Fast zurück auf Los

Die Börse in Shanghai kannte eigentlich nur den Weg nach oben. Das ist vorbei. Seit Mai dieses Jahres brachen die Kurse zeitweise um knapp 30 Prozent ein. Das hat Auswirkungen auf die Börse, das wirtschaftliche Umfeld in China aber auch auf deutsche Unternehmen.

Das Spieleparadies Macao war einer der Leidtragenden des Börsenbooms in China: Als die Märkte dort im vergangenen Jahr von einem Rekord zum nächsten jagten, tauschten viele Chinesen Jetons gegen Anteilsscheine börsennotierter Unternehmen. Es schien so, als sei es deutlich einfacher, mit Aktien reich zu werden als mit dem Roulettespiel. Nach oben gab es keine Grenzen: Von August 2014 bis Mitte Mai 2015 kletterte der wichtige Shanghai Composite von 2.170 auf knapp 5.200 Punkte – ein Plus von 140 Prozent. Unter der chinesischen Bevölkerung löste dies eine Goldgräberstimmung aus. Die Bewertungen der Unternehmen schossen auf neue Rekordniveaus. Jeder wusste zwar, dass dieser Siegeszug nicht ewig dauern würde. Doch spielt man das Spiel mit, solange es gut geht.

Party ist erstmal vorbei

Seit Wochen nun befindet sich der Aktienmarkt dort im Sinkflug. Seit Ende Mai brach der Shanghai Composite um 30 Prozent ein. Das entspricht einem vernichteten Börsenwert von 3,5 Mrd. US-Dollar. Bereits seit einiger Zeit flaut die Konjunktur im Land ab – freilich ist dies auch politisch gewollt. Im Juni etwa sanken die Gewinne großer Industriefirmen im Vergleich zum Vormonat um 0,3 Prozent. Wie nervös der Markt ist, zeigte sich in der Kursreaktion: Der Leitindex in Shanghai fiel Ende Juli nach schlechten Wirtschaftsdaten an einem Tag um 8,5 Prozent. Mit Zinssenkungen will die Notenbank den Verfall aufhalten: Zudem will die Finanzaufsicht verstärkt gegen Leerverkäufer vorgehen. Das sind solche, die auf fallende Kurse wetten, geliehene Papiere weitergeben, um sie dann später zu einem günstigeren Kurs wieder einzusammeln.

Das Problem: Die vielen Privatanleger, die es mittlerweile in China gibt, bleiben dabei auf der Strecke. Über günstige Kredite unterstützte die Regierung die Geldanlage an der Börse. Kleinanleger nutzten die Gelegenheit. Nicht wenige verschuldeten sich hoch, zockten gar mit hohen Hebeln auf einen weiteren Börsenanstieg. Doch jetzt scheint der Bumerang zurückzukommen. Manchen Kleinanleger trifft er mit voller Wucht.

Deutsche Unternehmen betroffen

Aber auch deutsche Unternehmen, deren wichtigstes Standbein China ist, sind von der Krise betroffen. Der chinesische PKW-Markt war im Juni das erste Mal schwächer. Der Druck auf die Autobauer wächst. Selbst betuchtere Chinesen fordern immer höhere Rabatte auf Fahrzeuge der Oberklasse. Diejenigen, die mit der Börse hochgeflogen und nicht weich gelandet sind, können sich die Autos nicht mehr leisten. Die Nachwehen werden die deutschen Autobauer erst noch zu spüren bekommen. In den Planungen sind sie schon berücksichtigt. Volkswagen etwa reduzierte seine Absatzprognose für das Gesamtjahr. Anstatt eines moderaten Plus erwarten die Wolfsburger für das Gesamtjahr lediglich noch, die Zahlen des Vorjahres zu erreichen. Damals verkauften sie weltweit 10,1 Mio. Fahrzeuge. Auch auf die mittelständischen Zulieferer könnte sich die Entwicklung in China negativ auswirken. Denn selbst das in der Autoindustrie wiederentdeckte Europa kann Chinas Schwäche nicht ausbügeln.

Autorenprofil

Tobias Schorr war von März 2013 bis Januar 2018 Chefredakteur der "Unternehmeredition". Davor war er für die Gruner + Jahr Wirtschaftsmedien im Ressort Geld als Redakteur tätig. Von 2003 bis 2007 arbeitete er zunächst als Redakteur, dann als Ressortleiter beim Mittelstandsmagazin "Markt und Mittelstand". Sein Handwerk lernte er an der Axel Springer Journalistenschule.

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