Dieser Beitrag ist in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 1/2024 mit Schwerpunkt “Unternehmensnachfolge” erschienen.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.