Gesellschafterwechsel als Sanierungsoption in der Krise

Voraussetzungen sowie Vor- und Nachteile vor oder in der Insolvenz

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Als mögliches Sanierungsinstrument von Unternehmen in der Krise wird von Beratern regelmäßig der Gesellschafterwechsel geprüft. Einerseits kann hier neuer Wind in die Führung und damit auch Optimismus bei der Belegschaft Einzug halten, andererseits können finanzielle und operative Unterstützung oder auch die Hebung von Synergieeffekten das Unternehmen in ein zukunftsfähiges Fahrwasser führen. Zusätzlich gibt der Gesetzgeber Raum für verschiedene weitere Sanierungsmaßnahmen, beispielsweise im Rahmen eines StaRUG-Verfahrens oder eines Insolvenzverfahrens.

Ein Unternehmer sollte eine Krise frühzeitig erkennen und dementsprechend gegensteuern – im besten Fall also bereits bei ersten Anzeichen einer Stakeholderkrise. In der Realität ist dies jedoch meist nicht der Fall beziehungsweise haben Maßnahmen nicht die gewünschte Wirkung. Der wichtigste Gradmesser für mögliche Optionen wird dann die Liquidität respektive die verbleibende Zeit bis zur Liquiditätskrise.

Bei frühzeitiger Realisierung der Krise kann es für Unternehmen und Gesellschafter eine sinnvolle Möglichkeit sein, das Unternehmen in die Hände eines anderen Eigentümers abzugeben. Dies kann entweder standardmäßig in einem Verkauf geschehen oder – als Spezialfall – über ein StaRUG-Verfahren. Sollte jedoch die Liquidität bereits derart kritisch sein, dass eine Insolvenzanmeldung notwendig erscheint, kann ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beziehungsweise als Schutzschirmverfahren oder eben auch die Regelinsolvenz angestrebt werden.

Gesellschafterwechsel vor einer Insolvenzanmeldepflicht

Es gibt vielerlei gute Gründe für einen Gesellschafter, sein Unternehmen abzugeben, bevor die Krise in ein existenzielles Stadium ausartet. Zu den wichtigsten zählt wohl, dass das Unternehmen frühzeitig restrukturiert werden kann, man die Kontrolle über den Gesellschafterwechsel behält und der Eigentümer eventuell noch einen Kaufpreis erzielt. Auch ist der Reputationsschaden nicht gegeben oder zumindest nicht so hoch wie bei einem Insolvenzverfahren. Bei Stakeholdern, wie Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten, Finanzierern sowie anderen Geschäftspartnern, verbreitet solch ein Schritt meist Optimismus und sorgt damit für weiteres Engagement in oder mit dem Unternehmen.

Grundvoraussetzung ist jedoch neben der Früherkennung der Krise auch die Akzeptanz des Gesellschafters, dass er aus eigener Kraft heraus das Unternehmen wohl nicht restrukturieren kann. Ein Verkaufsprozess sollte dann so frühzeitig wie möglich eingeleitet werden, da dieser in der Regel sechs bis zwölf Monate dauert und sich der Zustand des Unternehmens in dieser Zeit nicht wesentlich verschlechtern sollte, um die Abschlusswahrscheinlichkeit zu erhöhen. In einem klassischen M&A-Prozess können wertsteigernde Argumente und Transparenz deutlich einfacher erarbeitet werden. Dazu gehören vor allem die Bereinigung der Vergangenheit um Einmal- oder Sondereffekte, eine glaubwürdige, möglichst nicht angreifbare integrierte Finanzplanung der Zukunft mit vernünftiger Equity Story sowie Konsistenz, Vollständigkeit und Richtigkeit der Unternehmensdaten. Dies erfordert jedoch Zeit und aktive Zuarbeit des Unternehmens.

Ein Verkauf führt dann meist zu einer Win-win-Situation für Gesellschafter, Unternehmen und Käufer: Der Eigentümer sieht möglicherweise noch einen Kaufpreis, das Unternehmen kann in einem vergleichsweise frühen Stadium effizient restrukturiert werden und der Erwerber minimiert sowohl das Risiko als auch die Notwendigkeit drastischer Maßnahmen. Nachteil ist, dass hier keine erleichterten Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden können.

Neugestaltung der Gesellschafterstruktur mittels StaRUG

Dazu kann man jedoch außerhalb der Insolvenz auf das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) zurückgreifen. Das StaRUG bietet Möglichkeiten der Finanzrestrukturierung, die es bei außergerichtlichen Sanierungen nicht gibt. Zwingende Voraussetzung für die Nutzung des StaRUG ist eine drohende, aber noch nicht eingetretene Zahlungsunfähigkeit. Das StaRUG ist in erster Linie für Fälle konzipiert, in denen Probleme in der Kapitalstruktur bewältigt werden müssen – operative oder strategische Herausforderungen können damit nicht vereinfacht, wie in der Insolvenz, angegangen werden.

