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„Fleiß, preußische Tugenden und ein Quäntchen Glück“

Das konnte sich Jörg Woltmann nicht vorstellen: 2005 drohte die Königliche Porzellan-Manufaktur, kurz KPM, in die Hand von ausländischen Investoren zu gehen. Da blutete dem gelernten Banker und waschechten Berliner das Herz. Eine Woche lang dachte er nach und besprach sich mit seiner Familie. Dann kaufte er eine der besten Porzellanmanufakturen der Welt. Im Interview spricht der unkonventionelle  Geschäftsmann über sein Alltagsgeschäft und Zukunftspläne.

Herr Woltmann, Sie sind neben Ihrer Tätigkeit bei KPM Gründer und Alleinaktionär der Berliner Allgemeinen Beamten Kasse Kreditbank AG. Sie arbeiten täglich von acht bis zwölf Uhr bei der KPM, ab 13 Uhr geht’s in die Bank. Wie gelingt der Spagat?

Tasse „Kurland“ von KPM: Dekoriert kostet sie 284 Euro. (© Königliche Porzellan-Manufaktur GmbH)

Der Spagat ist schon eine Herausforderung, aber ich teile es mir ein. Ich mache das Ganze ziemlich entspannt. Man bekommt Routine.

Sie arbeiten komplett ohne E-Mails und besitzen auch kein Smartphone. Kann man heutzutage noch so arbeiten, vor allem mit Ihren internationalen Kooperationspartner wie Bottega Veneta oder Bugatti?

Ja, das geht sehr gut. Das sind meistens Termine vor Ort, und die laufen alle über mein Sekretariat. Bei den Besprechungen lege ich auch Wert darauf, dass alle ihr Telefon ausgeschaltet haben.

Wie kommen Sie an diese Kontakte?

Ich bin auf vielen Veranstaltungen, und dann ergeben sich Netzwerke. Bei Bottega Veneta war es so, dass der Chefdesigner Thomas Maier gesagt hat, er möchte mit der besten Manufaktur der Welt zusammenarbeiten. Bei Bugatti hat es sich ähnlich ergeben. Ich war eingeladen zum hundertjährigen Jubiläum, und dann kommt man ins Gespräch. Meistens kommen die Hersteller auf uns zu. Am Ende haben wir einen Bugatti mit KPM Porzellan ausgestattet, das schnellste Porzellanauto der Welt.

Sie wollen die Tisch- und Porzellankultur wiederaufleben lassen. Wer kauft heute noch so hochwertiges Dekor?

Es gibt unterschiedlichste Kunden. Manche kommen einmal im Monat und freuen sich, wenn sie eine Tasse kaufen können. Andere lassen sich für 24 Personen ein Service anfertigen. Es gibt Leute, die Wert auf Kultur und Design legen. Eine KPM-Tasse besteht aus 28 Handwerksschritten. Das ist schon etwas Anderes, als wenn man eine maschinengepresste Tasse in der Hand hält.Das konnte sich Jörg Woltmann nicht vorstellen: 2005 drohte die Königliche Porzellan-Manufaktur, kurz KPM, in die Hand von ausländischen Investoren zu gehen. Da blutete dem gelernten Banker und waschechten Berliner das Herz. Eine Woche lang dachte er nach und besprach sich mit seiner Familie. Dann kaufte er eine der besten Porzellanmanufakturen der Welt. Im Interview spricht der unkonventionelle  Geschäftsmann über sein Alltagsgeschäft und Zukunftspläne.

Wie sieht es mit Kunden aus dem Ausland aus?

Service von KPM: Woltmann möchte die Tisch- und Porzellankultur wieder aufleben lassen. (© Königliche Porzellan-Manufaktur GmbH)

Die sind im obersten Preissegment angesiedelt. Sie legen Wert auf höchste Qualität und kaufen meist hochdekorierte Stücke. Zum Beispiel wurden nach Taiwan 5 Vasen für jeweils 130.000 Euro verkauft. Das ist in Deutschland nur schwer möglich. Die Auslandsmärkte sind deutlich größer als der heimische Markt.

Mit Ihren jetzigen Kapazitäten haben Sie ihr weiteres Wachstumspotenzial im Ausland auf zwei bis drei Jahre geschätzt. Wie geht es danach weiter?

Vielleicht sind es auch weniger. Dann müssen wir überlegen, was wir machen, vielleicht neue Meistermaler einstellen. Aber mit der jetzigen Kapazität wird es auf keinen Fall länger gehen. Wir wollen aber auch in Deutschland unsere Service, Vasen und Skulpturen verkaufen, da sind durchaus noch Kapazitäten frei. Dafür wollen wir eben die Tischkultur fördern. Ein mit KPM gedeckter Tisch ist schon etwas Besonderes. Hinter den Produkten steckt immer eine Geschichte. Unser meistverkauftes Service, das Kurland, existiert seit 225 Jahren. Welches Unternehmen kann so etwas von sich behaupten?

