Das vierte Quartal 2024 begann mit einem herausragenden Oktober und setzte sich mit insgesamt neun angekündigten Milliardendeals fort, die einen Gesamtwert von über 42 Mrd. EUR erreichten. September und Oktober verzeichneten allein ein rekordverdächtiges Volumen der jüngeren Vergangenheit mit fünf Deals im Wert von knapp 72 Mrd. EUR, die im Jahresranking die Plätze 1 bis 4 und 6 einnehmen.
Das dritte Quartal 2024 war das stärkste seit langem, mit fünf Milliardendeals und einem akkumulierten Dealvolumen von 50 Mrd. EUR. Besonders bemerkenswert war dabei die größte öffentliche Übernahme in Deutschland seit Jahren: ausgelöst durch die deutsche Regierung beziehungsweise das Finanzministerium (MoF) wurde im September 2024 ein 4,5%-Anteil der Commerzbank in einem beschleunigten “Bookbuild”-Verfahren an einen einzigen strategischen Käufer zum Preis von 13,20 EUR je Aktie platziert. Unicredit erwarb unmittelbar weitere 4,5% der Commerzbank-Anteile am Markt und kontrolliert mittlerweile knapp 29% der Aktien, direkt oder über Derivate. Unicredit hat die Absicht bekundet, ein freundliches Übernahmeangebot abzugeben und die Commerzbank in Unicredit zu integrieren. Die Aktien notieren derzeit über 18 EUR, und wir erwarten ein endgültiges Übernahmeangebot von über 20 EUR je Aktie, was einem Gesamtwert von mindestens 24 Mrd. EUR entspräche.
M&A-Zahlen im Überblick
Unsere Datenbankanalyse führt zu folgenden Zahlen, die jedoch mit Vorsicht zu genießen sind: Es wurden insgesamt 2.020 Deals in Deutschland verzeichnet, von denen 365 mit bekanntem Transaktionsvolumen einen Gesamtwert von 98,7 Mrd. EUR erreichten. Dabei entfielen 1.062 Deals auf deutsche Käufer („Domestic M&A“) mit einem Gesamtwert von 22,3 Mrd. EUR, während 958 Deals mit ausländischen Käufern in Deutschland einen Gesamtwert von 76,4 Mrd. EUR aufwiesen. Darüber hinaus gab es 842 Deals mit deutschen Käufern im Ausland, deren Gesamtwert sich auf 56,4 Mrd. EUR belief. Hinzu kommen 158 deutsche Unternehmensverkäufe im Ausland, mit einem Gesamtwert von 12,3 Mrd. EUR.
Die M&A-Aktivität im Jahr 2024 hat sich damit stark erhöht und liegt fast auf dem Niveau von 2021. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Zahlen auch wirklich akkurat sind. Probleme könnten durch ungenaue Filter entstehen, etwa durch die Einbeziehung von Finanzierungsrunden für Start-ups und Scale-ups, Zukäufen nach einem Kontrollerwerb von Minderheitsgesellschaftern oder Squeeze-outs, Aktienrückkäufen, dem Verkauf von Minderheitsbeteiligungen durch Private-Equity-Fonds, Direktinvestments von Finanzunternehmen oder institutionellen Anlegern sowie Infrastruktur- und Immobilieninvestitionen und Produktrechte beziehungsweise Produktentwicklungen, die ebenfalls in Form von Firmenbeteiligungen durchgeführt werden.
Klar definierter M&A-Markt
Wir fokussieren uns auf Transaktionen, die zu einer Erlangung der Kontrolle über ein Unternehmen führen. In den meisten Jurisdiktionen wird Kontrolle durch öffentliche Übernahmeregelungen definiert, wobei meist ein Schwellenwert von 30% Beteiligung als entscheidend gilt. Für private Unternehmen gilt diese Regelung jedoch nicht, und auch Beteiligungen bis 49% könnten im Extremfall lediglich als rein finanzielles Investment betrachtet werden.
Von den 36 Milliardendeals mit deutscher Beteiligung im Jahr 2024 haben wir 13 Transaktionen im Wert von 20 Mrd. EUR ausgeschlossen. Gleichzeitig haben wir jedoch die bereits konkretisierte und initiierte Übernahme der Commerzbank hinzugerechnet. So kamen wir am Ende auf 24 Milliardendeals im Gesamtwert von 115 Mrd. EUR, was bereits den Wert aller M&A-Deals mit deutschem Bezug im Jahr 2023, der bei 108 Mrd. EUR aus 233 Deals lag übertrifft.
Aus verschiedenen Datenbanken haben wir zudem 51 Transaktionen im Transaktionswertbereich von 100 Mio. bis 999 Mio. EUR identifiziert, mit einem kumulierten Transaktionswert von 18,7 Mrd. EUR. Außerdem haben wir 69 Transaktionen im Wert von 10 Mio. bis 99 Mio. EUR erfasst, mit einem aggregierten Transaktionswert von 2,8 Mrd. EUR. Insgesamt ergibt sich damit ein Transaktionswert von 136,5 Mrd. EUR aus 144 Transaktionen mit bekanntem Transaktionswert. Der Großteil der erfassten Transaktionen weist keinen Transaktionswert aus. Diese “Dunkelziffer” ist bei kleineren Transaktionen natürlich viel höher als bei großen, fällt aber wertmäßig viel weniger ins Gewicht.
