Die Digitalisierung der Kreditfinanzierung schreitet voran. Immer mehr Fintechs wollen sich im deutschen Mittelstand etablieren und erhöhen ihre Kundenbasis. Doch von einer Disruption sind sie noch weit entfernt. Wo der smarte Kredit gewinnt und warum es weiter Hausbanken geben wird.
Es war nur noch ein Puzzleteil, das Melanie Baum fehlte. Für langfristige Kreditfinanzierungen waren die Hausbanken immer ihre erste Wahl. Um allerdings als Lieferant von Waren mit langen Zahlungszielen schneller an ihr Geld zu kommen, nutzte die Chefin der Firma Baum Zerspanungstechnik Factoring. „Ich brauchte für einen optimalen Finanzierungsmix nur noch jemanden, der mir kurz- und mittelfristige, unbesicherte Kredite zu günstigen Konditionen ermöglicht“, erinnert sich die 34-jährige Unternehmerin aus dem nordrhein-westfälischen Marl. Das war vor einem halben Jahr. Fündig wurde Melanie Baum im Netz. Über den Online-Kreditvermittler Creditshelf bekam sie nicht nur „sehr schnell und unkompliziert“ 100.000 Euro – sie fand in dem digitalen Mittelstandsfinanzierer auch den Partner, der ihr noch gefehlt hatte. „Wir werden uns sicherlich noch öfters auf diese Weise finanzieren.“
Finanzierung: Konkurrenz oder Win-win?
Die Finanzdienstleistungsbranche befindet sich im Umbruch. Da ist einerseits die Politik, die nach der letzten Finanzkrise vor rund zehn Jahren die regulatorischen Daumenschrauben weiter angezogen hat. Und es gibt andererseits die neuen, rein digitalen Konkurrenten wie Creditshelf & Co. Diese Fintechs agieren mit innovativen Geschäftsmodellen und bieten eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen an. Smarte Kredite für den Mittelstand: schnell, unbürokratisch, kundenorientiert. Genau so soll auch das Marketing wirken. Die Fintechs wollen dynamisch und cool rüberkommen, Finanzierungsthemen sollen nicht weiter mit ernsten Mienen und Stirnrunzeln begleitet werden. Die klassische Attitüde von engen Dresscodes und steter Seriosität wird ersetzt durch ein ungezwungenes, fast kumpelhaftes Miteinander. Doch wie stark können die Fintechs den Banken damit harte Marktanteile abluchsen? Oder ist die Digitalisierung am Ende sogar eine Win-win-Situation für alle Marktteilnehmer in einer Wirtschaft, die immer stärker von Investitionen in neue Technologien und Geschäftsmodelle geprägt ist?
Die Marke Fintech
„Schnell und einfach“ funktioniere der Prozess, eine Rückmeldung komme „innerhalb von 48 Stunden“ und „nach sieben Tagen ist die Finanzierung auf Ihrem Konto“. Mit diesen Versprechen versuchen die jungen Wilden aus der Finanzbranche, mittelständischen Unternehmen einen Kredit zu unterbreiten. Eine Online-Prüfung der Unterlagen und automatisierte Prozesse sollen es möglich machen, dass die neuen Anbieter schneller Anträge bearbeiten und Geld auszahlen können als etablierte Kreditinstitute.
Wie sich Fintechs als Marke gerne sehen, zeigt ihre Werbung. Der Berliner Kreditmarktplatz Kapilendo beispielsweise hat sich gerade von der Hamburger Agentur Uwe einen flotten 30-sekündigen TV-Spot und eine 42-sekündige Online-Version produzieren lassen. Dieser erklärt nicht, was Kapilendo macht, sondern versucht vor allem, Lockerheit zu vermitteln. In dem Filmchen lässt ein Manager nach Feierabend seinen Emotionen freien Lauf und tanzt mit wilden Gesten durch die Geschäftsräume, im Hintergrund tönt ein Chor ironisch-pathetisch den Markennamen. Der passende Claim dazu: Finanzierung kommt von uns. Freude von selbst. Für den Kreativchef der Werbeagentur, Mathias Lamken, war es der Kernauftrag, für Aufmerksamkeit bei Entscheidern in Unternehmen zu sorgen: „Jetzt tiefer in das komplexe Geschäftsprinzip einzusteigen ist für Awareness kontraproduktiv.“