Villeroy Boch hat auch ein Dekor von 1770. Würden Sie das Unternehmen auch als Ihren größten Konkurrenten bezeichnen? 

Nein, Villeroy Boch ist ein Porzellanhersteller, wir sind eine Manufaktur. Das ist etwas komplett Anderes. 85 Prozent unserer Produkte sind handgemacht.

Sie haben 40 Mio. Euro in die Manufaktur investiert. Woher kam das Geld?

Aus meinem Privatvermögen.Das konnte sich Jörg Woltmann nicht vorstellen: 2005 drohte die Königliche Porzellan-Manufaktur, kurz KPM, in die Hand von ausländischen Investoren zu gehen. Da blutete dem gelernten Banker und waschechten Berliner das Herz. Eine Woche lang dachte er nach und besprach sich mit seiner Familie. Dann kaufte er eine der besten Porzellanmanufakturen der Welt. Im Interview spricht der unkonventionelle  Geschäftsmann über sein Alltagsgeschäft und Zukunftspläne.

Dann ist Ihnen das Unternehmen viel wert?

Es ist mir sehr viel Wert. Es geht mir nicht darum, schnell Profit zu machen. Wenn ich rein wirtschaftlich denken würde, würde das Unternehmen wirtschaftlich sehr viel besser dastehen. Aber ich habe sehr viel investiert, zum Beispiel in die KPM-Welt in Berlin am Tiergarten. Dort habe ich alles auf den neuesten Stand gebracht. Das kostet sehr, sehr viel Geld. Ich arbeite hin auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit.

Von so einem Liebhaber-Investor im Hintergrund können andere nur träumen: Gerade WMF hat etwa eine wechselhafte Investorengeschichte hinter sich.

Ja, aber das erfüllt mich auch mit einem gewissen Stolz. Ich sage immer scherzhaft: ich habe das einzige Unternehmen der

Woltmann im Büro seiner Manufaktur: Unter ihm hat sich das Unternehmen wieder auf seine Ursprungswerte besonnen. (© Königliche Porzellan-Manufaktur GmbH)

Welt, das vorher sieben Könige und Kaiser besessen haben (lacht).  

Bekommen Sie viele Übernahmeangebote?

Die gibt es, Anfragen kommen von Investoren von überall auf der Welt. Das Unternehmen zu Verkaufen kommt für mich aber auf keinen Fall in Frage.

Sie haben die Manufaktur entgegen den Ratschlägen Ihrer Berater übernommen. Ist das ein Beispiel dafür, dass mit der richtigen Einstellung jeder Turnaround gelingen kann?

Ja, wobei die KPM kein richtiger Sanierungsfall war. Ich musste nur mehr verkaufen. Durch die vielen Management-Wechsel fehlte eine klare Linie im Marketing und Vertrieb. Die Produkte waren noch nie ein Problem, die Manufakturisten haben immer hervorragend gearbeitet. Aber dadurch, dass die KPM ein Staatsbetrieb war, war der Druck zum Verkaufen auch nicht so stark gegeben. Themen wie Export wurden einfach nicht angegangen. Man braucht Fleiß, preußische Tugenden und ein Quäntchen Glück: Man muss die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt treffen.

Als Nachfolgemodell wollen Sie einen Kreis von Unternehmerfamilien finden, die  die KPM gemeinsam fortführen. Warum?

Ja, das ist eine Option. Vielleicht geht das Unternehmen auch in eine Familienstiftung über. Auf jeden Fall hat es große Strahlkraft. Dass es von nur einer Familie getragen wird, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Es müssen viele Menschen hinter ihm stehen, die das Geschäftsmodell von KPM verstehen und auch bewahren wollen.

Sie beschäftigen auch mehrere Historiker, die Dekors und Geschichte der KPM erforschen. Allein das kostet mehrere hunderttausend Euro im Jahr…

Stimmt, da übernehme ich Aufgaben, die eigentlich dem Staat zufallen.

Wird Ihnen dieser Dienst an der Allgemeinheit gedankt?  

Von den Menschen schon, von der Politik eher weniger – von einem Bundesverdienstkreuz einmal abgesehen. Finanzielle Unterstützung erhalte ich überhaupt nicht. Dabei sind alle froh, dass ich durch den Kauf für die Kunden die Nachkaufgarantie gesichert habe: Denn in Berlin ist KPM sehr stark vertreten (lacht).


Zur Person

(© Königliche Porzellan-Manufaktur GmbH)

Jörg Woltmann übernahm 2005 die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH von einem Investorenkonsortium um den Prinz von Preußen. Einzige Bedingung: Vom Land Berlin wollte er die ehemaligen Immobilien der Manufaktur zurückkaufen. So konnte sie sich nach und nach von ihren Schulden erholen. Woltmann führte die Manufaktur zurück zu ihren eigentlichen Stärken: Die Qualität und Einzigartigkeit ihrer Produkte. Mittlerweile wird die hochpreisige KPM-Ware in 16 Ländern vertrieben, darunter Aserbaidschan, Taiwan und die Vereinigten Arabischen Emirate. www.kpm-berlin.com 

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