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Generationenwechsel als M&A

Noli equi dentes inspicere donati – so sprach vor rund 1.500 Jahren Kirchenvater Hieronymus und verbat dem Beschenkten jede Kritik an dem übergebenen Geschenk. Bei der Unternehmensübergabe scheint dieser Grundsatz immer noch zu gelten. Dabei lohnt es sich für die Nachfolger häufig, die Übergabe und die ersten Schritte als neuer Chef wie einen Kaufprozess zu betrachten.

Die angekündigte Erbschaftsteuerreform für das Verschenken von Unternehmensanteilen wird wie viele tiefgreifende Steueränderungen dafür sorgen, dass in einer Reihe von mittelständischen Unternehmen der Generationenwechsel schnell noch vor Inkrafttreten der neuen Regelungen vollzogen wird. Häufig übernimmt die nächste Generation das Unternehmen im Vertrauen darauf, dass Eltern und deren Berater schon alles richtig gemacht haben, und stellt die vorhandenen Prozesse und Strukturen nicht in Frage.

Dennoch kann es sinnvoll sein, dass die Unternehmensübergabe gerade auf Seiten des Nachfolgers durch professionelle Unterstützung aus dem M&A-Bereich begleitet wird. Dass die Umsatz- und Ergebniszahlen der letzten Jahre gut waren und die letzte Betriebsprüfung nur mit geringen Steuernachzahlungen geendet hat, bedeutet nicht, dass das zu übernehmende Unternehmen auch in Zukunft gut gerüstet ist. Dabei ist es nicht nötig, jedes Blatt umzudrehen: Man kann sich auf ausgewählte Teilbereiche und Einzelfragen beschränken.

Zukunftsfähigkeit sicherstellen

Die Frage, ob das Unternehmen mit seiner Organisationsstruktur und mit seinen am Markt angebotenen Produkten auch in Zukunft gut aufgestellt ist, wird vielfach aus dem Bauch heraus und mit Blick auf die vergangenen Erfolge beantwortet. Das eigene Unternehmen und dessen Zukunft werden selten in Frage gestellt, wenn es dafür keinen unmittelbaren Anlass gibt. Dabei gibt es viele warnende Beispiele: Nokia, die das Smartphone von Apple nicht ernst genommen haben, vielleicht als nächstes die Automobilindustrie, die den nahezu wartungsfreien Tesla belächelt.

Die Einschaltung von internem und externem Sachverstand kann Betriebsblindheit vorbeugen und den Blick auf bisher ungenutzte Chancen eröffnen. So bietet die Dokumentation der betrieblichen Aufbau- und Ablauforganisation die Möglichkeit, Prozesse zu straffen, zu vereinfachen und damit ohne Qualitätsverlust bares Geld zu sparen.

Die Analyse der Konkurrenzsituation und des Marktumfelds kann aufzeigen, dass das Hauptprodukt in fünf Jahren nicht mehr den Kundenbedürfnissen genügt. Vielleicht unternimmt man den Versuch, die Kundenzufriedenheit zu messen, um Schwächen in den Produkten oder den Serviceleistungen des Unternehmens offenzulegen.Noli equi dentes inspicere donati – so sprach vor rund 1.500 Jahren Kirchenvater Hieronymus und verbat dem Beschenkten jede Kritik an dem übergebenen Geschenk. Bei der Unternehmensübergabe scheint dieser Grundsatz immer noch zu gelten. Dabei lohnt es sich für die Nachfolger häufig, die Übergabe und die ersten Schritte als neuer Chef wie einen Kaufprozess zu betrachten.

Kostspielige Erblasten und tickende Zeitbomben

In den Entscheidungen der Elterngeneration können auch dann Risiken für den Fortbestand des Unternehmens verborgen sein, wenn das Finanzamt in Betriebsprüfungen keine Einwände gehabt hat. Dazu zwei Beispiele:

 Die Altersversorgung der weichenden Unternehmer wird durch das Unternehmen übernommen.

In Zeiten hoher Unternehmenssteuerbelastungen war es weit verbreitet, die Altersversorgung des Inhabers mittels einer Pensionszusage dem Unternehmen aufzubürden. Die damit verbundene Steuerersparnis war ein zusätzlicher Anreiz. Die in der Bilanz gebildete Rückstellung zeigt die Wirklichkeit angesichts der niedrigen Zinsen und der gestiegenen Lebenserwartung allerdings nur unzureichend. Für die vollständige Durchfinanzierung der Versorgungszusagen wird tatsächlich ein Finanzbedarf zu berücksichtigen sein, der bis zum Doppelten der handelsrechtlichen Rückstellung reichen kann.

– Steuerorientierte Gestaltungen aus der Vergangenheit erschweren Veränderungen der Unternehmensstrukturen.

Zur Sicherung des Familienvermögens war es viele Jahre gängige Praxis, das Immobilienvermögen des Unternehmens in eine eigene Gesellschaft auszulagern und an jenes zu vermieten oder zu verpachten. Der Steuerrechtler nennt diese Gestaltung „Betriebsaufspaltung“. Notwendige Strukturanpassungen werden durch derartige Gestaltungen häufig erschwert, weil die Aufdeckung stiller Reserven im Immobilienvermögen regelmäßig erhebliche ertragsteuerliche und auch grunderwerbsteuerliche Belastungen zur Folge haben kann.

Fazit

Auch wenn es ein Geschenk war: Der Generationenwechsel ist eine gute Gelegenheit, die strategische Ausrichtung des Unternehmens kritisch zu hinterfragen und die Unternehmensziele und -strukturen an die Herausforderungen der Zukunft anzupassen. Und stellen Sie sich die Frage: Würde ich dieses Unternehmen kaufen?


Zur Person

(© Privat)

Wolfgang Schmidt-Gorbach ist Partner der optegra GmbH & Co. KG in München. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der mittelständischen Transaktionsberatung und -abwicklung insbesondere in den Bereichen Lebensmittel, IT und Immobilien. optegra ist eine mittelständische Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft und beschäftigt an den Standorten München und Köln insgesamt rund 100 Mitarbeiter. www.optegra.de

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