Familienunternehmen als Vorreiter für digitale Bildung?

Familienunternehmen sind in digitalen Aus- und Weiterbildungsangeboten ausgesprochen stark

Bild: patpitchaya - AdobeStock

Familienunternehmen sind in digitalen Aus- und Weiterbildungsangeboten ausgesprochen stark und teilweise stärker als Nicht-Familienunternehmen. Sie sollten ihr Können und ihre Angebote für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Recruiting-Prozess selbstbewusster nach vorne stellen. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft, herausgegeben von der Stiftung Familienunternehmen, die den Stand der digitalen Bildung in Familienunternehmen analysiert.

Digitale Bildung stellt ein Kernelement der Aus- und Weiterbildung in allen Berufen dar und umfasst mehrere Dimensionen: Wichtig sind zunächst Fachkompetenzen, durch die Beschäftigte z.B. neue Technologien bedienen können. Hinzu kommen kontinuierliches berufliches Hinzulernen, Selbstständigkeit und Reflexionsfähigkeit als Soft Skills. Deren Bedeutung nimmt in der digitalen Arbeitswelt zu. Damit verbunden ist das sogenannte Mindset, d.h. die Einstellungen der Mitarbeiter. Diese drei elementaren Aspekte ermöglichen digitale Zusammenarbeit und können zusätzlich unterstützt werden von digitalen Lernmedien. Die Auseinandersetzung mit den Dimensionen der digitalen Bildung bietet Unternehmen die Möglichkeit, ganzheitliche digitale Lehr- und Lernkonzepte für die eigene berufliche Aus- und Weiterbildung zu entwickeln und umzusetzen.

Zu den Rahmenbedingungen digitaler Bildung gehören technische und unternehmenskulturelle Aspekte. Die Nutzung neuartiger Technologien ist einer der wichtigsten Treiber. Dazu gehören digitale Vertriebs- bzw. Beschaffungswege sowie Dienstleistungen wie Cloud-Services. Die Analyse zeigt, dass Familienunternehmen die meisten digitalen Technologien ähnlich häufig nutzen wie Nicht-Familienunternehmen. Unterschiede lassen sich zumeist auf Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit zurückführen. Das Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz, aber auch Big-Data-Anwendungen setzen Familienunternehmen jedoch etwas häufiger ein als andere Unternehmen. Digitale Dienstleistungen wie Cloud-Services nutzen sie hingegen seltener.
Obwohl Familienunternehmen hinsichtlich ihres Technologieeinsatzes insgesamt gut aufgestellt sind, bestehen zum Beispiel bei Big-Data-Analysen noch Ausbaumöglichkeiten. Hier sind derzeit lediglich 15,6 Prozent der Familienunternehmen aktiv, obwohl viele bereits in großem Umfang Daten erheben. Grundsätzlich bietet die Auswertung von Geschäftsdaten große Potenziale für Unternehmen, die derzeit aufgrund einer mangelnden “data economy readiness“ noch nicht ausgeschöpft werden.

Digitales Mindset ähnlich stark in Familienunternehmen

Das digitale Mindset als unternehmenskulturelle Voraussetzung umfasst ebenfalls mehrere Dimensionen: die strategische Aufstellung des Unternehmens, die Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im digitalen Wandel sowie die vorherrschende Lernkultur. Es ist in Familienunternehmen ähnlich stark ausgeprägt wie in Nicht-Familienunternehmen.

Abbildung 1: Digitales Mindset: Strategie und Anpassungen in der digitalen
Transformation

Bei der strategischen Aufstellung und Anpassung zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen ist Familienunternehmen besonders die Kundenorientierung wichtig: 58,9 Prozent stellen sie in den Mittelpunkt (vgl. Abbildung 1). Vier von zehn optimieren zunächst ihre Arbeitsprozesse, bevor sie diese digitalisieren. Da die Digitalisierung ein stärkeres Ineinandergreifen von Prozessen erfordert, braucht es hier noch intensivere Bemühungen. Alles in allem nehmen viele Betriebe Anpassungen vor, es fehlt jedoch häufig noch an einer klaren Strategie.

Als zweite Säule des digitalen Mindsets ist die Beteiligung der Beschäftigten wichtig. Denn diese müssen digitale Lösungen an die Erfordernisse des eigenen Arbeitsplatzes anpassen. Etwa zwei Drittel der Familienunternehmen binden ihre Mitarbeiter eng in die Digitalisierungsprozesse ein. Knapp die Hälfte beteiligt sie bei der Auswahl neuer technischer Lösungen. Darüber hinaus holt etwa die Hälfte der Familienunternehmen die Meinungen der Beschäftigten zu zurückliegenden oder anstehenden Veränderungen ein. Die Familienunternehmen beziehen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter also aktiv in die Gestaltung des digitalen Wandels ein.

