Financial Factbook und Vendor Due Diligence

Wie man sich optimal auf den Verkaufsprozess vorbereitet

Foto: © Ihar_AdobeStock

Der Verkaufsprozess eines Unternehmens ist komplex und erfordert eine sorgfältige Vorbereitung. Unzureichende Informationen können zu Preisabschlägen oder einer schwächeren Verhandlungsposition führen. In diesem Zusammenhang sind das Financial Factbook (FFB) und die Vendor Due Diligence (VDD) unverzichtbare Instrumente. Während beide Ansätze unterschiedliche Schwerpunkte setzen, unterstützen sie gemeinsam einen erfolgreichen Verkaufsprozess. 

Das Financial Factbook (FFB) ist ein umfassendes Dokument, das alle relevanten Informationen über das Unternehmen bündelt. Es bietet eine detaillierte Übersicht über die finanziellen und operativen Aspekte des Unternehmens und dient somit als zentrale Informationsquelle für potenzielle Käufer. Dieses Dokument ist von entscheidender Bedeutung, da es nicht nur Vertrauen aufbaut, sondern auch Unsicherheiten aufseiten der Käufer reduziert. Ein gut strukturiertes Factbook kann den Verkaufsprozess erheblich beschleunigen und für den Verkäufer eine bessere Verhandlungsposition schaffen.

Jahresabschlüsse analysieren

Ein zentraler Bestandteil des Financial Factbooks ist die Analyse der historischen Jahresabschlüsse. Umsätze werden detailliert nach Branchen, Produktlinien, Märkten und Kundengruppen aufgeschlüsselt, um potenziellen Käufern ein klares Bild der Umsatzstruktur zu vermitteln. Die Entwicklung der Deckungsbeitragsmargen und eine detaillierte Kostenanalyse, die Material- und Personalkosten einschließt, geben Aufschluss über die Rentabilität des Unternehmens. Eine Quality-of-Earnings-(QoE-)Analyse bewertet die Nachhaltigkeit und Qualität der Erträge, um die Stabilität der Gewinne zu beurteilen.

Working Capital und Cashflow

Das Management des Working Capitals ist entscheidend, da es die Liquidität und den operativen Cashflow beeinflusst. Im Financial Factbook wird analysiert, wie das Unternehmen seine Vorräte, Forderungen und Verbindlichkeiten managt und ob eine mögliche Saisonalität in den Zahlen erkennbar ist. Auch der Cashflow, aufgeteilt in operativen, Investitions- und Finanzierungs-Cashflow, wird detailliert betrachtet, um die finanzielle Leistungsfähigkeit zu bewerten. Ein positiver operativer Cashflow ist ein Indikator dafür, dass das Unternehmen in der Lage ist, seine laufenden Kosten zu decken und gleichzeitig Mittel für Investitionen oder Schuldenrückzahlungen bereitzustellen. Der Investitions-Cashflow gibt Auskunft darüber, wie viel Geld das Unternehmen in neue Projekte oder Anlagen investiert hat, während der Finanzierungs-Cashflow Einblicke in die Finanzierungstätigkeiten des Unternehmens gewährt, zum Beispiel die Aufnahme von Darlehen oder die Rückzahlung von Schulden.

Kapitalstruktur und Investitionen

Die Analyse der Kapitalstruktur beleuchtet die Schulden und Verbindlichkeiten des Unternehmens sowie wichtige Finanzierungskennzahlen wie den Leverage und den Zinsdeckungsgrad. Diese Daten sind entscheidend, um die finanzielle Stabilität und Investitionsfähigkeit des Unternehmens einzuschätzen. Ebenso wichtig ist die Analyse der Investitionen und der CapEx, die vergangene und geplante Investitionen in Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte aufzeigen, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu beurteilen.

Geschäftsentwicklung und Planung

Schließlich befasst sich das Financial Factbook auch mit der aktuellen Geschäftsentwicklung und der Planung für das laufende Geschäftsjahr. Diese Zahlen zeigen hoffentlich einen positiven Geschäftsverlauf und geben potenziellen Käufern einen Einblick in die aktuelle Lage des Unternehmens. Wichtig ist, worauf aktuelle Margenverbesserungen beruhen und ob der Jahresplan erreicht werden kann. Diese Informationen sind entscheidend, um potenziellen Käufern Vertrauen in die Zukunft des Unternehmens zu geben und sie von der Stabilität und dem Wachstumspotenzial zu überzeugen.

