Nach zwei Jahren Coronapause gaben sich am 20. September Experten der M&A-Branche wieder live ein Stelldichein bei der MuMAC-Konferenz in München. Im Fokus standen Cross Border M&A und Private Equity, deren Status Quo vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Rahmenbedingungen beleuchtet wurde.
„2022 hat den Krieg zurück nach Europa gebracht und als Add-on noch eine Inflation von 7,9%“, sagte Christian von Sydow, Partner von McDermott Will Emery in seiner Auftaktrede. Der Krieg und das Töten müssten ein Ende haben. Die Cross-Border M&A und Private Equity Conference 2022 (MuMAC 2022) ist die branchenführende Konferenz für grenzüberschreitende M&A- und Private-Equity-Investitionen. Sie wird gesponsored von McDermott Will & Emery, Dealsuite.com und PwC. Das Konferenzthema lautete: „Game-Changer Geostrategie: Die transaktionalen Ripple-Effekte“.
Als Keynote Speaker sprachen der ukrainische Konsul Dmytro Shevchenko und Dr. Stefanie Babst, Mitbegründerin und Global Policy Advisor von Brooch Associates in London. „Der Krieg war nicht unsere Entscheidung“, sagte Shevchenko. Er sei eine strategische Entscheidung der russischen Seite, die Menschenleben und die Wirtschaft bewusst für höhere strategische Ziele opfern würde. Am Ende richtete er einen leidenschaftlichen Appell an die Anwesenden: „Lassen Sie uns Russland gemeinsam bekämpfen! Wenn Sie Ihre Angst nicht unterdrücken können, handeln Sie mit Furcht!“
Selbstzufriedenheit und blinde Flecken als Risiken
„Worin liegen die größten Risiken für die Politik- und Wirtschaftsvertreter?“, fragte Dr. Babst, und gab selbst die Antwort: „Selbstgefälligkeit und blinde Flecken“. Deutschland sei in der Vergangenheit besonders blind gewesen, jetzt würden wir alle den Preis dafür zahlen. Wir befänden uns im Zeitalter des strategischen Wettbewerbs unter den Nationen. Russland, China und Iran würden die Nachkriegsordnung mit US-amerikanischer Dominanz in Frage stellen. „Wir können es uns nicht leisten, weiter selbstzufrieden zu sein“, mahnte die Politikberaterin. Die Unsicherheit werde bleiben. „Wir müssen konsequent in der Unterstützung unserer demokratischen Werte sein.“ Mit Blick auf die Beziehungen zu China rief sie dazu auf, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten, beispielsweise auch darauf, dass die USA im Falle eines chinesischen Einmarsches in Taiwan Sanktionen gegen China verhängen werden. Auch sie schloss ihre Rede mit einem Appell, den notwendigen strategischen Mut aufzubringen, um sich für die drohenden Gefahren zu wappnen.
„Wie sieht das neue Europa aus?“ stellte Nikolaus von Jacobs, Partner von McDermott Will & Emery, die abschließende Frage an Frau Babst. „Europa muss in sein eigene Stärke investieren. Wir müssen die europäische Wirtschaft stärken, indem wir selbst Mikrochips und grüne Energie produzieren“, so die Antwort der Politikberaterin.
Deals finden trotz globaler Verwerfungen weiterhin statt
„Wir haben den Höhepunkt der Globalisierung überschritten. Dennoch sehen wir zurzeit noch zahlreiche Cross-Border-Aktivitäten“, sagte Florian von Alten, Vorstandsmitglied bei der M&A-Beratung Oaklins während der sich anschließenden Panelsession „The Status Quo: M&A and Private Equity Market in 2022“. „Es herrscht nach wie vor Interesse an M&A-Transaktionen und es ist viel sogenanntes Dry Powder im Markt, aber wir erhalten derzeit weniger Angebote auf unsere Verkaufsmandate und die Due Diligence Prozesse dauern länger.“ Es werde jedoch ein Rückgang bei den Multiples verzeichnet. „Die Zeiten sind vorbei, in denen sechsfache EBITDA-Multiples für eine Fremdfinanzierung üblich waren“, betonte von Alten. Dies habe natürlich auch einen Einfluss auf die gebotenen Kaufpreise.
Die dominanten Sektoren seien weiterhin TMT, Industrials und Health Care. Eine M&A-Sonderkonjunktur erlebt derzeit die Logistik-Branche auf Grund der hohen Container-Charterraten. Insgesamt sähe der Markt weniger Megadeals mit einem Transaktionsvolumen über 10 Mrd. EUR. Mit 3.000 Transaktionen war das Kalender 2021 ein absolutes Rekordjahr. Aber auch in den ersten acht Monaten dieses Jahres wurden laut Oaklins bereits 1.855 Deals angekündigt beziehungsweise abgeschlossen. Vergleicht man diese Ziffer mit dem langjährigen Durchschnitt von 1.600 Deals in den letzten 20 Jahren, ist diese Anzahl der ersten acht Monate wegen des schwierigeren Umfeldes ein großer Erfolg.
„Es mangelt nicht an Opportunitäten, aber wir handeln nicht, da wir besonders in unserer Region risikoscheuer sind “, sagte Markus Schiller, Head of DACH & CEE von Datasite Germany. Schiller warf die Frage nach einem Sektorenwechsel auf. Insbesondere im Energiesektor sei derzeit einiges in Vorbereitung.
„Wir sehen eine leichte Rückwärtsbewegung aufgrund der Lieferkettenprobleme und des geopolitischen Wandels“, sagte Andreas Bösenberg, Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft Nord Holding. „Nachdem China die letzten zehn Jahre Standort- und Absatzmarktziel der deutschen Industrie gewesen ist, zeigt sich nun eine starke Hinwendung zu den USA, so wie zuletzt vor 20 Jahren.“
Vonseiten der USA und UK sehe man aktuell mehr Zurückhaltung gegenüber Kontinentaleuropa, berichtete Teresa Schawe, Partner Deals Strategy & Germany bei PwC Germany. „Es gibt weniger Rückfragen zu den USA und mehr Fragen zu Europa. Dementsprechend verlangsame sich das Dealtempo. „Die Transaktionen lassen sich nicht mehr innerhalb von drei Wochen abwickeln“, so Schawe. Als weiteren Trend bezeichnete sie eine verstärkte Dealaktivität von Seiten der Corporates.
„Es gibt einen Trend hin zu mehr Diversifizierung“, sagte Heather Schröder, Senior Legal Counsel und Team Leader Corporate and M&A bei Robert Bosch LLC.. Der Dealhunger sei sowohl in Europa als auch in den USA groß, allerdings gestalteten sich die Deals mittlerweile sehr viel komplexer.
„Deals werden sich viel gründlicher angeschaut“, sagte Dr. Philipp Heer, Partner und Head of Germany von HWF Partners. Amerika besäße gegenüber Europa einen Währungsvorteil.
In zahlreichen weiteren Panels ging es um verschiedene Bereiche und Aspekte der M&A-Tätigkeit wie u.a. Mittelstand & M&A, Krisenmanagement, Distressed M&A, ESG, Digitalisierung und KI, Supply Chain 2.0, IP, Investments in Energie und Infrastruktur sowie Healthcare und Life Sciences.
Die nächste MuMAC findet am 19. September 2023 statt.
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.