Mit Blick auf das berufliche Hinzulernen zeigt sich ein gespaltenes Bild: Einerseits statten etwa sechs von zehn Familienunternehmen die Mitarbeiter mit den benötigten Kompetenzen aus. Andererseits ermitteln nur knapp 40 Prozent der Unternehmen den Qualifizierungsbedarf, der sich im Zuge der Digitalisierung ergibt, systematisch. Dabei ist das ein Muss: Das hohe Bewusstsein für die Relevanz beruflicher Weiterbildung sollte noch zielgerichteter in die konkreten Anstrengungen münden.

Digitale Ausbildung in Familienunternehmen – aktueller Stand

Die Ausbildung gibt Unternehmen seit jeher die Möglichkeit, zukünftigen Fachkräften im Rahmen der Ausbildungsordnungen die benötigten Kompetenzen zu vermitteln. Gut 80 Prozent der ausbildenden Betriebe in Deutschland sind Familienunternehmen. Und hier zeigt sich: Datenkompetenzen nehmen in der Ausbildung in Familienunternehmen bereits eine deutlich größere Rolle ein, als dies bisher im Arbeitsalltag der Fall ist – insbesondere die Kompetenz, unternehmenseigene Daten interpretieren zu können: Während diese derzeit lediglich in 18,9 Prozent der Betriebe für viele Fachkräfte relevant ist, vermitteln bereits 41,8 Prozent die Fähigkeit intensiv in der betrieblichen Ausbildung. Familienunternehmen stellen die Weichen: Die Rolle von Datenkompetenzen wird künftig steigen.

Familienunternehmen als digitale Vorreiter in der Ausbildung

Ganz allgemein lässt sich festhalten, dass sich Familienunternehmen mit 39,8 Prozent deutlich häufiger intensiver mit der Digitalisierung der Ausbildung beschäftigen als andere Unternehmen (28,1 Prozent). 39,7 Prozent der Familienunternehmen setzen dabei in hohem oder mittlerem Maße zeitliche, 33,8 Prozent finanzielle Ressourcen ein. In Nicht-Familienunternehmen ist der zeitliche (30,7 Prozent) und finanzielle Einsatz (21,7 Prozent) deutlich geringer. Während sich die Unterschiede beim Einsatz zeitlicher Kapazitäten auf die Unternehmensgröße zurückführen lassen, setzen Familienunternehmen auch bei Berücksichtigung weiterer Variablen signifikant häufiger zusätzliche finanzielle Ressourcen ein als Nicht-Familienunternehmen. Ein weiterer Indikator für den Stand der Digitalisierung der Ausbildung sind dort vermittelte digitale Kompetenzen.

Abbildung 2: Intensive Vermittlung der jeweiligen digitalen Kompetenz in der Ausbildung

Ausbilder in Familienunternehmen vermitteln im Schnitt 6,1 dieser Kompetenzen, andere Unternehmen hingegen nur 4,7. Familienunternehmen legen also Wert auf eine möglichst breite digitale Qualifikation. Bei Familienunternehmen liegt häufiger ein Fokus darauf, angemessen über digitale Kanäle zu kommunizieren, Anlagen beziehungsweise Maschinen auf digitalem Weg zu bedienen sowie einfache digitale Programme zu erstellen (vgl. Abbildung 2). Software-Anwenderkenntnisse besitzen insgesamt den höchsten Stellenwert.

Lernortkooperationen

Im Rahmen der dualen Ausbildung ist es essenziell, dass die digitale Transformation auch von den Berufsschulen entsprechend begleitet wird. Zum Thema Lernortkooperation geben aber mehr als sechs von zehn Familienunternehmen an, dass Unternehmen und Berufsschulen sich zu wenig aufeinander beziehen. Gut die Hälfte der Familienunternehmen ist mit der technischen Ausstattung der Schulen unzufrieden. Es ist anzunehmen, dass sie bei der Digitalisierung der Ausbildung bereits weiter fortgeschritten sind oder höhere Qualitätsansprüche formulieren. Insbesondere für die Landes- und Kommunalpolitik lassen sich zum Thema Lernortkooperationen zentrale Handlungsbedarfe zur modernen und digitalen Gestaltung der dualen Ausbildung ableiten.