Vorteile und Herausforderungen des Financial Factbooks

Das Financial Factbook bietet mehrere Vorteile. Es schafft Transparenz und Klarheit, indem es potenziellen Käufern einen umfassenden Überblick über das Unternehmen verleiht. Diese Transparenz kann Vertrauen aufbauen und Unsicherheiten reduzieren. Mit den Informationen aus dem Factbook ist der Verkäufer besser auf Verhandlungen vorbereitet und kann effizienter kommunizieren.

Doch trotz der Vorteile erfordert die Erstellung eines Financial Factbooks erhebliche Zeit- und Ressourceninvestitionen. Darüber hinaus kann ein Factbook nicht alle Fragen abdecken, die für potenzielle Käufer relevant sein könnten. Es bietet eine Übersicht, aber keine unabhängige tiefgehende Analyse aller Aspekte des Unternehmens.

Vendor Due Diligence – eine unabhängige Bewertung

Im Gegensatz zum Financial Factbook ist die Vendor Due Diligence (VDD) eine vom Verkäufer in Auftrag gegebene, unabhängige Prüfung des Unternehmens durch externe Experten. Sie hat die primäre Zielsetzung, Stärken und Schwächen sowie Risiko- und Chancenpotenziale zu erkennen. Die sorgfältige Analyse dieser Aspekte bietet eine objektive Beurteilung und erhöht die Glaubwürdigkeit gegenüber potenziellen Käufern.

Vertrauensbildung durch Unabhängigkeit

Eine der größten Stärken der Vendor Due Diligence ist ihre Fähigkeit, Vertrauen zu schaffen. Da die Prüfung von unabhängigen Dritten durchgeführt wird, signalisiert sie potenziellen Käufern, dass die präsentierten Informationen verlässlich und vollständig sind. Dies kann den Verkaufsprozess beschleunigen und erleichtern.

Risiken erkennen und adressieren

Ein weiterer Vorteil der Vendor Due Diligence ist die Möglichkeit zur Risikoerkennung. Durch die unabhängige Prüfung können potenzielle Risiken und Schwachstellen des Unternehmens frühzeitig identifiziert und angegangen werden. Dies kann dazu beitragen, unangenehme Überraschungen während der Käufer-Due-Diligence zu vermeiden und den Verkaufsprozess reibungsloser zu gestalten. Darüber hinaus stärkt die VDD die Verhandlungsposition des Verkäufers. Mit den Ergebnissen der VDD kann der Verkäufer besser vorbereitet in Verhandlungen gehen, da er sowohl die Stärken als auch die Schwächen seines Unternehmens kennt und diese gezielt ansprechen kann.

Zeit- und Kostenfaktoren der VDD

Trotz ihrer Vorteile ist die Vendor Due Diligence ein kostspieliger und zeitaufwendiger Prozess. Die Zusammenarbeit mit den Prüfern erfordert eine frühzeitige Planung und erhebliche finanzielle Mittel. Ein weiterer potenzieller Nachteil der VDD ist die Offenlegung von Schwächen. Die unabhängige Prüfung kann Schwächen und Risiken des Unternehmens aufdecken, die dem Verkäufer zuvor nicht bewusst waren. Diese Informationen können von potenziellen Käufern in Verhandlungen genutzt werden, um den Preis zu drücken oder zusätzliche Bedingungen zu fordern.

Fazit

Sowohl das Financial Factbook als auch die Vendor Due Diligence bieten eine optimale Vorbereitung und sind essenzielle Werkzeuge für eine erfolgreiche Unternehmensveräußerung. Das Factbook bietet eine strukturierte und kontrollierte Übersicht über alle relevanten Informationen, während die VDD durch eine unabhängige und detaillierte Prüfung die Glaubwürdigkeit erhöht und potenzielle Chancen und Risiken aufzeigt.

👉 Dieser Beitrag erschien in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2024.

Autorenprofil
Frank Stahl

Wirtschaftsprüfer Frank Stahl ist Head of Transactions im Münchner Office von Baker Tilly und begleitet M&A-Transaktionen bei Baker Tilly bereits seit über 17 Jahren.

Vorheriger ArtikelPemacom 2024: Impulse für die PE- und M&A-Community
Nächster ArtikelPost Merger Integration als Schlüssel zur Wertsteigerung