„Frühzeitige Planung ist der Schlüssel zur erfolgreichen Nachfolge“

Interview mit Baris Kartal, Managing Partner bei Signium

Der Markt für Unternehmensnachfolgen ist derzeit sehr dynamisch und anspruchsvoll, insbesondere im Mittelstand.
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Der Markt für Unternehmensnachfolgen ist in Bewegung – besonders im Mittelstand ist der Generationswechsel eine Herausforderung, die nicht nur frühzeitig, sondern auch strategisch angegangen werden muss. Baris Kartal, Managing Partner bei der Executive-Search-Beratung Signium, spricht über die Erfolgsfaktoren in der Nachfolgeplanung, den richtigen Einsatz von internen und externen Kandidaten sowie die wachsende Bedeutung von Digitalisierung und Private Equity in diesem Prozess.

Unternehmeredition: Herr Kartal, wie schätzen Sie den Markt für Unternehmensnachfolgen aktuell ein? Welche Trends oder Herausforderungen sehen Sie in diesem Bereich?

Baris Kartal: Der Markt für Unternehmensnachfolgen ist derzeit sehr dynamisch und anspruchsvoll, insbesondere im Mittelstand. Der demografische Wandel spielt eine zentrale Rolle, da viele Unternehmer in den Ruhestand treten, häufig ohne eine klare Nachfolgelösung. Es herrscht ein intensiver Wettbewerb um qualifizierte Führungskräfte, und der Einsatz von Management-Buy-In (MBI)-Kandidaten nimmt zu. Diese bringen oft frische Ideen und unternehmerischen Enthusiasmus mit, was den Unternehmen hilft, sich weiterzuentwickeln.

Sie sind bekannt für Ihren ganzheitlichen Ansatz in der Executive Search. Können Sie erläutern, wie Sie bei der Suche und Auswahl von Führungskräften für die Unternehmensnachfolge konkret vorgehen?

Der erste Schritt ist immer ein tiefes Verständnis des Unternehmens. Wir analysieren die Kultur, die Werte und die langfristigen Ziele, um sicherzustellen, dass der Nachfolger diese Aspekte respektiert und weiterentwickelt. Bei einem familiengeführten Produktionsunternehmen haben wir zum Beispiel zuerst die Erwartungen der Familie geklärt, bevor wir mit der Kandidatensuche begonnen haben. Dabei klären wir auch, ob es interne Kandidaten gibt oder ob es sinnvoller ist, eine externe Lösung zu suchen. Es ist entscheidend, die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten im Vorfeld zu identifizieren.

In welchen Fällen raten Sie einem Unternehmen zu einer externen Nachfolge und wann erscheint Ihnen die interne Lösung, etwa durch den Aufbau einer zweiten Führungsebene, sinnvoller?

Eine interne Nachfolge ist sinnvoll, wenn es qualifizierte Nachwuchskräfte gibt, die bereits tief in die Kultur und Struktur des Unternehmens eingebunden sind. Diese haben oft ein gutes Verständnis der internen Abläufe und können Kontinuität wahren. Eine externe Nachfolge wird notwendig, wenn das Unternehmen vor einem größeren Wandel steht, sei es durch Wachstum, Digitalisierung oder strategische Neuausrichtung. In solchen Fällen bringen externe Kandidaten häufig frische Perspektiven und Erfahrungen aus anderen Branchen mit.

In solchen Fällen stehen Unternehmen ja vor der Herausforderung, nicht nur eine Nachfolge zu regeln, sondern parallel auch eine Transformation zu bewältigen, etwa in Richtung Digitalisierung. Wie gehen Sie bei solchen doppelten Anforderungen vor?

Es ist richtig, dass diese beiden Prozesse oft Hand in Hand gehen müssen. Transformation und Nachfolge gleichzeitig zu bewältigen, ist jedoch eine komplexe Aufgabe. Wichtig ist, dass der neue Geschäftsführer die nötigen Kompetenzen in den Bereichen Change Management und Digitalisierung mitbringt. Oft wird dies durch ein Team unterstützt, das verschiedene Kompetenzen vereint. In einigen Fällen holen wir auch einen Finanzinvestor an Bord, der nicht nur Kapital, sondern auch das notwendige Know-how zur Beschleunigung von Transformationsprozessen liefert.

Wie gehen Sie vor, um das optimale externe Kandidatenprofil für eine Unternehmensnachfolge zu ermitteln?

Wir setzen auf eine Mischung aus moderner Technologie und traditioneller Expertise. Zunächst erstellen wir eine Datenanalyse potenzieller Kandidaten, die dann durch psychometrische Tests und persönliche Interviews weiter verfeinert wird. Diese Kombination ermöglicht es uns, nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch die kulturelle Passung genau zu prüfen.

Gibt es Beispiele aus Ihrer Praxis, wo ein externer Kandidat durch seine spezifische Expertise dem Unternehmen einen entscheidenden Vorteil verschafft hat?
Ja, wir hatten beispielsweise einen Fall in der Maschinenbaubranche, bei dem ein MBI-Kandidat die Internationalisierungsstrategie erfolgreich vorangetrieben hat. Der Kandidat hatte jahrelange Erfahrung im Asien-Pazifik-Raum und konnte seine Marktkenntnisse und sein Netzwerk gezielt nutzen, um das Unternehmen in neue Märkte zu führen. Solche externen Kandidaten bringen oft neue Perspektiven und Ideen, die für das Wachstum eines Unternehmens entscheidend sein können.

