Bookwire mit Sitz in Frankfurt am Main bietet Softwarelösungen und digitale Dienstleistungen für das Verlagswesen an. Im vergangenen Jahr haben die Gründer Jens Klingelhöfer und John Ruhrmann den Investor VR Equitypartner ins Boot geholt. Gemeinsam verfolgt man eine klare Buy and Build-Strategie. VON HOLGER GARBS
Die Wurzeln von Bookwire liegen in der Musik: Jens Klingelhöfer und John Ruhrmann waren ursprünglich als Musikmanager und Produzenten aktiv, als sie nach der Jahrtausendwende die massiven Umwälzungen der Musikindustrie erlebten. Die Digitalisierung der Branche, Streamingdienste und mp3-Formate machten traditionellen Tonträgern das Leben schwer. Auf einer Reise in die USA sah Ruhrmann zufällig in einer Vitrine am Flughafen ein Amazon Kindle. Gemeinsam erahnte man die kommenden Umwälzungen für den Buchmarkt, und eine neue Geschäftsidee war geboren: eine digitale Distribution für den Buchmarkt. Mit den Erfahrungen aus der Musikindustrie wurde im Februar 2010 die Bookwire GmbH gegründet.
Betriebssystem mit vielzähligen Möglichkeiten
Über 1.500 Verlagshäuser zählt Bookwire heute zu seinen Kunden. Das Serviceportfolio umfasst Produktion und Distribution, Analytics und Onlinevermarktung auf Plattformen wie Amazon Kindle, Apple iBooks, Tolino, Google Play oder Spotify. Dafür wurde mit „Bookwire OS“ („One Solution“ oder „Operating System“) ein eigenes Betriebssystem für das Digital Publishing von Verlagen entwickelt. Zu den Kernfunktionen zählen digitales Asset- und Qualitätsmanagement sowie eine globale Vertriebssteuerung für E-Books und digitale Hörbücher, automatisierte Marketingservices und Analysetools.
Insgesamt fußt die Arbeit von Bookwire auf zwei starken Säulen: zum einen auf einer automatisierten und schlanken Technologie, die sich innovativ nach vorne ausgerichtet mit den wachsenden Bedürfnissen des Markts weiterentwickelt, und zum anderen auf einer engen, persönlichen Kundenberatung.
Das Buch als starkes physisches Produkt
CEO Klingelhöfer betrachtet das Buch als das „beste aller analogen Medien“, das seiner Meinung nach auch „die Zeit der CDs und anderer Plastikmedien überdauern wird“. Mit der Einführung des digitalen Setzens am PC-Bildschirm – Desktop Publishing – kam es in den 1990er-Jahren zu ersten technologischen Umwälzungen. Noch heute stecke die Digitalisierung der Verlagsbranche in einem Anfangsstadium. Künftig werden weitere Bereiche digitalisiert, seien es die Vermarktung, die Integration von physischen und digitalen Elementen oder die Umstellung ganzer Prozessketten. Der Vorteil der Verlagsbranche, so Klingelhöfer, liege in einem starken physischen Produkt: dem Buch. Anders als die CDs oder Schallplatten aus der Musikindustrie sei dieses Produkt nicht einfach von heute auf morgen weggebrochen. Die Verlagsindustrie hatte und hat mehr Zeit für ihre Transformation.
Finanzpartner für Internationalisierung und organisches Wachstum
Im vergangenen Jahr wurde mit VR Equitypartner, einer Tochtergesellschaft der DZ Bank, ein neuer Finanzierungspartner ins Boot geholt. „Bei Bookwire ging es einerseits um die Auslösung der Gründergesellschafter, in diesem Fall Business Angels, und gleichzeitig um die Begleitung des Unternehmens in die nächste Wachstumsphase“, erläutert VR Equitypartner-Geschäftsführer Christian Futterlieb. Im Rahmen der Transaktion kam man überein, dass die beiden Gründer die Mehrheitsanteile behalten sollten. „Bookwire verfolgt ein sehr personenbezogenes Business“, erklärt Futterlieb. Unterm Strich kaufe man ein Managementteam mit seinen Ideen, Visionen und Strategien. „All das hat uns fasziniert.“
Aus Investorensicht verfügt Bookwire über ein sehr gutes Geschäftsmodell mit einem starken Finanzprofil. „Das Unternehmen ist in der Vergangenheit sehr stark gewachsen“, ergänzt Jan Markus Drees, Mitglied der Geschäftsleitung bei VR Equitypartner. Gerade die Auslagerung digitaler Dienstleistungen sei für Verlage sinnvoll.