Das StaRUG sieht einen Gesellschafterwechsel nicht zwingend vor. In der Regel bedarf es der Zustimmung der bisherigen Gesellschafter, um ihre Anteile zu übertragen. Allerdings kann es im Rahmen eines StaRUG-Verfahrens auch zu einem „Cram-down“ kommen, bei dem die Zustimmung einzelner Gesellschafter oder einer Gesellschaftergruppe ersetzt werden kann, wenn bestimmte Mehrheiten der anderen Beteiligten dem zentralen Dokument des StaRUG-Verfahrens, dem Restrukturierungsplan, zustimmen. Auch kann eine Kapitalherabsetzung durch die im Plan dargestellten Restrukturierungsmaßnahmen erforderlich sein (Absolute Priority Rule). Die alten oder auch neuen Gesellschafter beteiligen sich dann mit einer Kapitalerhöhung am Restrukturierungsplan.  Für bestimmte Gläubigergruppen kann mit deren Zustimmung auch die Option eines Debt-to-Equity-Swaps im Plan gestaltbar sein. Eine Neugestaltung der Gesellschafterstruktur mittels StaRUG kann nicht nur die Fremdkapitalstruktur gestalten, sondern auch Störfaktoren im Eigenkapital beseitigen.

Gesellschafterwechsel in der Insolvenz

Ist die Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten oder steht das Unternehmen kurz davor, kann die Rettung des Unternehmens der Verkauf aus der Insolvenz sein. Zumindest etwas Einfluss kann sich hier der Gesellschafter, so er geschäftsführend ist, dann bewahren, wenn ein Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren angestrebt wird. Für eine Sanierung in Eigenregie müssen jedoch gewisse Voraussetzungen gegeben sein, zum Beispiel eine Sechsmonatsplanung über ausreichende Liquidität. Eine direkte Auswahl eines möglichen neuen Gesellschafters hat der Eigentümer jedoch nicht mehr. Dies obliegt den Gläubigern über Gläubigerausschuss und -versammlung. Jedoch kann der Eigentümer versuchen, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen. Im Regelinsolvenzverfahren ist der Gesellschafter für gewöhnlich vollständig außen vor.

Der gewöhnliche Weg eines Verkaufs aus der Insolvenz erfolgt über einen Assetdeal, die „übertragende Sanierung“. Die Vorteile hierbei sind das Abschneiden von Risiken und die Möglichkeit der vollständigen Neukonstruktion der Passivseite der Bilanz. Nachteil ist jedoch, dass man bei Verträgen die Zustimmung der Geschäftspartner zur Fortführung beziehungsweise zum Eintritt in diese Verträge benötigt. Falls der Erhalt des Rechtsträgers unabdingbar oder gewünscht ist, gibt es den Weg des Insolvenzplans. Für das Unternehmen, und damit indirekt den Käufer, gibt es weitere Sanierungsinstrumente, die nur in der Insolvenz möglich sind: Neben der für gewöhnlich schulden- und lastenfreien Übernahme können Verträge vereinfacht gekündigt werden und Personalmaßnahmen sind möglich.

Bei den meisten Verkäufen aus der Insolvenz geht der Gesellschafter leer aus, da der Verkaufserlös in der Regel bei Weitem nicht ausreicht, um Insolvenzkosten und Gläubiger voll zu befriedigen.

FAZIT

Die beste Krise ist natürlich die, die nicht eintritt. Sollte es jedoch dazu kommen, sollte man sich als Gesellschafter frühzeitig darüber Gedanken machen, inwieweit man die Situation selbst meistern kann und will, oder ob die Abgabe des Unternehmens in andere Hände nicht die bessere Option für einen selbst beziehungsweise das Unternehmen ist. Je frühzeitiger man hier eine Entscheidung trifft, desto größter ist der zur Verfügung stehende Handlungsspielraum.

Anders sieht es für das Unternehmen aus: Hier kann eine Lösung in der Insolvenz durchaus der attraktivere Weg sein – vor allem, wenn hoher operativer Restrukturierungsbedarf besteht. Andererseits muss gerade der Reputationsverlust und andere Negativeffekte, welche mit einer Insolvenz verbunden sind, gegen die insolvenzrechtlichen Sanierungsmöglichkeiten abgewogen werden.

Für Unternehmen, Gesellschafter und andere wesentliche Stakeholder des Unternehmens ist in solchen Situationen aufgrund der gegebenen Komplexität und der knappen Zeitschiene eine Beratung durch erfahrene Experten unerlässlich.

👉 Dieser Beitrag erschien in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2024.

Autorenprofil
Silvan Drasch
Silvan Drasch

Silvan Drasch ist Managing Director und Head of M&A bei One Square Advisors. Die auf Sondersituationen spezialisierte Beratungsgesellschaft mit Standorten in München, Frankfurt, Düsseldorf und London bietet maßgeschneiderte Leistungen im Bereich der Restrukturierung an: von Distressed M&A über die Passivseiten- und speziell Anleiherestrukturierung, die Beratung von Gläubigern oder Schuldnern bis hin zu Lösungen bei Immobilien in Sondersituationen.

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