Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz im Lichte internationaler Entwicklungen
Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), das in der Fassung des Regierungsentwurfs am 21. Mai 2008 veröffentlicht wurde, sollen insbesondere kleine, mittelständische Unternehmen bei der Erstellung ihres Jahresabschlusses entlastet werden. So soll das BilMoG das deutsche Handelsrecht zwar zum einen näher an die internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) heranrücken, zum anderen aber auch durch verschiedene Vereinfachungen eine weniger komplexe und kostengünstigere Alternative zur IFRS-Bilanzierung darstellen.
Moderate Annäherung an internationale Regelungen
Die mit dem BilMoG geplanten Änderungen der deutschen Bilanzierungsregeln sind grundsätzlich als positiv zu werten. Damit hat sich der Gesetzgeber für den generellen Erhalt des deutschen Bilanzrechts und gegen eine komplette Übernahme der IFRS auch für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen entschieden. Insbesondere vor dem Hintergrund des missglückten und viel kritisierten Entwurfs eines internationalen Mittelstandsstandards (IFRS für KMU), der Anfang 2007 vom IASB veröffentlicht wurde, ist diese Entscheidung sehr zu begrüßen. Allerdings wird es sich in der zukünftigen Anwendungspraxis zeigen müssen, ob das BilMoG das Versprechen halten kann, verstärkt informationsorientierte Regelungen zur Verfügung zu stellen, die gleichzeitig dem Gedanken der Ausschüttungsbemessung Rechnung tragen und ohne erheblichen Mehraufwand als Maßgabe für die steuerliche Gewinnermittlung dienen können. Im Hinblick auf die mit dem BilMoG neu geschaffenen Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz ist zumindest letzteres in Frage zu stellen.
Änderung nicht mehr zeitgemäßer Regelungen
Der BilMoG-Entwurf zeichnet sich gegenüber dem derzeit noch gültigen HGB v. a. dadurch aus, dass nicht mehr zeit- und sachgerechte Bilanzierungsregelungen abgeschafft oder geändert werden. Dabei fällt besonders die Abschaffung oder Eingrenzung einer Vielzahl von Wahlrechten ins Auge. Hier ist z. B. die Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit zu nennen. Zwar entfernt sich das Handelsrecht damit einen weiteren Schritt von der im Mittelstand häufig verwendeten Einheitsbilanz, jedoch führt dies zu einer deutlichen Stärkung der Informationsfunktion. So werden Verzerrungen der Aussagekraft des handelsrechtlichen Abschlusses, die durch die Anwendung steuerlicher Sonderregelungen bedingt sind, vermieden. Ähnliches gilt für die Streichung der Ansatzwahlrechte für Aufwandsrückstellungen. Damit wird ein Wahlrecht eliminiert, das – aufgrund der vormals erlaubten Rückstellungsbildung ohne Drittverpflichtung – gemeinhin als bilanzpolitisches Instrument der Ergebnisbeeinflussung angesehen und kritisiert wird. Dies kommt erneut der Informationsfunktion des Abschlusses zugute. Aber auch die strikte Ablehnung des international üblichen “impairment only approach” – d.h. des kompletten Verzichts auf planmäßige Abschreibungen – bei der Folgebewertung eines Geschäfts- oder Firmenwertes ist aus Sicht mittelständischer Unternehmen positiv zu werten. Trotz verschiedener Abweichungen von den IFRS sollten sich die Neuerungen für IFRS-Bilanzierer aber dennoch als vorteilhaft erweisen, da eine grundsätzliche – wenn auch nur moderate – Entwicklung in Richtung internationaler Standards zu verzeichnen ist.