Weiterbildungskultur in Familienunternehmen

Neben der Ausbildung ist die betriebliche Weiterbildung der zweite zentrale Bereich der digitalen Bildung in Unternehmen. Zusätzlich zu konkreten Regelungen für den Arbeitsalltag gehören formalisierte Prozesse wie die Erhebung von Bedarfen und die Weiterbildungsplanung zur Weiterbildungskultur. Wie die folgende Abbildung 3 zeigt, hat die Weiterbildung in Familienunternehmen insgesamt einen sehr hohen Stellenwert.

Abbildung 3: Weiterbildungskultur in Familienunternehmen

Knapp neun von zehn Unternehmen stellen ihre Mitarbeiter im Regelfall für die Teilnahme an Weiterbildungen frei, ähnlich viele unterstützen hier finanziell. Zusätzlich schaffen viele Unternehmen günstige Rahmenbedingungen für informelles Lernen. Nur etwa die Hälfte der Familienunternehmen jedoch erfasst den Weiterbildungsbedarf der Beschäftigten systematisch. Ähnlich wie bei der systematischen Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs im Zuge des digitalen Wandels besteht hier noch Potenzial.

Was die Weiterbildung von Ausbildern angeht, ist diese ebenfalls zentral für den digitalen Wandel: Sie sollten sich regelmäßig fortbilden, um den Auszubildenden Kompetenzen entsprechend dem aktuellen Stand der Technik vermitteln zu können. In Befragungen äußern Ausbilder zahlreiche Weiterbildungsbedarfe. Zwei von drei Familienunternehmen (65,6 Prozent) sprechen sich sogar für eine Weiterbildungspflicht für Ausbilder aus und zeigen damit, dass ihnen die Bedeutung des Themas bewusst ist. In jedem Fall sind hier dauerhafte Anstrengungen für eine nachhaltige digitale Bildungsstrategie notwendig.

Fazit

Die duale Ausbildung ist der Schlüssel für die Vermittlung von digitalem Know-how. Gleichzeitig ist Weiterbildung im Betrieb ein Muss. Das erwartet auch die Jugend. Gut gesteuerte digitale Prozesse und Ressourcenmanagement sind heute ein dickes Plus im Wettbewerb um künftige Fachkräfte. Die deutschen Familienunternehmen setzen dies schon vielfach in die Praxis um. Die Empfehlung: Bedarfe noch systematischer erheben und die Maßnahmen noch strategischer ausrichten sowie aufeinander beziehen.

Detaillierte Ergebnisse, Handlungsempfehlungen für die Politik sowie Angaben zur Methodik finden Sie hier, ebenso Informationen dazu, wie Familienunternehmen beim Index Ausbildungsunternehmen 4.0 des vom Bundesbildungsministeriums geförderten Netzwerks Q 4.0 abschneiden. Die Studie gibt zudem einen Überblick mit Links zu Beratungs- und Förderangeboten für Unternehmen im digitalen Wandel.

Autorenprofil
Dirk Werner
Volkswirt und Wirtschaftspädagoge at Institut der deutschen Wirtschaft (IW) | Website

Dirk Werner forscht und publiziert als Volkswirt und Wirtschaftspädagoge zu Themen der Berufsbildung sowie der Fachkräftesicherung. Er leitet im Institut der deutschen Wirtschaft das Themencluster „Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte“, zudem die Projekte „BQ-Portal – das Informationsportal für ausländische Berufsqualifikationen“, „Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA)“ sowie „Netzwerk Q 4.0 – Netzwerk zur Qualifizierung des Berufsbildungspersonals im digitalen Wandel“.

Autorenprofil
Paula Risius

Paula Risius forscht und publiziert als Soziologin und empirische Sozialforscherin zu Themen der Berufsbildung und Fachkräftesicherung. Sie ist Researcher im Themencluster Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte im Institut der deutschen Wirtschaft. Sie betreut die empirische Begleitforschung im Projekt „NETZWERK Q 4.0“ und verantwortet das Thema digitale Bildung im Themencluster.

 

Autorenprofil
Sibylle Gausing

Sibylle Gausing ist Referentin im Bereich Wissenschaft und Programme bei der Stiftung Familienunternehmen und betreut in dieser Funktion Fachkräfte- und Bildungsthemen sowie die wirtschaftshistorischen Veröffentlichungen.

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