In der seit 15 Monaten andauernden Pandemie haben sich die Präferenzen der Investierenden verändert. Zurückzuführen ist dies darauf, dass das Gros der Anlegerschaft von einer Abschwächung der Krise ausgegangen ist. Mit einer verschärften Coronapolitik haben die wenigsten gerechnet.
Am Kapitalmarkt wird maximal die Gegenwart, in der Regel die Zukunft gehandelt. So ist es wenig verwunderlich, dass die an den Börsen Agierenden nach einem beachtlichen Ausverkauf von Aktien schnell die Zuversicht zurückgewannen und die Indizes zu neuen Höchstständen katapultierten − beflügelt durch die schnelle Erholung in Asien. Auch am KMU-Anleihemarkt hinterließ das letztjährige Frühjahr tiefe Spuren im Kursverlauf. Ein Jahr später haben die meisten Anleihen das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Der Blick auf die euphorische Entwicklung an den Börsen verzerrt jedoch das wahre Bild und trübt die Sicht auf die Probleme des breiten Mittelstands – hier zeichnet sich ein völlig anderes Bild.
Aufgrund des erkennbaren Impffortschritts keimt die Hoffnung, dass die pandemische Lage sich nun langfristig und nachhaltig entspannt. Der Situation geschuldet ziehen Investierende nebst den für eine Anlageentscheidung gängigen Parametern neue Überlegungen heran:
- Wenn betroffen: Wie schnell kehrt das Unternehmen zum Regelbetrieb zurück?
- Wie nachhaltig ist der Trend im Onlinehandel?
- Kann ausreichend Kapital beschafft werden, um die zur Liquiditätssicherung abverkauften Lager wieder zu füllen?
- Hält die Impfbereitschaft der Bevölkerung über die Erstimpfung und den Sommer hinaus an oder erwartet uns eine vierte Welle mit neuen Mutationen, die den Impferfolg beeinflussen?
Betongold in der Krise
Sicher ist, dass mit Immobilien eine Branche in den negativen Fokus gerückt ist, die einst als Hort der Stabilität galt. Logistikimmobilien sind nach wie vor gern gesehene Investitionsobjekte, Gewerbeimmobilien werden differenzierter betrachtet. Hotels, die im Sommer 2020 zwischenzeitlich als preiswert galten, sind heute deutlich günstiger und an Büroimmobilien scheiden sich − bedingt durch eine zu erwartende Tendenz zum Homeoffice − die Geister. Dazu kommt die Unsicherheit bei Wohnimmobilien. Hier sei als Stichwort der Mietendeckel genannt, der zwar in Berlin gerichtlich aufgehoben worden ist, aber nach der Wahl im September ein bundesweites Thema werden kann. Für Unsicherheit sorgt zudem die CO2-Bepreisung, die künftig zu 50% der Vermieter tragen soll, ohne Einfluss auf den Verbrauch des/der Mietenden zu haben. Kapital ist ein scheues Reh – und sicher schon auf dem Sprung in „entspanntere“ Jurisdiktionen.
Produzierendes Gewerbe – Unterbrechung der Lieferketten
Diverse Branchen haben durch die andauernde Unterbrechung der Lieferketten mit ungewohnten Problemen zu kämpfen. Die Rohstoffpreise sind teils deutlich gestiegen, Holz ist nicht − oder nur zu erhöhten Preisen − erhältlich, Computerchips sind Mangelware. Wer das produzierte Gut international transportieren will, dürfte sich über die bis zu fünfmal höheren Frachtraten erstaunt gezeigt haben. Der Baltic Dry Index, der den zur Verfügung stehenden Schiffsladeraum, die Hafenkapazitäten und saisonale Zyklen wie Ernteperioden berücksichtigt, ist von Mai 2020 bis Mai 2021 über 550% gestiegen.
Geändertes Investorenverhalten
Diese Fülle an Unwägbarkeiten mündet in einem geänderten Anlegerverhalten, insbesondere im Bereich der KMU-Investments. Ein grundsätzlich bekanntes und intaktes Geschäftsmodell oder Produkt ist kein Garant mehr für eine erfolgreiche Emission am Kapitalmarkt. Hierbei ist zu bemerken, dass jede Branche Unternehmen beheimatet, die die Herausforderungen gut gemeistert haben. Das heißt nicht zwangsläufig, dass sie keine Einbußen hinnehmen mussten; sie konnten sich besser auf die geänderten Rahmenbedingungen einstellen. Die möglichen Gründe und Ursachen hierfür sind vielfältig. Die gemeinsamen Nenner sind vor allem die Beschaffung und das Management der Liquidität.