Nachbesserung einzelner Regelungen wünschenswert
Neben der grundsätzlich positiven Einschätzung des Entwurfs besteht in Bezug auf einzelne Regelungen aber auch Nachbesserungsbedarf, um diese stärker auf die Bedürfnisse des Mittelstands hin auszurichten. So dürften die geplante Pflicht zur Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermögensgegenstände und die damit verbundene Objektivierungsproblematik viele kleinere Unternehmen vor Probleme stellen. Hier sollte – wie auch vom Bundesrat in dessen Stellungnahme angeregt, über ein Aktivierungswahlrecht nachgedacht werden. Aber auch hinsichtlich der Regelungen zur Ansatzpflicht latenter Steuern, die nach dem international üblichen “temporary concept” ermittelt werden sollen, sollte über weitergehende Vereinfachungen nachgedacht werden. Der mit den Regelungen verbundene Mehraufwand, v. a. in Bezug auf die Angabeerfordernisse im Anhang, dürfte viele Anwender überfordern. Selbiges gilt auch für weitere geplante Anhangangaben. Börsennotierte Unternehmen in den Auswahlindizes der Deutschen Börse werden regelmäßig nur wenige Probleme mit der Erfüllung dieser Berichtspflichten haben. Kleinere Mittelständler, die ggf. nur mit einem Rechnungswesen arbeiten, das aus ein bis zwei Bilanzbuchhaltern besteht, werden mit dieser Aufgabe hingegen oftmals an ihre Grenzen stoßen. Besonders für nicht börsennotierte Unternehmen sollten hier weitergehende Erleichterungen in Betracht gezogen werden. Fraglich bleibt schließlich auch, ob vor dem Hintergrund der Finanzkrise und der Entwicklungen auf internationaler Ebene die im Regierungsentwurf enthaltene Regelung zur Zeitwertbewertung von Finanzinstrumenten haltbar bleibt.
Einige dieser Themen wurden auch im Rahmen der Sachverständigenanhörung vor dem Rechtsausschuss des Bundestags am 17.12.2008 thematisiert. Im Fokus der Kritik eines Großteils der Experten aus Wissenschaft und Praxis standen dabei die Aktivierungspflicht für selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände, die Bildung latenter Steuern auf Verlustvorträge sowie die Zeitwertbewertung von Handelsinstrumenten, die vor dem Hintergrund der Zielsetzungen des BilMoG und der Finanzmarktkrise kontrovers diskutiert wurden. Zwar wird eine endgültige Verabschiedung des BilMoG erst im März/April 2009 erwartet, allerdings stehen nach der Sichtung der Expertengutachten die Chancen gut, dass zumindest die verstärkt diskutierten Kernbereiche noch einmal überarbeitet werden.
Fazit
Die geplanten Regelungen des BilMoG stellen für den deutschen Mittelstand eine grundsätzliche Alternative zu den IFRS dar und rücken das deutsche Bilanzrecht näher an die internationalen Regelungen heran. Dies bringt u. a. Vorteile für deutsche IFRS-Bilanzierer. Nichtsdestotrotz werden verschiedene Regelungen der IFRS nicht übernommen. Obwohl der Entwurf aus Sicht der Praxis generell sehr zu begrüßen ist, besteht aus Sicht des Mittelstands an verschiedenen Stellen noch Nachbesserungsbedarf, um dem Ziel der Entlastung des Mittelstands gerecht zu werden. Nach der Expertenanhörung vom Dezember 2008 darf der deutsche Mittelstand jedoch zumindest in einigen Kernbereichen auf eine Überarbeitung des Entwurfs hoffen.
Frank Reuther (frank.reuther@freudenberg.de) ist Leiter Konzernrechnungswesen und -controlling, Dr. Christian Fink (christian.fink@freudenberg.de) Referent für Bilanzrecht bei der Freudenberg & Co. KG in Weinheim. Beide sind auch in der Vereinigung zur Mitwirkung an der Entwicklung des Bilanzrechts für Familienunternehmen (VMEBF) tätig. Die Freudenberg-Gruppe produziert vor allem Komponenten für die Automobil-, Maschinenbau- und Textilindustrie. Eine bekannte eigene Marke ist Vileda. Das Unternehmen erwirtschaftete 2007 mit rund 34.330 Mitarbeitern einen Umsatz in Höhe von 5,3 Mrd. Euro.
www.freudenberg.de, www.vmebf.org