In vielen Unternehmen gibt es eine Übergangsphase, in der der bisherige und der neue Geschäftsführer zusammenarbeiten. Welche Herausforderungen sehen Sie in dieser Phase und wie gestalten Sie diese Übergangszeit, damit der Wissenstransfer reibungslos funktioniert?

Die Übergangsphase ist oft die kritischste Zeit im Nachfolgeprozess. Eine klare Rollenverteilung ist entscheidend, ebenso wie ein strukturierter Übergangsplan mit definierten Meilensteinen. Mentoring durch den scheidenden Geschäftsführer oder externes Coaching kann den Wissenstransfer erleichtern. Es ist auch wichtig, dass der neue Geschäftsführer ausreichend Zeit hat, das Unternehmen kennenzulernen und in die Rolle hineinzuwachsen.

Bei Familienunternehmen gibt es oft besondere Herausforderungen, etwa wenn es darum geht, Familientraditionen zu wahren oder verschiedene Generationen miteinander zu versöhnen. Wie gehen Sie mit solchen sensiblen Situationen um?

In Familienunternehmen spielen Emotionen oft eine größere Rolle als in anderen Unternehmensformen. Wir legen großen Wert auf transparente Kommunikation und darauf, dass alle Beteiligten ihre Erwartungen und Bedenken offen ansprechen. Das schafft Vertrauen und hilft, potenzielle Konflikte frühzeitig zu identifizieren und zu lösen.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit Private-Equity-Investoren im Rahmen von Unternehmensnachfolgen aus?

Private-Equity-Investoren spielen eine zunehmend wichtige Rolle in der Unternehmensnachfolge, vor allem dann, wenn keine internen Nachfolger vorhanden sind oder größere Transformationen anstehen. Ein entscheidender Vorteil ist, dass sie nicht nur Kapital bereitstellen, sondern auch strategisches Know-how und operative Unterstützung bieten können. Häufig bringen sie ein Netzwerk von Experten mit, das dem Unternehmen in Phasen der Neuausrichtung oder des Wachstums zugutekommt. Die Herausforderung besteht oft darin, die richtige Balance zwischen den Interessen des Unternehmers und den Renditeerwartungen der Investoren zu finden. Wichtig ist, einen Partner zu wählen, der die Werte und Ziele des Unternehmens teilt und nicht nur auf kurzfristige Gewinne fokussiert ist. Letztendlich profitieren alle Beteiligten, wenn die Zusammenarbeit auf Vertrauen und einer gemeinsamen Vision basiert​.

Welche Rolle spielen moderne Technologien, wie Künstliche Intelligenz (KI), in Ihrem Suchprozess?

Technologie spielt eine immer größere Rolle in der Personalsuche. Wir nutzen verschiedene Softwarelösungen, um Kandidaten zu analysieren, und integrieren auch Künstliche Intelligenz, um effizienter zu arbeiten. Dennoch bleibt der menschliche Faktor entscheidend – persönliche Interviews und die genaue Prüfung der kulturellen Passung sind nach wie vor unerlässlich. Ein Beispiel: Wir testen derzeit einen virtuellen Assistenten, der uns bei Standardfragen der Kandidaten unterstützt und uns Zeit für die tiefergehenden Interviews gibt.

Zusammengefasst: Was sind für Sie die wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine gelungene Unternehmensnachfolge?

Der zentrale Erfolgsfaktor ist die frühzeitige Planung. Unternehmer sollten den Nachfolgeprozess idealerweise mehrere Jahre im Voraus starten, um eine sorgfältige Auswahl treffen zu können. Eine transparente Kommunikation innerhalb des Unternehmens und die Einbindung der Mitarbeiter sind ebenfalls entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und Unsicherheiten zu vermeiden. Schließlich muss der Übergabeprozess klar strukturiert sein, damit der neue Geschäftsführer sowohl fachlich als auch emotional auf die Übernahme vorbereitet ist.

Und zum Abschluss: Wie sehen Sie die Zukunft der Unternehmensnachfolge? Welche Trends und Entwicklungen werden den Markt in den nächsten Jahren prägen?

Der demografische Wandel und die Digitalisierung werden den Markt weiterhin stark beeinflussen. Führungskräfte, die sowohl traditionelle Geschäftsmodelle verstehen als auch digitale Innovationen vorantreiben können, sind besonders gefragt. Nachhaltigkeit ist ebenfalls ein wachsender Trend. Unternehmen, die zukunftsfähig bleiben wollen, müssen sich auf diese Veränderungen einstellen und ihre Geschäftsstrategien entsprechend anpassen.

Herr Kartal, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!


ZUR PERSON

Baris Kartal; Foto: © Signium

Baris Kartal ist Managing Partner bei Signium in München und Frankfurt. Seit über einem Jahrzehnt ist er in der Executive-Search-Beratung tätig und hat sich auf die Rekrutierung von Führungskräften in multinationalen Unternehmen, Private Equity-geführten Unternehmen und Familienbetrieben spezialisiert.
Signium gehört zu den weltweit führenden Anbietern im Bereich Executive Search und Leadership Advisory mit über 40 Standorten in 30 Ländern. In Deutschland ist das Unternehmen an vier Standorten vertreten.
www.signium.de

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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