Die Milliardendeals 2024
Die Anzahl der Deals in Milliardenhöhe des Jahres 2024 verteilten sich relativ gleichmäßig über die Quartale, mit sechs Deals im ersten Quartal, je fünf im zweiten und dritten Quartal und acht im vierten Quartal, wertmäßig sieht es aber sehr unterschiedlich aus. Besonders hervorzuheben ist das dritte Quartal, das mit einem Gesamtwert von 50 Mrd. EUR deutlich das stärkste war, gefolgt vom vierten Quartal mit 40 Mrd. EUR. Gemeinsam machten Q3 und Q4 78% des Gesamtwertes der Milliardendeals aus. Im Vergleich dazu trugen das erste Quartal mit 12,6 Mrd. EUR und das zweite Quartal mit 12,9 Mrd. EUR jeweils nur ca. 11% zum Gesamtwert bei.
Rund zwei Drittel der Deals im Wert von insgesamt 86 Mrd. EUR betrafen Übernahmen in Deutschland. Von den 16 Übernahmen in Deutschland, mit einem Gesamtwert von 82,5 Mrd. EUR, wurden 13 von ausländischen Käufern getätigt. Darüber hinaus fanden sieben Private Equity(PE)-Investitionen von US-Fonds statt, im Gesamtwert von 23 Mrd. EUR.
Die drei größten Deals des Jahres, alle mit ausländischen strategischen Käufern, hatten einen Gesamtwert von 54,4 Mrd. EUR und machten 47,4% des aggregierten Wertes aus. Diese Deals waren:
- die geplante Übernahme der Commerzbank durch Unicredit im Wert von 24 Mrd. EUR,
- die erfolgreiche Übernahme von Covestro durch Abu Dhabi Oil Co. (ADNOC) im Wert von 16 Mrd. EUR,
- der Kauf von DB Schenker durch DSV Panalpina von der Deutschen Bahn AG für 14 Mrd. EUR.
Quelle: weigelCF; Zum Vergrößern bitte hier anklicken!
Es gab auch zehn Zukäufe deutscher Unternehmen, von denen nur drei in Deutschland stattfanden, während sieben im Ausland erfolgten. Davon waren sechs Zukäufe in den Vereinigten Staaten und einer in Kanada. Zu den bemerkenswerten Deals gehörten ein Joint-Venture im Wert von 2,1 Mrd. EUR von VW mit Rivian, Siemens’ Kauf von Altair Engineering Inc. für 11 Mrd. USD und Bosch’ Übernahme des Heiz- und Klimageschäfts von Johnson Controls für 8 Mrd. USD. Zalando erwarb die About You AG für 1,14 Mrd. EUR von der Otto Group.
Die Rolle von Private Equity im Jahr 2024
Die fünf größten Deals des Jahres beliefen sich auf einen Gesamtwert von 72,5 Mrd. EUR und waren ohne Private Equity(PE)-Beteiligung. Dennoch war PE an 13 der 24 Milliardendeals mit einem Gesamtwert von 32,8 Mrd. EUR beteiligt, was etwa 28,5% des Gesamtvolumens ausmachte. Neun dieser Deals fanden in Deutschland statt, drei in den Vereinigten Staaten und einer in Kanada. Von den PE-Investitionen waren sechs klassische PE-Exits im Gesamtwert von 9,9 Mrd. EUR, die an strategische Käufer gingen. Die drei größten PE-Deals sowie PE-Deal Nr. 7 waren Secondaries, alle in Deutschland. Insgesamt waren PEs jedoch Nettoverkäufer, mit zehn Verkäufen im Wert von 26,7 Mrd. EUR gegenüber sieben Übernahmen im Wert von 22,9 Mrd. EUR.
Ausblick auf 2025
Für das Jahr 2025 erwarten wir, dass global agierende deutsche Unternehmen weiterhin im Ausland wachsen und verstärkt Zukäufe tätigen werden. Der DAX stieg 2024 um 19% und liegt aktuell bereits bei einem Plus von 9%, während die Europäische Zentralbank die Zinsen erwartungsgemäß um 25 Basispunkte gesenkt hat. Das Kapitalmarktumfeld bleibt also positiv. Zudem verfügen Private-Equity-Fonds über hohe liquide Mittel und suchen verstärkt nach attraktiven Anlagemöglichkeiten, wobei Deutschland als potenzielles Zielgebiet interessant bleibt.
Die deutsche Industrieproduktion wird voraussichtlich weiter schrumpfen, was zusätzliche Möglichkeiten für große Übernahmen zu attraktiven Einstiegspreisen schaffen könnte, einschließlich “special situations” wie Umstrukturierungsfälle und Carve-outs größerer börsenorientierter und privater Konzerne. Die niedrigeren Zinsen erleichtern zudem fremdfinanzierte Akquisitionen. Hohe Investitionen in Infrastruktur, Energie und Digitalisierung könnten ebenfalls starke internationale Finanzinvestoren anziehen. Wir erwarten daher eine Zunahme großer ausländischer Übernahmen attraktiver deutscher Unternehmen.
Deutsche Verkäufe im Ausland werden voraussichtlich in erster Linie der Portfolio-Bereinigung dienen und wie 2024 eine untergeordnete Rolle spielen. M&A bleibt weiterhin der kostengünstigere und schnellere Weg zu nachhaltigem Wachstum im Vergleich zum organischen Wachstum.
Dr. Winfried Weigel
Dr. Winfried Weigel ist Partner des international tätigen Corporate Finance-/M&A-Beraters www.weigelCF.com mit Fokus auf Unternehmensnachfolgen und Private-Equity-Transaktionen sowie des Strategie- und Business-Development-Beraters www.cltcap.com mit Schwerpunkt auf erneuerbaren Energien und umweltfreundlichen Technologien. Daneben ist Dr. Weigel als Coach und Mentor im VC-Bereich und als Dozent für strategische Unternehmenstransaktionen tätig.
E-Mail: winfried.weigel@wweigel.com