Die Stuttgarter Glöckle-Gruppe verkaufte über Jahrzehnte staatliche Lotterielose. Ab 2008 musste das Unternehmen auf gesetzliche Reformen reagieren. Es folgte ein radikaler Strategiewechsel. Neue Geschäftszweige kamen dazu. Heute machen diese den Großteil des Umsatzes aus.
Am Anfang war es nur ein Zusatzgeschäft für den Friseur Josef Glöckle im Stuttgarter Ortsteil Cannstatt. 1896 begann er nebenher seiner Kundschaft Lotterielose zu verkaufen. Der Nebenerwerb war für ihn bald schon lukrativer als das Haareschneiden. Achtzehn Jahre später erhielt der einstige Barbier den Ritterschlag und wurde zum „königlich württembergischen Lotterieunternehmer“ ernannt. 1924 übergab Josef die Geschäfte an seinen ältesten Sohn Erwin, das damals offiziell „Vermittlung der Spielteilnahme“ hieß. Nach dem Krieg wurde der Bruder Fritz Mitinhaber. Der hatte sich im Ausland ein Netzwerk für den Import von Schokolade, Kaffee und Tabak aufgebaut – gute Tauschware für Papier, mit dem die Werbung für den Verkauf von Losen der staatlichen Süddeutschen Klassenlotterie angekurbelt werden konnte. Glöckle expandierte gen Norden und verkaufte auch von Hamburg aus Lotteriescheine. Das Geschäft florierte über Jahrzehnte.
Hohe Umsatzverluste prognostiziert
2008 kam dann der Rückschlag: Der reformierte Glückspielstaatsvertrag verbot wichtige Vertriebskanäle, darunter Telefonanrufe, TV-Werbung und den Online-Vertrieb. „Wir mussten mit einem radikalen Umsatzverlust innerhalb der nächsten Jahre rechnen – das wäre wohl das Ende unseres Familienbetriebes mit seinen knapp 300 Mitarbeitern gewesen“, sagt Axel Glöckle. Gemeinsam wurden verschiedene Szenarien durchgespielt, die man anschließend von der schweizerischen Managementuniversität St. Gallen bewerten ließ. Die Experten wiesen den Weg in eine strategische Neuausrichtung: „Unsere Stärke war unser Know-how als Marketingdienstleister mit Erfahrungen in der Kundengewinnung und -betreuung. Damit war das Potenzial für neue Geschäftsfelder vorhanden“, so Glöckle.
Verschiedene Geschäftsfelder durchgerechnet
Daraufhin befasste sich die Geschäftsführung mit möglichen neuen Geschäftszweigen wie Kreditkartenvermittlung, Zeitungsabonnements oder den Vertrieb von Versicherungen. Die meisten Ideen mussten nach einer ersten Kalkulation verworfen werden.