Rücklagen – spare in der Zeit, dann hast du in der Not
Eine besondere Herausforderung für jedes Unternehmen in der Krise war und ist die Liquiditätsbeschaffung. Die Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen haben sich vielfach verschlechtert, gleichzeitig ist der Liquiditätsbedarf gestiegen. Aus den Betrieben ist zu hören, dass Lieferanten die Zahlungsziele verkürzt haben oder gar Vorauszahlungen verlangen. Gute Kundschaft hingegen wünscht sich großzügige Zahlungsziele, sodass sich die Umlaufzeit des Kapitals oft verdoppelt. Ein Teufelskreis. Umso mehr richten Investierende ihr Augenmerk auf die „Sparenden in der Zeit“ – die dann in der sprichwörtlichen Not die Budgets für Digitalisierung, Modernisierung, Expansion oder (anorganisches) Wachstum haben.
Finanzierung während und nach der Krise – der Mix macht’s!
Auch Unternehmen, die die letzten knapp anderthalb Jahre weniger gut überstanden haben, schließt der Kapitalmarkt, im Gegensatz zu den Banken, nicht aus. Die entscheidenden Kriterien sind hier die Vergangenheit und die Zukunft. Der Kapitalmarkt bewertet die Historie ebenso wie die grundsätzliche Tragfähigkeit des Geschäftsmodells und die Kapitaldienstfähigkeit in „normalen“ Zeiten. Wie hat sich das Unternehmen vor COVID-19 geschlagen, welche Schwächen sind zutage getreten, wie wurde darauf reagiert und welche Perspektive ergibt sich durch die Änderungen für die Zukunft? Anders ausgedrückt: Ist das Unternehmen so aufgestellt worden, dass es eine weitere Krise gut übersteht?
Wurden
- Möglichkeiten der Kurzarbeit flexibel genutzt?
- Förderungen und Überbrückungshilfen ausgeschöpft?
- Möglichkeiten des Factorings eruiert?
- Steuerzahlungen zinsfrei gestundet?
- die degressive Abschreibung genutzt?
Oder bieten sich Möglichkeiten am Kapitalmarkt zur
- Stärkung des (bilanziellen) Eigenkapitals – Aufnahme nachrangigen EK (Eigenkapitalersatzes), Kapitalerhöhung, Gesellschafterdarlehen, IPO?
- Erhöhung des Verschuldungsgrads durch die Aufnahme von Fremdkapital (Anleiheemission)?
- Ausgabe von Wandel-, Pflicht- oder IPO-Wandelanleihen?
- Überbrückung durch Mezzanine-Kapital – Private Debt oder gar Private Equity?
ESG und SDGs gewinnen weiter an Bedeutung
Sowohl die institutionelle als auch die private Anlegerschaft stellen heute andere Anforderungen an die Unternehmen, in die sie investieren. Die Schlagworte, die heute jeder Investierende kennt und jeder Unternehmer kennen sollte, sind „Environmental, Social, Governance“ (ESG) sowie „Sustainable Development Goals“ (SDGs). Reines „Greenwashing“, also ein Unternehmen in Teilen irgendwie grün „anzumalen“, kann ein fataler Fehler sein. Mithilfe eines Financial-ESG- und SDG-Engineerings können allerdings sogar bereits optimierte Logistik, effizientere Lieferketten, schonender Umgang mit Ressourcen, CO2-reduzierende Verfahren oder Produktionen, aber beispielsweise auch der Umgang mit den Mitarbeitenden grün gestaltet werden und damit Kriterien für die Emission eines nachhaltiges Kapitalmarktinstruments sein.
FAZIT
Es gibt gute Indikationen dafür, dass der Markt Emissionen von „gefallenen Engeln“ annimmt. Entscheidend ist jedoch die genaue Betrachtung des Einzelfalls. Für die Unternehmen kommt es dabei darauf an, die richtigen Partner zu wählen. Neben Kompetenz und Erfahrung lohnt auch ein Blick auf die Bepreisung einer Kapitalmarkttransaktion. One Square Financial Engineers geht mit den Unternehmen durch ein rein erfolgsabhängiges Vergütungsmodell ins Risiko. Dadurch wird vermieden, dass vor, während und nach der Emission Kosten entstehen, die sich leicht hätten vermeiden lassen.
Dieser Beitrag erscheint in der Unternehmeredition 2/2021.
Marius Hoerner, Marvin Armbruster und Angela Leser
Marius Hoerner (li.) ist Managing Director bei One Square Financial Engineers, Marvin Armbruster (Mitte) Vice President bei One Square Advisors und Angela Leser Director bei One Square Financial Engineers. One Square ist eine unabhängige Beratungsgesellschaft mit Sitz in München sowie Büros in Frankfurt, Düsseldorf und London. Sie gehört zu den führenden Adressen in Deutschland für Finanzrestrukturierungen und -strukturierung, Distressed M&A und Treuhandlösungen.