Während für den E-Book-Markt bei einer weiter steigenden Nachfrage und leicht rückläufigen Preisen insgesamt eine stabile Entwicklung erwartet werde, gehe die Digitalisierung bei Hörbüchern erst richtig los.
Ein weiteres Wachstumssegment sei Print on Demand. Das Geschäftsmodell von Bookwire eigne sich besonders für eine Buy and Build-Strategie: „Man braucht nur eine technologische Plattform, die auf vielfältige Art und Weise den globalen Markt digital bearbeiten oder vermarkten kann“, so Drees.
Platz für weiteres Wachstum
Heute ist Bookwire international aufgestellt und verfügt über Auslandsstandorte in Spanien, Mexiko, Brasilien und Großbritannien. Trotzdem müsse man unterscheiden, erklärt Klingelhöfer: So lasse sich angesichts der Herausforderung der Digitalisierung auch eine Marktkonsolidierung beobachten. Während das physische Geschäft in den stabileren Märkten kaum noch wachse, schlössen sich anderorts immer mehr Verlage zusammen. So gäbe es reifere Märkte, wie die USA oder Großbritannien, aber auch kleinere, die sich noch entwickeln müssten – etwa Brasilien, Mexiko oder der asiatische Raum. Das biete Platz genug für weiteres Wachstum.
Interview mit Jens Klingelhöfer: „Wir bekommen unseren Vorsprung nicht geschenkt“
Unternehmeredition: Worauf gründet sich die starke Marktstellung der Bookwire GmbH?
Klingelhöfer: Wir hatten von Anfang an die Vision, dass sich das Digitalgeschäft auch im Verlagswesen zu einer tragenden Säule entwickelt. So haben wir als Erstes eine digitale Vertriebsplattform entworfen. Unser erster Ansatz war, dass wir den Verlagen helfen wollten, ihre digitalen Produkte überhaupt zu kreieren und anschließend zu produzieren, zu vertreiben und damit Geld zu verdienen. Wir haben nie aufgehört, uns einen Vorsprung zu erarbeiten. Schließlich kamen wir nicht aus dem klassischen Logistikgeschäft. Wir mussten uns nicht mühsam umstellen – wir waren Digitalspezialisten von Anfang an. Natürlich bekommt man diesen Vorsprung nicht geschenkt: Wir müssen ihn uns jedes Jahr neu erarbeiten.
Ist die Coronakrise für ein Unternehmen wie Bookwire ein zusätzlicher Wachstumsschub?
Auf jeden Fall. Der stationäre Handel mit Büchern ist in der Krise so stark zurückgegangen, dass selbst der Onlinehandel diesen Einbruch nicht kompensieren konnte. Davon hat die digitale Seite stark profitiert, zum Beispiel im Bereich der Kinder- und Jugendbücher. Dort sind die Umsätze teilweise um bis zu 50% gestiegen. Im Bereich E-Book und Hörbuch haben wir deutlich zweistellige Umsatzsprünge erlebt. Viele Kunden sind zu digitalen Produkten gewechselt, die sie vorher gar nicht genutzt hatten.
Warum haben Sie sich im vergangenen Jahr für eine Beteiligung geöffnet?
Es war der passende Zeitpunkt. Nach zehn Jahren hatten wir Bookwire auf einen mittleren zweistelligen Millionenumsatz gesteuert. Wir waren an einem Punkt angekommen, den nächsten Wachstumsschritt, vor allem die weitere Internationalisierung von Bookwire, vorzunehmen. Dazu brauchten wir eine neue Gesellschafterstruktur und einen Partner mit einer entsprechenden Expertise und einem Netzwerk. Dieser Prozess ging von uns aus, und so sind wir über eine M&A-Beratung aktiv auch an VR Equitypartner herangetreten. Hier finden wir nicht nur die finanzielle, sondern auch die strategische Unterstützung, die wir für die kommenden Jahre benötigen. Ein Beispiel ist neben dem organischen Wachstum und dem Ausbau unserer Marktposition in den bestehenden Märkten der Ausbau unseres Software as a Service-Modells.
Kurzprofil Bookwire GmbH
Gründungsjahr: 2010
Branche: Software as a Service für die Verlagsbranche; Digital Publishing
Unternehmenssitz: Frankfurt am Main
Umsatz 2019: k.A.
Mitarbeiterzahl: rund 70
www.bookwire.de