Fintechs: zwischen Eigenständigkeit und Kooperation

Wo der smarte Kredit gewinnt und warum es weiter Hausbanken geben wird

Die Digitalisierung der Kreditfinanzierung schreitet voran. Immer mehr Fintechs wollen sich im deutschen Mittelstand etablieren und erhöhen ihre Kundenbasis. Doch von einer Disruption sind sie noch weit entfernt. Wo der smarte Kredit gewinnt und warum es weiter Hausbanken geben wird.

Familienunternehmerin Melanie Baum: Sie nutzt die Angebot der Fintechs als Ergänzung ihrer Finanzierungsstrategie. © Baum Zerspanungstechnik e.K.

Baum Zerspanungstechnik ist ein Traditionsunternehmen, das seit 35 Jahren Einzelteile und Kleinserien für rund zwei Dutzend Branchenzielgruppen herstellt. Die heutige Inhaberin und Geschäftsführerin der 60-Mitarbeiter-Firma hat den Betrieb 2016 von ihrem Vater übernommen. „Tradition heißt aber nicht, immer nur die gleichen Wege zu gehen“, betont sie. „Auch nicht in der Finanzierung.“ Im Gegenteil: Ein Unternehmen mit langer Historie müsse sich immer wieder neu erfinden. Für Richard Heller, Leiter Firmenkunden bei Creditshelf, steht fest, dass Melanie Baum dafür die richtige Frau ist: „Sie ist äußerst innovativ, weitsichtig und sich ihrer Nischenposition bewusst.“ Der Finanzierungsexperte ist überzeugt, dass die junge Unternehmerin auch künftig erfolgreich sein wird. Für Melanie Baum sind Fintechs eine sinnvolle Ergänzung der herkömmlichen Finanzierungshäuser.

Altes Raster und neue Nischen
Dieses Argument gilt vor allem, weil die kleinen Betriebe bei der Fremdfinanzierung derzeit zu kämpfen haben. Dies belegen die Unternehmensbefragungen der KfW aus dem vergangenen Jahr: So hat sowohl unter den sehr kleinen als auch unter den sehr jungen Unternehmern jeder Vierte erhebliche Probleme, an Kapital zu kommen. Diese Finanzierungsnische scheint wie gemacht für Fintechs.

Thomas Lerch in einem seiner Hotels: Er wollte nicht wochenlang mit Banken über einen Kredit verhandeln und griff zum Fintech-Angebot. © KMueller

Dazu kommen bestimmte Branchen, die sich anbieten, weil sie in der Systematik klassischer Banken öfter durchs Raster fallen. Thomas Lerch ist Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Lerch Genuss, zu der mehrere Hotels und Gastronomiebetriebe in Süddeutschland gehören. Als er mit seiner Familie den Bau eines neuen Wellnesshotels im Allgäu plante, stieß er auf den Fintech-Kredit. „Ich wurde von Funding Circle angeschrieben und habe mich anschließend im Internet über das Unternehmen schlaugemacht“, sagt er. Die Bewertungen seien positiv gewesen, also stellte er einen Kreditantrag über 100.000 Euro.

Eine Sache von Tagen sei es dann doch nicht gewesen, berichtet Lerch. Zunächst kam die Zusage, dass es mit dem Kredit klappt, und „nach vier Wochen war das Geld dann da“. Das findet er „immer noch vergleichsweise schnell“. Vor allem aber sei der Prozess unkompliziert abgelaufen – nur online, ohne persönliches Treffen. Der vergleichsweise anonyme Prozess störte Lerch nicht. „Ich wollte nicht wochenlang mit den Banken verhandeln, um dann doch eine Absage zu erhalten“, sagt er.

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